Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_499.001 Wenn der Himmel und die Erde und das Meer p1b_499.002 Mir so herrlich und so traulich und so hold, p1b_499.003 Strahlend im Schimmer des Abends, p1b_499.004 Lächeln, und Wonnegefühl p1b_499.005 Mich erfüllt u. s. w. p1b_499.006 Und schauen auch von Turm und Thore p1b_499.012 Der Feinde Wappen jetzt herab, p1b_499.013 Und rissen sie die Trikolore p1b_499.014 Mit wüster Faust von Kranz und Grab, p1b_499.015 Und müßten wir nach diesen Tagen p1b_499.016 Von Herd und Heimat bettelnd gehn, - p1b_499.017 Wir wollens nicht zu laut beklagen, p1b_499.018 Mag, was da muß, mit uns geschehn; p1b_499.019 Und wenn wir hilfelos verderben, p1b_499.020 Wo Keiner unsre Schmerzen kennt, p1b_499.021 Wir lassen unsern spätsten Erben p1b_499.022 Ein treu besiegelt Testament; p1b_499.023 Denn kommen wird das frische Werde, p1b_499.024 Das auch bei uns die Nacht besiegt, p1b_499.025 Der Tag, wo diese deutsche Erde p1b_499.026 Jm Ring des großen Reiches liegt. &c. p1b_499.027 p1b_499.031 § 152. Strophisches Charakteristikum. p1b_499.032 p1b_499.036 p1b_499.037 p1b_499.038 p1b_499.039 p1b_499.040 p1b_499.041 p1b_499.042 p1b_499.001 Wenn der Himmel und die Erde und das Meer p1b_499.002 Mir so herrlich und so traulich und so hold, p1b_499.003 Strahlend im Schimmer des Abends, p1b_499.004 Lächeln, und Wonnegefühl p1b_499.005 Mich erfüllt u. s. w. p1b_499.006 Und schauen auch von Turm und Thore p1b_499.012 Der Feinde Wappen jetzt herab, p1b_499.013 Und rissen sie die Trikolore p1b_499.014 Mit wüster Faust von Kranz und Grab, p1b_499.015 Und müßten wir nach diesen Tagen p1b_499.016 Von Herd und Heimat bettelnd gehn, ─ p1b_499.017 Wir wollens nicht zu laut beklagen, p1b_499.018 Mag, was da muß, mit uns geschehn; p1b_499.019 Und wenn wir hilfelos verderben, p1b_499.020 Wo Keiner unsre Schmerzen kennt, p1b_499.021 Wir lassen unsern spätsten Erben p1b_499.022 Ein treu besiegelt Testament; p1b_499.023 Denn kommen wird das frische Werde, p1b_499.024 Das auch bei uns die Nacht besiegt, p1b_499.025 Der Tag, wo diese deutsche Erde p1b_499.026 Jm Ring des großen Reiches liegt. &c. p1b_499.027 p1b_499.031 § 152. 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Storms aus dem Gedichte <lb n="p1b_499.010"/> „Jm Herbst 1850“:</p> <lb n="p1b_499.011"/> <lg> <l>Und schauen auch von Turm und Thore</l> <lb n="p1b_499.012"/> <l>Der Feinde Wappen jetzt herab,</l> <lb n="p1b_499.013"/> <l>Und rissen sie die Trikolore</l> <lb n="p1b_499.014"/> <l>Mit wüster Faust von Kranz und Grab, </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_499.015"/> <l>Und müßten wir nach diesen Tagen</l> <lb n="p1b_499.016"/> <l>Von Herd und Heimat bettelnd gehn, ─</l> <lb n="p1b_499.017"/> <l>Wir wollens nicht zu laut beklagen,</l> <lb n="p1b_499.018"/> <l>Mag, was da muß, mit uns geschehn; </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_499.019"/> <l>Und wenn wir hilfelos verderben,</l> <lb n="p1b_499.020"/> <l>Wo Keiner unsre Schmerzen kennt,</l> <lb n="p1b_499.021"/> <l>Wir lassen unsern spätsten Erben</l> <lb n="p1b_499.022"/> <l>Ein treu besiegelt Testament; </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_499.023"/> <l>Denn kommen wird das frische Werde,</l> <lb n="p1b_499.024"/> <l>Das auch bei uns die Nacht besiegt,</l> <lb n="p1b_499.025"/> <l>Der Tag, wo diese deutsche Erde</l> <lb n="p1b_499.026"/> <l>Jm Ring des großen Reiches liegt. &c.</l> </lg> <p><lb n="p1b_499.027"/> Das dreimalige „Und“ stört uns im vorstehenden Gedicht ebensowenig, <lb n="p1b_499.028"/> als das „Denn“, weil inhaltlich der Ruhepunkt vorausging. Vielmehr wird <lb n="p1b_499.029"/> der Rhythmus gehoben, indem durch „<hi rendition="#g">und</hi>“ und „<hi rendition="#g">denn</hi>“ immer neu an <lb n="p1b_499.030"/> die Wendung, an den Beginn der neuen Strophe erinnert wird.