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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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5. Allmählich unterschied man den Tonfall der Reimzeilen, wodurch sich p1b_479.002
naturgemäße und gekünstelte Reimverbindungen ergaben, ein reicher Wechsel p1b_479.003
von Reimen und soviel Verschlingungen und Wiederholungen, daß die Reime p1b_479.004
in ihrer Beziehung oft unnatürlich erscheinen mußten. Die regelmäßige Wiederholung p1b_479.005
der Reime in rhythmischen Abschnitten bildete Strophen oder Töne p1b_479.006
(wie die Minnesinger benannten). Zu welcher künstlerischen Ausbildung die p1b_479.007
Reimverschlingung übrigens bereits zur Zeit der Minnesinger gediehen war, p1b_479.008
möge folgende auch im § 193 und § 207 zu behandelnde, das Gesetz der p1b_479.009
Dreiteilung zeigende Strophe Walthers von der Vogelweide beweisen:

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Reimschema: a b b a | c d c e | f g g f.

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Welt, ich han deinen lon ersehen: (a) p1b_479.012
swaz dau mir geist, daz nimest dau mir; (b) p1b_479.013
Wir scheiden alle bloz von dir, (b) p1b_479.014
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Ich han leip unde sele (des was gar ze vil) (c) p1b_479.016
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nau bin ich alt, und hast mit mir dein gampelspil; (c) p1b_479.018
ist mir daz zorn, so lachest dau. (e) p1b_479.019
Nau lache unz eine weile noch: (f) p1b_479.020
dein jamertac wil schiere komen, (g) p1b_479.021
und nimet dir, swaz du unz hast benomen, (g) p1b_479.022
und brennet dich dar umbe jedoch. (f)

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6. Trotz der hohen Entwicklungsstufe des Reims im Minnesang zeigt p1b_479.024
derselbe im Meistersange (und namentlich im 15., 16., 17. Jahrh.) große p1b_479.025
Regellosigkeit, bis sich im 18. und 19. Jahrh. durch unsere besten Dichter p1b_479.026
- vor allem durch Platen - eine bis in die Gegenwart reichende Pflege p1b_479.027
des Reims geltend machte, was aus den späteren Paragraphen zur Genüge p1b_479.028
ersichtlich werden wird.

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§ 146. Unterschied zwischen unserem und dem Otfriedschen p1b_479.030
Reime.

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Es ist jedenfalls von Wert, durch nachstehende Sätze wenigstens p1b_479.032
andeutungsweise zu erfahren, wie sich aus dem Reime bei Otfried p1b_479.033
(bei dem alle Reime noch stumpf waren, bei dem also der Reim nur p1b_479.034
betonte Silben wie mein und dein verband, nicht aber unbetonte wie p1b_479.035
meinen, deinen) der Reim zu einem der vornehmsten Kunstmittel emporgearbeitet p1b_479.036
hat:

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1. Der spätere Reim bevorzugte die Stammsilben.

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2. Die Reime wurden mit der Zeit schöner und richtiger.

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Dreiteilung zeigende Strophe Walthers von der Vogelweide beweisen:

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6. Trotz der hohen Entwicklungsstufe des Reims im Minnesang zeigt p1b_479.024
derselbe im Meistersange (und namentlich im 15., 16., 17. Jahrh.) große p1b_479.025
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─ vor allem durch Platen ─ eine bis in die Gegenwart reichende Pflege p1b_479.027
des Reims geltend machte, was aus den späteren Paragraphen zur Genüge p1b_479.028
ersichtlich werden wird.

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§ 146. Unterschied zwischen unserem und dem Otfriedschen p1b_479.030
Reime.

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Es ist jedenfalls von Wert, durch nachstehende Sätze wenigstens p1b_479.032
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/513>, abgerufen am 22.11.2024.