p1b_480.001 3. Die Stellung der reimfähigen Wörter wurde kunstvoller als p1b_480.002 im Althochdeutschen.
p1b_480.003 4. Zur musikalischen Befriedigung durch den früheren Reim p1b_480.004 gesellte sich nach und nach die verstandesmäßige.
p1b_480.005 5. Der heutige Reim hat eine malende, onomatopoetische Bedeutung.
p1b_480.006 6. Durch Aufhebung der Betonung in der Schlußsilbe wurden p1b_480.007 einzelne Wörter reimfähig, die es früher nicht waren.
p1b_480.008 7. Durch das Aussetzen des Reimes wirkten die übrigen Reime p1b_480.009 nicht selten um so kräftiger.
p1b_480.010 8. Unser Reim kann auch mit Erfolg zur Erreichung einer p1b_480.011 komischen Wirkung benützt werden.
p1b_480.012 1. Der heutige Reim bevorzugt die Stammsilben. Mit Zurückziehen p1b_480.013 der Betonung (§ 145. 3 u. 4. S 478) von den Endsilben (z. B. p1b_480.014 thinan und minan wurden zu deinen und meinen) verringerten sich die reimfähigen p1b_480.015 Silben. Nur diejenige Silbe konnte für die Folge in die Reimstelle p1b_480.016 eintreten, welche den eigentlichen Körper des Worts ausmachte, d. i. eben die p1b_480.017 Stammsilbe. So wurde der Reim durch die Beschränkung auf die Stammsilbe p1b_480.018 geistiger.
p1b_480.019 Die früher betonten Endsilben wurden in den Schatten gestellt, und die p1b_480.020 Accentverschiebung oder die Zurückziehung des Accents auf die Stammsilbe p1b_480.021 wurde die Mutter des deutschen Reims. Somit verhalf der Reim p1b_480.022 der accentuierenden Metrik zum Sieg. (Vgl. S. 223 d. B.)
p1b_480.023 2. Unsere Reime sind schöner und richtiger als die althochdeutschen.p1b_480.024 Wenn Otfried noch beispielsweise Land und Gewalt reimt, so p1b_480.025 verlangte bald die klassische Periode der formgewandten Meister des Mittelalters p1b_480.026 Übereinstimmung vom letzten Vokale der Stammsilbe des Reimwortes p1b_480.027 an und begann eine so staunenswerte Reinheit des Reims, daß unsere Dichter p1b_480.028 sie mehr als seither studieren sollten. (Vgl. § 143.)
p1b_480.029 3. Die Stellung unserer Reimwörter wurde kunstvoller. Dies p1b_480.030 gilt besonders hinsichtlich der kunstvollen Verschlingung der Reimkette. Während p1b_480.031 bei Otfried immer nur die zweite Zeile auf die erste reimt, haben wir seit den p1b_480.032 Minnesingern eine unendliche Verschiedenheit der Reimstellung. So ist z. B. p1b_480.033 in unserer Terzine der Reim der ersten und letzten Zeile durch die Mittelzeile p1b_480.034 der je vorhergehenden Strophe bedingt; das Sonett ist ein aus mehreren Stockwerken p1b_480.035 aufgebautes Reimkunstwerk; in der Oktave verbindet der Reim die ersten p1b_480.036 6 Zeilen auf's engste, so daß die zwei denselben nachfolgenden Zeilen am p1b_480.037 Schluß der Strophe als Abgesang empfunden werden und eine befriedigende p1b_480.038 Wirkung erzielen. Jn unzähligen Strophen finden sich neue Formen der Reimverbindung, p1b_480.039 was das Hauptstück von der Strophik ersehen lassen wird. So p1b_480.040 erfüllt der Reim neben seiner auf Befriedigung des ästhetischen Gefühls gerichteten p1b_480.041 Aufgabe den Zweck, durch seinen Sitz an den Hauptstellen der Verse p1b_480.042 den Gedanken zu gliedern.
p1b_480.001 3. Die Stellung der reimfähigen Wörter wurde kunstvoller als p1b_480.002 im Althochdeutschen.
p1b_480.003 4. Zur musikalischen Befriedigung durch den früheren Reim p1b_480.004 gesellte sich nach und nach die verstandesmäßige.
p1b_480.005 5. Der heutige Reim hat eine malende, onomatopoetische Bedeutung.
p1b_480.006 6. Durch Aufhebung der Betonung in der Schlußsilbe wurden p1b_480.007 einzelne Wörter reimfähig, die es früher nicht waren.
p1b_480.008 7. Durch das Aussetzen des Reimes wirkten die übrigen Reime p1b_480.009 nicht selten um so kräftiger.
p1b_480.010 8. Unser Reim kann auch mit Erfolg zur Erreichung einer p1b_480.011 komischen Wirkung benützt werden.
p1b_480.012 1. Der heutige Reim bevorzugt die Stammsilben. Mit Zurückziehen p1b_480.013 der Betonung (§ 145. 3 u. 4. S 478) von den Endsilben (z. B. p1b_480.014 thinàn und minàn wurden zu deīnĕn und meīnĕn) verringerten sich die reimfähigen p1b_480.015 Silben. Nur diejenige Silbe konnte für die Folge in die Reimstelle p1b_480.016 eintreten, welche den eigentlichen Körper des Worts ausmachte, d. i. eben die p1b_480.017 Stammsilbe. So wurde der Reim durch die Beschränkung auf die Stammsilbe p1b_480.018 geistiger.
