Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_469.001 p1b_469.007 p1b_469.010 p1b_469.011 p1b_469.017 Aber dein Licht, im Jnnern blünht es p1b_469.021 Meines Gemüntes.(Rückert.) p1b_469.022 Wie stolz und stattlich geht er! p1b_469.023 Wie adlig ist sein Mut! p1b_469.024 Er ist nur ein Trompeter p1b_469.025 Und doch bin ich ihm gut. (Scheffel, Trompeter.) p1b_469.026 p1b_469.031 p1b_469.001 p1b_469.007 p1b_469.010 p1b_469.011 p1b_469.017 Aber dein Licht, im Jnnern blǖht ēs p1b_469.021 Meines Gemǖtĕs.(Rückert.) p1b_469.022 Wie stolz und stattlich geht er! p1b_469.023 Wie adlig ist sein Mut! p1b_469.024 Er ist nur ein Trompeter p1b_469.025 Und doch bin ich ihm gut. (Scheffel, Trompeter.) p1b_469.026 p1b_469.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0503" n="469"/> <p><lb n="p1b_469.001"/> Einer ähnlichen Anschauung huldigt Christian Kirchhoff-Altona im Deutschen <lb n="p1b_469.002"/> Dichterheim Jahrg. 1881. Nr. 9. Er setzt die Entscheidung über Zulässigkeit <lb n="p1b_469.003"/> unreiner Reime in das Ermessen des gebildeten Geschmacks, wogegen die Redaktion <lb n="p1b_469.004"/> durch die Erklärung sich verwahrt, „daß die Aufnahme dieser Ausführung <lb n="p1b_469.005"/> keineswegs die künftige Duldung unreiner Reime im D. Dichterh. zur <lb n="p1b_469.006"/> Folge haben werde“.</p> <p><lb n="p1b_469.007"/> Wir müssen schon aus metrischen wie aus ästhetischen Gründen die der <lb n="p1b_469.008"/> Regellosigkeit Thür und Thor öffnende Anschauung von der Ungefährlichkeit <lb n="p1b_469.009"/> unreiner Reime bekämpfen.</p> </div> <div n="5"> <p><lb n="p1b_469.010"/> 3. <hi rendition="#g">Gleichheit der Silbenquantität.</hi></p> <p><lb n="p1b_469.011"/> Zur Reinheit des Reimes gehört es, daß die accentuierte oder arsische <lb n="p1b_469.012"/> Silbe reimt, nicht die thetische wie in den falschen Reimen Vergeßlichkeit, <lb n="p1b_469.013"/> Ewigkeit ─ Heiterkeit, Vorsehung ─ Behandlung, Spiegelung ─ Hoffnung, <lb n="p1b_469.014"/> feierlich ─ freventlich, hinein ─ Fältelein. Reine Reime müssen <lb n="p1b_469.015"/> auch hinsichtlich der Silbenquantität gleichartig sein, z. B. verde<metamark function="metEmph" place="superlinear">5</metamark>rbli<metamark function="metEmph" place="superlinear">2</metamark>ch ─ <lb n="p1b_469.016"/> unste<metamark function="metEmph" place="superlinear">5</metamark>rbli<metamark function="metEmph" place="superlinear">2</metamark>ch. <hi rendition="#g">Nicht aber</hi> verbli<metamark function="metEmph" place="superlinear">5</metamark>ch und unste<metamark function="metEmph" place="superlinear">5</metamark>rbli<metamark function="metEmph" place="superlinear">2</metamark>ch.</p> <p><lb n="p1b_469.017"/> Es verstößt gegen die Silbenquantität wenn ein weiblicher Reim als <lb n="p1b_469.018"/> Echo eines schwebenden Reimes gewählt wird. Z. B. hēißt ēr ─ Mēistĕr <lb n="p1b_469.019"/> (== Mēistēr), nīmm ēs ─ Grīmmĕs, dāß ēr ─ Wāssĕr.</p> <lb n="p1b_469.020"/> <lg> <l>Aber dein Licht, im Jnnern <hi rendition="#g">blǖht ēs</hi></l> <lb n="p1b_469.021"/> <l>Meines <hi rendition="#g">Gemǖtĕs.</hi><hi rendition="#right">(Rückert.)</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_469.022"/> <l>Wie stolz und stattlich geht <hi rendition="#g">er!</hi></l> <lb n="p1b_469.023"/> <l>Wie adlig ist sein Mut!</l> <lb n="p1b_469.024"/> <l>Er ist nur ein Trompet<hi rendition="#g">er</hi></l> <lb n="p1b_469.025"/> <l>Und doch bin ich ihm gut.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Scheffel, Trompeter.