Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_546.001 p1b_546.012 p1b_546.016 Der Garten des Herzens. p1b_546.018Vers 1.Jn meines Herzens Mitte blüht ein Gärtchen, p1b_546.019 Verschlossen ist es durch ein enges Pförtchen, p1b_546.020 Zu dem den Schlüssel führt mein liebes Mädchen. p1b_546.021 Es ist April. Komm, wolle dich nicht schämen p1b_546.022 Und pflücke dir heraus die liebsten Blumen! p1b_546.023 Sie drängen sich entgegen deinen Händen. p1b_546.024 Je mehr du pflückst, je mehr sie wieder sprossen; p1b_546.025 Doch willst du unberührt sie blühen lassen, p1b_546.026 So werden sie vor ihrer Zeit vertrocknen. p1b_546.027 Vers 2.Mir träumt', ich starb, und deine Thränen flossen, p1b_546.030 p1b_546.032Da richtet' ich mich auf und lebte wieder, p1b_546.031 Der welken Blume gleich, die Tau begossen.(Rückert.) Vers 3.Krone der Nelke! p1b_546.033 p1b_546.035Zum Schattendach dient dir mein Liebeskummer, p1b_546.034 Daß deine Pracht nicht an der Sonne welke.(Rückert.) Vers 4.Dunkle Cypressen, p1b_546.036 p1b_546.038Die Welt ist gar zu lustig p1b_546.037 Es wird doch alles vergessen.(Theodor Storm.) Vers 5.Einfache Raute! p1b_546.039 p1b_546.041Wenn bunte Blumen hell das Leben zieren, p1b_546.040 Folgst du in's Grab als einzige Vertraute.(Adolf Glaser.) Vers 6.Wilde Reben! p1b_546.042 Der Frühling will aus euern dunklen Zweigen p1b_546.043 Ein grünes Zelt verborg'ner Liebe weben. (W. Schindel.) p1b_546.001 p1b_546.012 p1b_546.016 Der Garten des Herzens. p1b_546.018Vers 1.Jn meines Herzens Mitte blüht ein Gärtchen, p1b_546.019 Verschlossen ist es durch ein enges Pförtchen, p1b_546.020 Zu dem den Schlüssel führt mein liebes Mädchen. p1b_546.021 Es ist April. Komm, wolle dich nicht schämen p1b_546.022 Und pflücke dir heraus die liebsten Blumen! p1b_546.023 Sie drängen sich entgegen deinen Händen. p1b_546.024 Je mehr du pflückst, je mehr sie wieder sprossen; p1b_546.025 Doch willst du unberührt sie blühen lassen, p1b_546.026 So werden sie vor ihrer Zeit vertrocknen. p1b_546.027 Vers 2.Mir träumt', ich starb, und deine Thränen flossen, p1b_546.030 p1b_546.032Da richtet' ich mich auf und lebte wieder, p1b_546.031 Der welken Blume gleich, die Tau begossen.(Rückert.) Vers 3.Krone der Nelke! p1b_546.033 p1b_546.035Zum Schattendach dient dir mein Liebeskummer, p1b_546.034 Daß deine Pracht nicht an der Sonne welke.(Rückert.) Vers 4.Dunkle Cypressen, p1b_546.036 p1b_546.038Die Welt ist gar zu lustig p1b_546.037 Es wird doch alles vergessen.(Theodor Storm.) Vers 5.Einfache Raute! p1b_546.039 p1b_546.041Wenn bunte Blumen hell das Leben zieren, p1b_546.040 Folgst du in's Grab als einzige Vertraute.(Adolf Glaser.) Vers 6.Wilde Reben! p1b_546.042 Der Frühling will aus euern dunklen Zweigen p1b_546.043 Ein grünes Zelt verborg'ner Liebe weben. (W. Schindel.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0580" n="546"/> <p><lb n="p1b_546.001"/> Die <hi rendition="#g">ersten</hi> deutschen Ritornelle schrieb <hi rendition="#g">Rückert</hi> in der <hi rendition="#g">Urania</hi> 1822, <lb n="p1b_546.002"/> worauf W. <hi rendition="#g">Müller</hi> die seinigen ebenfalls in der Urania folgen ließ. Er gab <lb n="p1b_546.003"/> ihnen die Überschrift: Ständchen in Ritornellen. Vers 1 und 3 assoniert bei <lb n="p1b_546.004"/> ihm, und 1 und 2 allitteriert; auch sind bei ihm je drei Ritornelle miteinander <lb n="p1b_546.005"/> vereinigt, wodurch ─ wie Müller meint ─ lyrischer Ton erreicht wird. Der <lb n="p1b_546.006"/> italienischen Form ist es entsprechend, daß die erste kürzere Zeile meist einen <lb n="p1b_546.007"/> Pflanzennamen als Anruf bringt. Die <hi rendition="#g">Rückertsche</hi> Form ist strenger gehalten <lb n="p1b_546.008"/> als die italienische, welche statt des Reims meist nur Assonanzen und Ausklänge <lb n="p1b_546.009"/> hat (vgl. § 126. 1. 6, S. 394). Rückert schrieb 332 Ritornelle. Jn seinen <lb n="p1b_546.010"/> Kindertotenliedern (Frankfurt 1872) S. 220─236 allein finden sich nicht <lb n="p1b_546.011"/> weniger als 140 Ritornelle.