Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_443.001 p1b_443.002 1. 5. und 9. Strophe: Die Sonne bringt es an den Tag. p1b_443.008 p1b_443.014 Es blies ein Jäger wohl in sein Horn, p1b_443.017 alleweil bei der Nacht. p1b_443.018 Und Alles, was er blies, das war verlor'n, p1b_443.019 Soll denn mein Blasen verloren sein? p1b_443.020 alleweil bei der Nacht u. s. w. p1b_443.021 Wundergrüne Waldeshut, p1b_443.026 Wunderklare Wasserflut! p1b_443.027 Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser, p1b_443.028 Schwimmet nicht, daß es ertränke; p1b_443.029 Schwimmet nur, daß es ersähe, p1b_443.030 Ob die Mutter sich wohl kränke. p1b_443.031 Doch die Mutter geht an's Ufer, p1b_443.032 Wirft in's Wasser einen Stein: p1b_443.033 "Sink, o Böse, sink hinunter, p1b_443.034 Nimmer bist und warst du mein!" p1b_443.035 Wundergrüne Waldeshut, p1b_443.036 Wunderklare Wasserflut! p1b_443.037 Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser, p1b_443.038 Schwimmet nicht, daß es ertränke; p1b_443.039 Schwimmet nur, daß es ersähe, p1b_443.040 Ob der Vater sich wohl kränke. p1b_443.041 Doch der Vater geht an's Ufer, p1b_443.042 Wirft in's Wasser einen Stein: p1b_443.043 "Sink, o Böse, sink hinunter, p1b_443.044 Nimmer bist und warst du mein!" p1b_443.045
Wundergrüne Waldeshut, u. s. w. (die 3 folgenden Zeilen p1b_443.046 Schwimmet nur, daß es ersähe, [wie oben) p1b_443.047 Ob die Schwester sich wohl kränke. p1b_443.001 p1b_443.002 1. 5. und 9. Strophe: Die Sonne bringt es an den Tag. p1b_443.008 p1b_443.014 Es blies ein Jäger wohl in sein Horn, p1b_443.017 alleweil bei der Nacht. p1b_443.018 Und Alles, was er blies, das war verlor'n, p1b_443.019 Soll denn mein Blasen verloren sein? p1b_443.020 alleweil bei der Nacht u. s. w. p1b_443.021 Wundergrüne Waldeshut, p1b_443.026 Wunderklare Wasserflut! p1b_443.027 Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser, p1b_443.028 Schwimmet nicht, daß es ertränke; p1b_443.029 Schwimmet nur, daß es ersähe, p1b_443.030 Ob die Mutter sich wohl kränke. p1b_443.031 Doch die Mutter geht an's Ufer, p1b_443.032 Wirft in's Wasser einen Stein: p1b_443.033 „Sink, o Böse, sink hinunter, p1b_443.034 Nimmer bist und warst du mein!“ p1b_443.035 Wundergrüne Waldeshut, p1b_443.036 Wunderklare Wasserflut! p1b_443.037 Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser, p1b_443.038 Schwimmet nicht, daß es ertränke; p1b_443.039 Schwimmet nur, daß es ersähe, p1b_443.040 Ob der Vater sich wohl kränke. p1b_443.041 Doch der Vater geht an's Ufer, p1b_443.042 Wirft in's Wasser einen Stein: p1b_443.043 „Sink, o Böse, sink hinunter, p1b_443.044 Nimmer bist und warst du mein!“ p1b_443.045
Wundergrüne Waldeshut, u. s. w. (die 3 folgenden Zeilen p1b_443.046 Schwimmet nur, daß es ersähe, [wie oben) p1b_443.047 Ob die Schwester sich wohl kränke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0477" n="443"/> </div> <div n="5"> <p><lb n="p1b_443.001"/><hi rendition="#aq">c</hi>. <hi rendition="#g">Flüssiger Kehrreim.</hi></p> <p><lb n="p1b_443.002"/> Bei den epischen Kehrreimen, welche die Erzählung mit fortführen, kommt <lb n="p1b_443.003"/> der flüssige Kehrreim zu größerer Entfaltung, indem z. B. die Prädikate bleiben <lb n="p1b_443.004"/> und das Subjekt sich ändert oder das Subjekt bleibt und das Prädikat wechselt. <lb n="p1b_443.005"/> Vgl. z. B. Chamissos Gedicht „<hi rendition="#g">die Sonne bringt es an den Tag,</hi>“ wo <lb n="p1b_443.006"/> der Kehrreim auf siebenfache Weise so umgestaltet wurde:</p> <lb n="p1b_443.007"/> <p>1. 5. und 9. Strophe: Die Sonne bringt es an den Tag. <lb n="p1b_443.008"/> 2. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Du bringst es doch nicht an den Tag. <lb n="p1b_443.009"/> 3. 6. 7. 8. 10. 11. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Die Sonne bringt's nicht an den Tag. <lb n="p1b_443.010"/> 4. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Was bringt die Sonne nicht an den Tag? <lb n="p1b_443.011"/> 12. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Sie bringt es doch nicht an den Tag. <lb n="p1b_443.012"/> 13. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Nun bringt's die Sonne an den Tag. <lb n="p1b_443.013"/> 14. <space dim="horizontal"/>„ <space dim="horizontal"/>Die Sonne bracht' es an den Tag.</p> <p><lb n="p1b_443.014"/> Welche musikalische Gewalt der Kehrreim im Volksliede hat, zeigen Lieder <lb n="p1b_443.015"/> wie dieses:</p> <lb n="p1b_443.016"/> <lg> <l>Es blies ein Jäger wohl in sein Horn,</l> <lb n="p1b_443.017"/> <l> alleweil bei der Nacht.