</p> </div> <div n="3"> <lb n="p1b_499.031"/> <head> <hi rendition="#c">§ 152. Strophisches Charakteristikum.</hi> </head> <p><lb n="p1b_499.032"/> Um strophisch abgerundete Bildungen für Auge und Ohr zu erreichen, <lb n="p1b_499.033"/> wendet der Dichter irgend ein charakteristisches, eine Strophe <lb n="p1b_499.034"/> von der anderen trennendes Strophenmerkmal an. Solche charakteristische <lb n="p1b_499.035"/> Merkmale, welche die Strophen als Teilganze markieren, sind:</p> <p><lb n="p1b_499.036"/><hi rendition="#aq">I</hi>. Der Refrain,</p> <p><lb n="p1b_499.037"/><hi rendition="#aq">II</hi>. Die regelmäßige Wiederkehr längerer oder kürzerer Zeilen,</p> <p><lb n="p1b_499.038"/><hi rendition="#aq">III</hi>. Die Abwechselung verschiedener Reime,</p> <p><lb n="p1b_499.039"/><hi rendition="#aq">IV</hi>. Die Abwechselung im Tongrade,</p> <p><lb n="p1b_499.040"/><hi rendition="#aq">V</hi>. Die Abwechselung der reimenden Vokale,</p> <p><lb n="p1b_499.041"/><hi rendition="#aq">VI</hi>. Der Wechsel des Rhythmus,</p> <p><lb n="p1b_499.042"/><hi rendition="#aq">VII</hi>. Die Anwendung verschiedenartiger Kola.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [499/0533]
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Wenn der Himmel und die Erde und das Meer p1b_499.002
Mir so herrlich und so traulich und so hold, p1b_499.003
Strahlend im Schimmer des Abends, p1b_499.004
Lächeln, und Wonnegefühl p1b_499.005
Mich erfüllt u. s. w.
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Jn unserer Poesie ist nur noch die lockere Verbindung der Strophen p1b_499.007
durch ein Komma oder ein Semikolon gestattet, sofern der Sinn den Ruhepunkt p1b_499.008
erhält und die Strophe noch als ein selbständiges Teilganzes erscheinen p1b_499.009
kann. Man vgl. z. B. nachfolgende Strophen Th. Storms aus dem Gedichte p1b_499.010
„Jm Herbst 1850“:
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Und schauen auch von Turm und Thore p1b_499.012
Der Feinde Wappen jetzt herab, p1b_499.013
Und rissen sie die Trikolore p1b_499.014
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Ein treu besiegelt Testament;
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Das auch bei uns die Nacht besiegt, p1b_499.025
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Jm Ring des großen Reiches liegt. &c.
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Das dreimalige „Und“ stört uns im vorstehenden Gedicht ebensowenig, p1b_499.028
als das „Denn“, weil inhaltlich der Ruhepunkt vorausging. Vielmehr wird p1b_499.029
der Rhythmus gehoben, indem durch „und“ und „denn“ immer neu an p1b_499.030
die Wendung, an den Beginn der neuen Strophe erinnert wird.
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§ 152. Strophisches Charakteristikum. p1b_499.032
Um strophisch abgerundete Bildungen für Auge und Ohr zu erreichen, p1b_499.033
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von der anderen trennendes Strophenmerkmal an. Solche charakteristische p1b_499.035
Merkmale, welche die Strophen als Teilganze markieren, sind:
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I. Der Refrain,
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II. Die regelmäßige Wiederkehr längerer oder kürzerer Zeilen,
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III. Die Abwechselung verschiedener Reime,
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IV. Die Abwechselung im Tongrade,
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V. Die Abwechselung der reimenden Vokale,
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VI. Der Wechsel des Rhythmus,
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VII. Die Anwendung verschiedenartiger Kola.
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