Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_426.001 p1b_426.003 p1b_426.005 a. Es war einmal die Blum' im Thal, p1b_426.007 p1b_426.010Und in den Lüften war der Strahl. p1b_426.008 War für die Blume Strahl erglüht, p1b_426.009 War Blume für den Strahl erblüht? (Fr. Rückert.) p1b_426.011b. Des Grafen Vogt klopft am Gehöfte an: p1b_426.012 p1b_426.017"Zur Dienstpflicht stellet Morgen einen Mann! p1b_426.013 Die Macht hebt an beim roten Morgenschein, p1b_426.014 Da laßt ihn auf der großen Wiese sein; p1b_426.015 Die Mäher führet auf des Grafen Land p1b_426.016 Der schwarze Hildebrand! (Wolfg. Müller von Königswinter.) p1b_426.018 p1b_426.019 p1b_426.024 a. Durch die Fluren ohne Sorgen, p1b_426.026 p1b_426.029Durch die Wälder ohne Härmen p1b_426.027 Möcht ich jetzt den guten Morgen p1b_426.028 Und den lieben Mittag schwärmen. (Ludw. Eichrodt, Melodien S. 76.) p1b_426.030b. Jn Rätselfragen ruht der Reiz des Lebens, p1b_426.031 p1b_426.034Und forschen wir nicht immer auch vergebens, p1b_426.032 So folgen jeder Lösung neue Fragen, p1b_426.033 Die wir als neue Rätsel in uns tragen. (Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almasy.) p1b_426.035 p1b_426.036 p1b_426.041 p1b_426.001 p1b_426.003 p1b_426.005 a. Es war einmal die Blum' im Thal, p1b_426.007 p1b_426.010Und in den Lüften war der Strahl. p1b_426.008 War für die Blume Strahl erglüht, p1b_426.009 War Blume für den Strahl erblüht? (Fr. Rückert.) p1b_426.011b. Des Grafen Vogt klopft am Gehöfte an: p1b_426.012 p1b_426.017„Zur Dienstpflicht stellet Morgen einen Mann! p1b_426.013 Die Macht hebt an beim roten Morgenschein, p1b_426.014 Da laßt ihn auf der großen Wiese sein; p1b_426.015 Die Mäher führet auf des Grafen Land p1b_426.016 Der schwarze Hildebrand! (Wolfg. Müller von Königswinter.) p1b_426.018 p1b_426.019 p1b_426.024 a. 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Er giebt dem Verse Weichheit, Milde, <lb n="p1b_426.023"/> Biegsamkeit und Geschmeidigkeit.</p> <p> <lb n="p1b_426.024"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_426.025"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">a</hi>.</p> <lg> <l>Durch die Fluren ohne Sorgen,</l> <lb n="p1b_426.026"/> <l>Durch die Wälder ohne Härmen</l> <lb n="p1b_426.027"/> <l>Möcht ich jetzt den guten Morgen</l> <lb n="p1b_426.028"/> <l>Und den lieben Mittag schwärmen.</l> </lg> <lb n="p1b_426.029"/> <p> <hi rendition="#right">(Ludw. 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Überzählig <lb n="p1b_426.039"/> nennt man ihn, wenn er jambische oder trochäische Verse abschließt. <lb n="p1b_426.040"/> (Vgl. unten die Beispiele <hi rendition="#aq">c</hi> und <hi rendition="#aq">e</hi>.)</p> <p><lb n="p1b_426.041"/> Dieser dreisilbige Reim verleiht dem Verse Lebendigkeit, Munterkeit, weshalb <lb n="p1b_426.042"/> man ihn gern zur poetischen Malerei verwendet.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [426/0460]
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bezeichneten den männlichen Reim als stumpfen Reim, während sie die zwei= p1b_426.002
und mehrsilbigen Reime klingende nannten.
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Der männliche Reim giebt einer ernst männlichen, entschlossenen Stimmung p1b_426.004
Ausdruck; er verleiht dem Verse Bestimmtheit, Kraft und Würde.
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Beispiele des männlichen Reims:
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a.
Es war einmal die Blum' im Thal, p1b_426.007
Und in den Lüften war der Strahl. p1b_426.008
War für die Blume Strahl erglüht, p1b_426.009
War Blume für den Strahl erblüht?
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(Fr. Rückert.)
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b.
Des Grafen Vogt klopft am Gehöfte an: p1b_426.012
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Die Macht hebt an beim roten Morgenschein, p1b_426.014
Da laßt ihn auf der großen Wiese sein; p1b_426.015
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Der schwarze Hildebrand!
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(Wolfg. Müller von Königswinter.)
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2. Weiblicher (trochäischer, klingender) Reim.
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Hier müssen zwei Silben auf einander reimen: eine betonte und p1b_426.020
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─ tauen, Reigen ─ schweigen, Ehre ─ Wehre), weshalb er auch p1b_426.022
der zweisilbige Reim heißt. Er giebt dem Verse Weichheit, Milde, p1b_426.023
Biegsamkeit und Geschmeidigkeit.
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Beispiele:
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a.
Durch die Fluren ohne Sorgen, p1b_426.026
Durch die Wälder ohne Härmen p1b_426.027
Möcht ich jetzt den guten Morgen p1b_426.028
Und den lieben Mittag schwärmen.
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(Ludw. Eichrodt, Melodien S. 76.)
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b.
Jn Rätselfragen ruht der Reiz des Lebens, p1b_426.031
Und forschen wir nicht immer auch vergebens, p1b_426.032
So folgen jeder Lösung neue Fragen, p1b_426.033
Die wir als neue Rätsel in uns tragen.
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(Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almâsy.)
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3. Gleitender (daktylischer) Reim.
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Bei ihm reimen sich drei Silben, von denen nur die erste betont p1b_426.037
ist, während die beiden anderen kurz sind (– ⏑ ⏑), z. B. Fīngĕrchĕn p1b_426.038
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nennt man ihn, wenn er jambische oder trochäische Verse abschließt. p1b_426.040
(Vgl. unten die Beispiele c und e.)
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Dieser dreisilbige Reim verleiht dem Verse Lebendigkeit, Munterkeit, weshalb p1b_426.042
man ihn gern zur poetischen Malerei verwendet.
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