</l> <lb n="p1b_443.018"/> <l>Und Alles, was er blies, das war verlor'n,</l> <lb n="p1b_443.019"/> <l>Soll denn mein Blasen verloren sein?</l> <lb n="p1b_443.020"/> <l><hi rendition="#g">alleweil bei der Nacht</hi> u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_443.021"/> Das Volkslied hat sich bei <hi rendition="#g">flüssigen Kehrreimen</hi> nicht mit einfachen <lb n="p1b_443.022"/> Sätzen begnügt, sondern zuweilen ganze Satzverbindungen angewandt, so daß <lb n="p1b_443.023"/> ganze Strophen den Kehrreim bilden, indem eine Hälfte feststehend bleibt, <lb n="p1b_443.024"/> während die andere, sich umwandelnde, den flüssigen Kehrreim darstellt.</p> <lb n="p1b_443.025"/> <lg> <l>Wundergrüne Waldeshut,</l> <lb n="p1b_443.026"/> <l>Wunderklare Wasserflut!</l> <lb n="p1b_443.027"/> <l>Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser,</l> <lb n="p1b_443.028"/> <l>Schwimmet nicht, daß es ertränke;</l> <lb n="p1b_443.029"/> <l>Schwimmet nur, daß es ersähe,</l> <lb n="p1b_443.030"/> <l><hi rendition="#g">Ob die Mutter</hi> sich wohl kränke.</l> <lb n="p1b_443.031"/> <l>Doch die Mutter geht an's Ufer,</l> <lb n="p1b_443.032"/> <l>Wirft in's Wasser einen Stein:</l> <lb n="p1b_443.033"/> <l>„Sink, o Böse, sink hinunter,</l> <lb n="p1b_443.034"/> <l>Nimmer bist und warst du mein!“ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_443.035"/> <l>Wundergrüne Waldeshut,</l> <lb n="p1b_443.036"/> <l>Wunderklare Wasserflut!</l> <lb n="p1b_443.037"/> <l>Schwimmt ein Mädchen über'm Wasser,</l> <lb n="p1b_443.038"/> <l>Schwimmet nicht, daß es ertränke;</l> <lb n="p1b_443.039"/> <l>Schwimmet nur, daß es ersähe,</l> <lb n="p1b_443.040"/> <l><hi rendition="#g">Ob der Vater</hi> sich wohl kränke.</l> <lb n="p1b_443.041"/> <l>Doch der Vater geht an's Ufer,</l> <lb n="p1b_443.042"/> <l>Wirft in's Wasser einen Stein:</l> <lb n="p1b_443.043"/> <l>„Sink, o Böse, sink hinunter,</l> <lb n="p1b_443.044"/> <l>Nimmer bist und warst du mein!“ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_443.045"/> <l>Wundergrüne Waldeshut, u. s. w. (die 3 folgenden Zeilen</l> <lb n="p1b_443.046"/> <l>Schwimmet nur, daß es ersähe,<space dim="horizontal"/>[wie oben)</l> <lb n="p1b_443.047"/> <l><hi rendition="#g">Ob die Schwester</hi> sich wohl kränke.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [443/0477]
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c. Flüssiger Kehrreim.
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Bei den epischen Kehrreimen, welche die Erzählung mit fortführen, kommt p1b_443.003
der flüssige Kehrreim zu größerer Entfaltung, indem z. B. die Prädikate bleiben p1b_443.004
und das Subjekt sich ändert oder das Subjekt bleibt und das Prädikat wechselt. p1b_443.005
Vgl. z. B. Chamissos Gedicht „die Sonne bringt es an den Tag,“ wo p1b_443.006
der Kehrreim auf siebenfache Weise so umgestaltet wurde:
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1. 5. und 9. Strophe: Die Sonne bringt es an den Tag. p1b_443.008
2. „ Du bringst es doch nicht an den Tag. p1b_443.009
3. 6. 7. 8. 10. 11. „ Die Sonne bringt's nicht an den Tag. p1b_443.010
4. „ Was bringt die Sonne nicht an den Tag? p1b_443.011
12. „ Sie bringt es doch nicht an den Tag. p1b_443.012
13. „ Nun bringt's die Sonne an den Tag. p1b_443.013
14. „ Die Sonne bracht' es an den Tag.
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Welche musikalische Gewalt der Kehrreim im Volksliede hat, zeigen Lieder p1b_443.015
wie dieses:
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Es blies ein Jäger wohl in sein Horn, p1b_443.017
alleweil bei der Nacht. p1b_443.018
Und Alles, was er blies, das war verlor'n, p1b_443.019
Soll denn mein Blasen verloren sein? p1b_443.020
alleweil bei der Nacht u. s. w.
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Das Volkslied hat sich bei flüssigen Kehrreimen nicht mit einfachen p1b_443.022
Sätzen begnügt, sondern zuweilen ganze Satzverbindungen angewandt, so daß p1b_443.023
ganze Strophen den Kehrreim bilden, indem eine Hälfte feststehend bleibt, p1b_443.024
während die andere, sich umwandelnde, den flüssigen Kehrreim darstellt.
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Wundergrüne Waldeshut, p1b_443.026
Wunderklare Wasserflut! p1b_443.027
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Nimmer bist und warst du mein!“
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Ob die Schwester sich wohl kränke.
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