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_469.026"/> „<hi rendition="#g">Er</hi>“ ist im letzten Beispiel so schwer, daß es einer Arsis gleich kommt; <lb n="p1b_469.027"/> man macht vor dem Wort unwillkürlich eine Vortragspause, weshalb man <lb n="p1b_469.028"/> durch den Gleichklang gezwungen ist, auch die Nachsilbe bei Trompeter zu <lb n="p1b_469.029"/> betonen, was durchaus unschön oder komisch klingt. <hi rendition="#g">Reden</hi> auf <hi rendition="#g">Trompeten</hi> <lb n="p1b_469.030"/> ergiebt gleich leichte Silben, nicht aber „gēht ēr“ und „Trompētĕr“.</p> <p><lb n="p1b_469.031"/> Gegen die Quantität verstoßen ferner alle den gleichen prosodischen Betonungsgesetzen <lb n="p1b_469.032"/> widersprechenden Reimsilben oder Wörter, insofern Ableitungssilben <lb n="p1b_469.033"/> geringeren Ton haben als Reimsilben und somit kein reines Klang-Echo ergeben <lb n="p1b_469.034"/> können, z. 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Einer ähnlichen Anschauung huldigt Christian Kirchhoff-Altona im Deutschen p1b_469.002
Dichterheim Jahrg. 1881. Nr. 9. Er setzt die Entscheidung über Zulässigkeit p1b_469.003
unreiner Reime in das Ermessen des gebildeten Geschmacks, wogegen die Redaktion p1b_469.004
durch die Erklärung sich verwahrt, „daß die Aufnahme dieser Ausführung p1b_469.005
keineswegs die künftige Duldung unreiner Reime im D. Dichterh. zur p1b_469.006
Folge haben werde“.
p1b_469.007
Wir müssen schon aus metrischen wie aus ästhetischen Gründen die der p1b_469.008
Regellosigkeit Thür und Thor öffnende Anschauung von der Ungefährlichkeit p1b_469.009
unreiner Reime bekämpfen.
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3. Gleichheit der Silbenquantität.
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Zur Reinheit des Reimes gehört es, daß die accentuierte oder arsische p1b_469.012
Silbe reimt, nicht die thetische wie in den falschen Reimen Vergeßlichkeit, p1b_469.013
Ewigkeit ─ Heiterkeit, Vorsehung ─ Behandlung, Spiegelung ─ Hoffnung, p1b_469.014
feierlich ─ freventlich, hinein ─ Fältelein. Reine Reime müssen p1b_469.015
auch hinsichtlich der Silbenquantität gleichartig sein, z. B. verde5rbli2ch ─ p1b_469.016
unste5rbli2ch. Nicht aber verbli5ch und unste5rbli2ch.
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Es verstößt gegen die Silbenquantität wenn ein weiblicher Reim als p1b_469.018
Echo eines schwebenden Reimes gewählt wird. Z. B. hēißt ēr ─ Mēistĕr p1b_469.019
(== Mēistēr), nīmm ēs ─ Grīmmĕs, dāß ēr ─ Wāssĕr.
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Aber dein Licht, im Jnnern blǖht ēs p1b_469.021
Meines Gemǖtĕs.(Rückert.)
p1b_469.022
Wie stolz und stattlich geht er! p1b_469.023
Wie adlig ist sein Mut! p1b_469.024
Er ist nur ein Trompeter p1b_469.025
Und doch bin ich ihm gut.
(Scheffel, Trompeter.)
p1b_469.026
„Er“ ist im letzten Beispiel so schwer, daß es einer Arsis gleich kommt; p1b_469.027
man macht vor dem Wort unwillkürlich eine Vortragspause, weshalb man p1b_469.028
durch den Gleichklang gezwungen ist, auch die Nachsilbe bei Trompeter zu p1b_469.029
betonen, was durchaus unschön oder komisch klingt. Reden auf Trompeten p1b_469.030
ergiebt gleich leichte Silben, nicht aber „gēht ēr“ und „Trompētĕr“.
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Gegen die Quantität verstoßen ferner alle den gleichen prosodischen Betonungsgesetzen p1b_469.032
widersprechenden Reimsilben oder Wörter, insofern Ableitungssilben p1b_469.033
geringeren Ton haben als Reimsilben und somit kein reines Klang-Echo ergeben p1b_469.034
können, z. B. Le5id ─ Unaussprechlichke3it, Kra5ft ─ Ritterscha3ft, p1b_469.035
kle5in ─ Mägdele3in, Sinn ─ Schäferin, hi5n ─ Mülleri3n, Di5ng ─ Schmetter= p1b_469.036
li3ng, Blüteze4it ─ Vergessenhe3it, bere5it ─ Seligke3it, Stre5it ─ Sicherhe3it, p1b_469.037
Kra5ft ─ Mannscha3ft, kla5r ─ offenba3r, La5mm ─ Bräutiga3m, Ru5hm p1b_469.038
─ Altertu3m.
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