p1b_480.019 Die früher betonten Endsilben wurden in den Schatten gestellt, und die p1b_480.020 Accentverschiebung oder die Zurückziehung des Accents auf die Stammsilbe p1b_480.021 wurde die Mutter des deutschen Reims. Somit verhalf der Reim p1b_480.022 der accentuierenden Metrik zum Sieg. (Vgl. S. 223 d. B.)
p1b_480.023 2. Unsere Reime sind schöner und richtiger als die althochdeutschen.p1b_480.024 Wenn Otfried noch beispielsweise Land und Gewalt reimt, so p1b_480.025 verlangte bald die klassische Periode der formgewandten Meister des Mittelalters p1b_480.026 Übereinstimmung vom letzten Vokale der Stammsilbe des Reimwortes p1b_480.027 an und begann eine so staunenswerte Reinheit des Reims, daß unsere Dichter p1b_480.028 sie mehr als seither studieren sollten. (Vgl. § 143.)
p1b_480.029 3. Die Stellung unserer Reimwörter wurde kunstvoller. Dies p1b_480.030 gilt besonders hinsichtlich der kunstvollen Verschlingung der Reimkette. Während p1b_480.031 bei Otfried immer nur die zweite Zeile auf die erste reimt, haben wir seit den p1b_480.032 Minnesingern eine unendliche Verschiedenheit der Reimstellung. So ist z. B. p1b_480.033 in unserer Terzine der Reim der ersten und letzten Zeile durch die Mittelzeile p1b_480.034 der je vorhergehenden Strophe bedingt; das Sonett ist ein aus mehreren Stockwerken p1b_480.035 aufgebautes Reimkunstwerk; in der Oktave verbindet der Reim die ersten p1b_480.036 6 Zeilen auf's engste, so daß die zwei denselben nachfolgenden Zeilen am p1b_480.037 Schluß der Strophe als Abgesang empfunden werden und eine befriedigende p1b_480.038 Wirkung erzielen. Jn unzähligen Strophen finden sich neue Formen der Reimverbindung, p1b_480.039 was das Hauptstück von der Strophik ersehen lassen wird. So p1b_480.040 erfüllt der Reim neben seiner auf Befriedigung des ästhetischen Gefühls gerichteten p1b_480.041 Aufgabe den Zweck, durch seinen Sitz an den Hauptstellen der Verse p1b_480.042 den Gedanken zu gliedern.
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4. Zur musikalischen Befriedigung durch den früheren Reim p1b_480.004
gesellte sich nach und nach die verstandesmäßige.
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5. Der heutige Reim hat eine malende, onomatopoetische Bedeutung.
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6. Durch Aufhebung der Betonung in der Schlußsilbe wurden p1b_480.007
einzelne Wörter reimfähig, die es früher nicht waren.
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7. Durch das Aussetzen des Reimes wirkten die übrigen Reime p1b_480.009
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8. Unser Reim kann auch mit Erfolg zur Erreichung einer p1b_480.011
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1. Der heutige Reim bevorzugt die Stammsilben. Mit Zurückziehen p1b_480.013
der Betonung (§ 145. 3 u. 4. S 478) von den Endsilben (z. B. p1b_480.014
thinàn und minàn wurden zu deīnĕn und meīnĕn) verringerten sich die reimfähigen p1b_480.015
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Die früher betonten Endsilben wurden in den Schatten gestellt, und die p1b_480.020
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wurde die Mutter des deutschen Reims. Somit verhalf der Reim p1b_480.022
der accentuierenden Metrik zum Sieg. (Vgl. S. 223 d. B.)
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2. Unsere Reime sind schöner und richtiger als die althochdeutschen. p1b_480.024
Wenn Otfried noch beispielsweise Land und Gewalt reimt, so p1b_480.025
verlangte bald die klassische Periode der formgewandten Meister des Mittelalters p1b_480.026
Übereinstimmung vom letzten Vokale der Stammsilbe des Reimwortes p1b_480.027
an und begann eine so staunenswerte Reinheit des Reims, daß unsere Dichter p1b_480.028
sie mehr als seither studieren sollten. (Vgl. § 143.)
p1b_480.029
3. Die Stellung unserer Reimwörter wurde kunstvoller. Dies p1b_480.030
gilt besonders hinsichtlich der kunstvollen Verschlingung der Reimkette. Während p1b_480.031
bei Otfried immer nur die zweite Zeile auf die erste reimt, haben wir seit den p1b_480.032
Minnesingern eine unendliche Verschiedenheit der Reimstellung. So ist z. B. p1b_480.033
in unserer Terzine der Reim der ersten und letzten Zeile durch die Mittelzeile p1b_480.034
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aufgebautes Reimkunstwerk; in der Oktave verbindet der Reim die ersten p1b_480.036
6 Zeilen auf's engste, so daß die zwei denselben nachfolgenden Zeilen am p1b_480.037
Schluß der Strophe als Abgesang empfunden werden und eine befriedigende p1b_480.038
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was das Hauptstück von der Strophik ersehen lassen wird. So p1b_480.040
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/514>, abgerufen am 22.11.2024.
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