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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Vorstellungspaare, deren erstem Gliede das zweite von selbst nachkommt); diese p1b_023.002
Verkettung der Vorstellungen führte nach ihm zur Bildung stehender Wortpaare, p1b_023.003
Sprüche und Redewendungen, und zwar zunächst unbewußt, später bewußt.

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Das unwillkürliche Wachsen jedem geläufiger Formeln der Erkenntnis p1b_023.005
lernte man mit Absicht nachahmen, um neue Kenntnisse ebenso geläufig auszudrücken p1b_023.006
und ihre Vererbung zu sichern. Man ordnete das von Geschlecht p1b_023.007
zu Geschlecht zu Überliefernde in eine Kette sich ursächlich rufender Glieder, in p1b_023.008
einen symmetrischen Parallelismus. Man verband die behaltenswerten Worte p1b_023.009
mit einem bestimmten Ton, mit einer festen Vortragsweise, mit Melodie und p1b_023.010
Rhythmus. Man sang sie. Aus der Länge der Satzteile, der Cäsur, aus p1b_023.011
dem Bedürfnisse des Taktes entwickelten sich die Wortgruppen zu dem, was p1b_023.012
wir Vers nennen. Das Ohr oder der Sinn des Sprachgedächtnisses empfand p1b_023.013
bald die einprägende Wirkung der Lautwiederholung, der Tonverwandtschaft p1b_023.014
und der Übereinstimmung des Klanges. Nach der Erfahrung an zufällig vorgefundenen p1b_023.015
Beispielen lernte man sie künstlich herbeiführen zum Einprägen p1b_023.016
wichtiger Vorschriften und Erlebnisse. Die Hebungen, die Ruhepunkte, die p1b_023.017
Hauptschlüsse der Melodie wurden auch im Texte lautlich ausgezeichnet. Zum p1b_023.018
Verse traten hinzu der gleiche Anlaut (z. B. Wind und Wetter), der Anklang p1b_023.019
(z. B. Haus und Baum), endlich der Gleichklang oder Reim. - -

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So wurde die poetische Form als Gedächtnismittel p1b_023.021
Vertreterin der noch fehlenden Schrift.

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Dadurch erklärt Jordan, daß in allen Litteraturen das ursprüngliche, p1b_023.023
erste Poesie, das spätere Prosa sei. Er nennt die Prosa das Kind der p1b_023.024
ausgebildeten Schreibekunst, die Poesie die ursprüngliche Ohrenschrift.

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Jener Gesamtschatz geistigen Eigentums, der durch die poetische Form p1b_023.026
im Gedächtnis der Völker befestigt war und durch einen eigens dafür organisierten p1b_023.027
Priester- und Sängerstand verwaltet wurde, ist das Epos im weitesten Sinne. p1b_023.028
Zu ihm gehören u. A. auch Gebete zur Götteranrufung, Gesetzesformeln, p1b_023.029
Ackerbauregeln, Arzneivorschriften u. s. w. Jn diesem Sinne würden also p1b_023.030
als Überreste des altdeutschen Epos zu betrachten sein auch der Bienensegen, p1b_023.031
der Hundesegen, die beiden Merseburger Zaubersprüche. p1b_023.032
Unter Epos im engeren Sinne versteht dann Jordan die an die Göttergeschichte p1b_023.033
anknüpfende Sagengeschichte des Volkes von den ersten Anfängen bis zum p1b_023.034
Beginn der historischen Zeit, sofern sie niedergelegt ist oder einst niedergelegt p1b_023.035
war in ursprünglich nicht aufgeschriebenen, sondern von Mund zu Mund überlieferten p1b_023.036
Liedern. Endlich aber nennt er Epos im eigentlichen und engsten p1b_023.037
Sinn eine Dichtung, in welcher ein bestimmter Poet einen Teil dieses Sagenschatzes p1b_023.038
zur Kunstform der poetischen Erzählung für den öffentlichen, freien p1b_023.039
Vortrag eingerichtet hat. Die Griechen teilten ihre Litteratur ein in epe p1b_023.040
und grammata, d. h. in Werke, die ursprünglich nur als gesprochene Worte p1b_023.041
vorhanden waren, und solche, die sogleich niedergeschrieben wurden: also in p1b_023.042
Sagen und Schriften. Somit ist unser Wort Sage eine deckend p1b_023.043
genaue Wiedergabe des griechischen Epos und Frithiof-Sage, Sigfried-Sage p1b_023.044
bedeutet: Das Epos von Frithiof, von Sigfried. Die älteste der poetischen

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Vorstellungspaare, deren erstem Gliede das zweite von selbst nachkommt); diese p1b_023.002
Verkettung der Vorstellungen führte nach ihm zur Bildung stehender Wortpaare, p1b_023.003
Sprüche und Redewendungen, und zwar zunächst unbewußt, später bewußt.

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Das unwillkürliche Wachsen jedem geläufiger Formeln der Erkenntnis p1b_023.005
lernte man mit Absicht nachahmen, um neue Kenntnisse ebenso geläufig auszudrücken p1b_023.006
und ihre Vererbung zu sichern. Man ordnete das von Geschlecht p1b_023.007
zu Geschlecht zu Überliefernde in eine Kette sich ursächlich rufender Glieder, in p1b_023.008
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mit einem bestimmten Ton, mit einer festen Vortragsweise, mit Melodie und p1b_023.010
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So wurde die poetische Form als Gedächtnismittel p1b_023.021
Vertreterin der noch fehlenden Schrift.

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Dadurch erklärt Jordan, daß in allen Litteraturen das ursprüngliche, p1b_023.023
erste Poesie, das spätere Prosa sei. Er nennt die Prosa das Kind der p1b_023.024
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Jener Gesamtschatz geistigen Eigentums, der durch die poetische Form p1b_023.026
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/57>, abgerufen am 24.11.2024.