</p> <p><lb n="p1b_546.012"/> Zu erwähnen sind die Ritornelle in <hi rendition="#g">Paul Heyses</hi> italienischen Liedern, <lb n="p1b_546.013"/> die zuweilen wie die altbayerischen Schnadahüpfl gebraucht werden, ferner die <lb n="p1b_546.014"/> Ritornelle Ad. Glasers, Theodor Storms und Walpurga Schindels (vgl. für <lb n="p1b_546.015"/> letztere Österr. Wochenschr. f. Wiss. u. K. 1872, sowie Amthors Alpenfreund 1873).</p> <p> <lb n="p1b_546.016"/> <hi rendition="#g">Beispiel der assonierenden Ritornelle Wilh. Müllers.</hi> </p> <lb n="p1b_546.017"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Der Garten des Herzens.</hi> </hi> </p> <lb n="p1b_546.018"/> <lg> <l n="1.">Jn meines Herzens Mitte blüht ein Gärtchen,</l> <lb n="p1b_546.019"/> <l>Verschlossen ist es durch ein enges Pförtchen,</l> <lb n="p1b_546.020"/> <l>Zu dem den Schlüssel führt mein liebes Mädchen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_546.021"/> <l>Es ist April. 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Schindel.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [546/0580]
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Die ersten deutschen Ritornelle schrieb Rückert in der Urania 1822, p1b_546.002
worauf W. Müller die seinigen ebenfalls in der Urania folgen ließ. Er gab p1b_546.003
ihnen die Überschrift: Ständchen in Ritornellen. Vers 1 und 3 assoniert bei p1b_546.004
ihm, und 1 und 2 allitteriert; auch sind bei ihm je drei Ritornelle miteinander p1b_546.005
vereinigt, wodurch ─ wie Müller meint ─ lyrischer Ton erreicht wird. Der p1b_546.006
italienischen Form ist es entsprechend, daß die erste kürzere Zeile meist einen p1b_546.007
Pflanzennamen als Anruf bringt. Die Rückertsche Form ist strenger gehalten p1b_546.008
als die italienische, welche statt des Reims meist nur Assonanzen und Ausklänge p1b_546.009
hat (vgl. § 126. 1. 6, S. 394). Rückert schrieb 332 Ritornelle. Jn seinen p1b_546.010
Kindertotenliedern (Frankfurt 1872) S. 220─236 allein finden sich nicht p1b_546.011
weniger als 140 Ritornelle.
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Zu erwähnen sind die Ritornelle in Paul Heyses italienischen Liedern, p1b_546.013
die zuweilen wie die altbayerischen Schnadahüpfl gebraucht werden, ferner die p1b_546.014
Ritornelle Ad. Glasers, Theodor Storms und Walpurga Schindels (vgl. für p1b_546.015
letztere Österr. Wochenschr. f. Wiss. u. K. 1872, sowie Amthors Alpenfreund 1873).
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Beispiel der assonierenden Ritornelle Wilh. Müllers.
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Der Garten des Herzens.
p1b_546.018
Jn meines Herzens Mitte blüht ein Gärtchen, p1b_546.019
Verschlossen ist es durch ein enges Pförtchen, p1b_546.020
Zu dem den Schlüssel führt mein liebes Mädchen.
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Es ist April. Komm, wolle dich nicht schämen p1b_546.022
Und pflücke dir heraus die liebsten Blumen! p1b_546.023
Sie drängen sich entgegen deinen Händen.
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Je mehr du pflückst, je mehr sie wieder sprossen; p1b_546.025
Doch willst du unberührt sie blühen lassen, p1b_546.026
So werden sie vor ihrer Zeit vertrocknen.
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Pförtchen, Blumen, lassen.)
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Mir träumt', ich starb, und deine Thränen flossen, p1b_546.030
Da richtet' ich mich auf und lebte wieder, p1b_546.031
Der welken Blume gleich, die Tau begossen.(Rückert.)
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Krone der Nelke! p1b_546.033
Zum Schattendach dient dir mein Liebeskummer, p1b_546.034
Daß deine Pracht nicht an der Sonne welke.(Rückert.)
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Dunkle Cypressen, p1b_546.036
Die Welt ist gar zu lustig p1b_546.037
Es wird doch alles vergessen.(Theodor Storm.)
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Einfache Raute! p1b_546.039
Wenn bunte Blumen hell das Leben zieren, p1b_546.040
Folgst du in's Grab als einzige Vertraute.(Adolf Glaser.)
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Wilde Reben! p1b_546.042
Der Frühling will aus euern dunklen Zweigen p1b_546.043
Ein grünes Zelt verborg'ner Liebe weben.
(W. Schindel.)
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