Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_462.001 p1b_462.003 Wenn unter deinen Freunden einer weilt, (Accent u. Fermate!) p1b_462.015 Der mit der Güte seines Herzens dir p1b_462.016 Jn's Auge leuchtet und mit seinem Geist p1b_462.017 Den deinigen befriedigt und ihn heilt: (Desgleichen.) p1b_462.018 Wohl dir, o Mensch! p1b_462.019 [Beginn Spaltensatz] "Welche chaotische p1b_462.024 [Spaltenumbruch]
p1b_462.101Haushälterei! p1b_462.025 Welches erotische p1b_462.026 Tausenderlei! p1b_462.027 Alle die Nischchen, p1b_462.028 Alle die Zellchen, Alle die Tischchen, p1b_462.102 [Ende Spaltensatz]
All die Gestellchen! p1b_462.103 Fächelchen, Schreinchen, p1b_462.104 Alle voll Quästchen, p1b_462.105 Perlchen und Steinchen p1b_462.106 All in den Kästchen!" p1b_462.107 Wie ihn die Riesigen p1b_462.109 Empor geschoben, p1b_462.110 Jhr zappelfüßigen, p1b_462.111 Geschwind nach oben &c. p1b_462.112 p1b_462.113 Jch weiß ein schönes Märchen: p1b_462.117
Es war ein schönes Pärchen, p1b_462.118 Hieß Hänselchen und Klärchen, p1b_462.119 Die pflückten Blum' und Ährchen p1b_462.120 Und aßen reife Beerchen. p1b_462.121 Das Klärchen hatt' ein Härchen, p1b_462.122 Das Hänselchen ein Scherchen; p1b_462.123 Das war ein goldnes Härchen, p1b_462.124 Und das ein silbern Scherchen. p1b_462.001 p1b_462.003 Wenn unter deinen Freunden einer weilt, (Accent u. Fermate!) p1b_462.015 Der mit der Güte seines Herzens dir p1b_462.016 Jn's Auge leuchtet und mit seinem Geist p1b_462.017 Den deinigen befriedigt und ihn heilt: (Desgleichen.) p1b_462.018 Wohl dir, o Mensch! p1b_462.019 [Beginn Spaltensatz] „Welche chaotische p1b_462.024 [Spaltenumbruch]
p1b_462.101Haushälterei! p1b_462.025 Welches erotische p1b_462.026 Tausenderlei! p1b_462.027 Alle die Nischchen, p1b_462.028 Alle die Zellchen, Alle die Tischchen, p1b_462.102 [Ende Spaltensatz]
All die Gestellchen! p1b_462.103 Fächelchen, Schreinchen, p1b_462.104 Alle voll Quästchen, p1b_462.105 Perlchen und Steinchen p1b_462.106 All in den Kästchen!“ p1b_462.107 Wie ihn die Riesigen p1b_462.109 Empor geschoben, p1b_462.110 Jhr zappelfüßigen, p1b_462.111 Geschwind nach oben &c. p1b_462.112 p1b_462.113 Jch weiß ein schönes Märchen: p1b_462.117
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wo das umklammernde Reimecho nach zu Dach erst am Ende der p1b_462.002
6. Verszeile kommt.)
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Jm Sonett und in der Vierzeile steht der Gleichklang der ersten Zeile p1b_462.004
mit dem der vierten Zeile in Beziehung. Bei so weit auseinander liegenden p1b_462.005
Reimen muß der Dichter selbstredend besonderes Gewicht auf die eindringende, p1b_462.006
materielle Bedeutung des Reims legen, auf die Kraft und Klangfarbe p1b_462.007
der Vokale, auf den Wortaccent (Leid und Zeit wirkt z. B. stärker p1b_462.008
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Dann aber ist bei der Deklamation von Gedichten mit weit auseinander p1b_462.010
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rhythmischer Natur zu sein braucht (also nicht zugleich grammatisch=syntaktische p1b_462.012
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z. B.
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Wohl dir, o Mensch!
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2. Enges Aneinandertreten der Reime und enges Verschlingen p1b_462.020
derselben ist da geboten, wo ein buntes Mancherlei von Anschauungen und p1b_462.021
Bildern kaleidoskopisch an der Seele vorüber ziehen soll. Wer dieses begreift, p1b_462.022
wird Gedichte, wie „Göttin im Putzzimmer“ von Rückert (II, 109):
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oder Goethes „Ameisenchor“ (Faust II. Werke XII, 126):
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Wie ihn die Riesigen p1b_462.109
Empor geschoben, p1b_462.110
Jhr zappelfüßigen, p1b_462.111
Geschwind nach oben &c.
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nicht ─ wie es geschehen ─ für Spielereien ansehen.
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Wie finden übrigens genug Reimspielereien, die durchaus wohlgefällig p1b_462.114
wirken, und bei denen es der Dichter verstand, der Künstelei fern zu bleiben, p1b_462.115
was nachfolgende, gewandte Reimerei Rückerts beweisen dürfte:
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Jch weiß ein schönes Märchen: p1b_462.117
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Hieß Hänselchen und Klärchen, p1b_462.119
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Das Hänselchen ein Scherchen; p1b_462.123
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Und das ein silbern Scherchen.
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