Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_556.001 a b a b b c b c c, also dreifacher Reim. p1b_556.003 p1b_556.007 Nicht in den jüngst von mir durchstreiften Zonen, p1b_556.009 Wo Schönheit unvergleichbar uns beglückt, p1b_556.010 Auch nicht in jenen strahlenden Visionen, p1b_556.011 Wo seufzend uns sich jede Form entrückt, p1b_556.012 Hat etwas je mich so wie du entzückt: p1b_556.013 Seit ich dich sah, muß ich vergebens wagen, p1b_556.014 Den Reiz zu malen, der dich wechselnd schmückt; p1b_556.015 Wer dich nicht sieht, der wird mein Wort verklagen, p1b_556.016 Wer dich erblickt, wird nicht die Sprache dem versagen. p1b_556.017 Nicht in den Landen, drein ich jüngst verkehrt, p1b_556.022 Trotz all der Schönheit, die mich dort berückt, p1b_556.023 Nicht in Gebilden, die mein Herz belehrt, p1b_556.024 Daß Form lebt, die sonst nur im Traum entzückt, p1b_556.025 Hat was, wie du, so innig mich beglückt. p1b_556.026 Dich sah ich, und nun scheint mir auch mein Lied p1b_556.027 Zur Schildrung jener Reize ungeschickt - p1b_556.028 Was nützen Worte dem, der dich nicht sieht? p1b_556.029 Doch wer dich sah, gesteht, daß ihm die Sprache flieht. p1b_556.030 Ein neues Lied sing' ich aus alter Zeit p1b_556.032 p1b_556.040Und fernem Lande. Einem Volk, entschwunden p1b_556.033 Aus der Erinnrung, ist dies Lied geweiht, p1b_556.034 Ein später Nachklang halbverschollner Kunden p1b_556.035 Von Menschen, die in Liebe sich gefunden, p1b_556.036 Wo rings die Welt ein Bild der Zwietracht bot, p1b_556.037 Und wie die Liebe Alles überwunden, p1b_556.038 Womit das Schicksal feindlich sie bedroht: p1b_556.039 Trennung, Verfolgung, Haß, Tyrannenmacht und Tod. (Prolog zu Andreas und Marfa.) p1b_556.041 § 170. Die Siciliane. p1b_556.042 p1b_556.001 a b a b b c b c c, also dreifacher Reim. p1b_556.003 p1b_556.007 Nicht in den jüngst von mir durchstreiften Zonen, p1b_556.009 Wo Schönheit unvergleichbar uns beglückt, p1b_556.010 Auch nicht in jenen strahlenden Visionen, p1b_556.011 Wo seufzend uns sich jede Form entrückt, p1b_556.012 Hat etwas je mich so wie du entzückt: p1b_556.013 Seit ich dich sah, muß ich vergebens wagen, p1b_556.014 Den Reiz zu malen, der dich wechselnd schmückt; p1b_556.015 Wer dich nicht sieht, der wird mein Wort verklagen, p1b_556.016 Wer dich erblickt, wird nicht die Sprache dem versagen. p1b_556.017 Nicht in den Landen, drein ich jüngst verkehrt, p1b_556.022 Trotz all der Schönheit, die mich dort berückt, p1b_556.023 Nicht in Gebilden, die mein Herz belehrt, p1b_556.024 Daß Form lebt, die sonst nur im Traum entzückt, p1b_556.025 Hat was, wie du, so innig mich beglückt. p1b_556.026 Dich sah ich, und nun scheint mir auch mein Lied p1b_556.027 Zur Schildrung jener Reize ungeschickt ─ p1b_556.028 Was nützen Worte dem, der dich nicht sieht? p1b_556.029 Doch wer dich sah, gesteht, daß ihm die Sprache flieht. p1b_556.030 Ein neues Lied sing' ich aus alter Zeit p1b_556.032 p1b_556.040Und fernem Lande. Einem Volk, entschwunden p1b_556.033 Aus der Erinnrung, ist dies Lied geweiht, p1b_556.034 Ein später Nachklang halbverschollner Kunden p1b_556.035 Von Menschen, die in Liebe sich gefunden, p1b_556.036 Wo rings die Welt ein Bild der Zwietracht bot, p1b_556.037 Und wie die Liebe Alles überwunden, p1b_556.038 Womit das Schicksal feindlich sie bedroht: p1b_556.039 Trennung, Verfolgung, Haß, Tyrannenmacht und Tod. (Prolog zu Andreas und Marfa.) p1b_556.041 § 170. Die Siciliane. p1b_556.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0590" n="556"/> <p><lb n="p1b_556.001"/> Das Reimschema der Spenserstanze ist folgendes:</p> <lb n="p1b_556.002"/> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">a b a b b c b c c</hi>, also dreifacher Reim.</hi> </p> <p><lb n="p1b_556.003"/> Die Reime im Original Byrons sind männlich wie die in der <hi rendition="#g">Büchner=</hi> <lb n="p1b_556.004"/> schen Übersetzung. A. <hi rendition="#g">Böttger</hi> hat in seiner Übersetzung abwechselnd männliche <lb n="p1b_556.005"/> und weibliche Reime gebraucht. Ebenso die Stuttgarter Byron-Ausgabe <lb n="p1b_556.006"/> in 10 Bänden vom Jahre 1845.</p> <p> <lb n="p1b_556.007"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_556.008"/> <lg> <l> Nicht in den jüngst von mir durchstreiften Zonen,</l> <lb n="p1b_556.009"/> <l> Wo Schönheit unvergleichbar uns beglückt,</l> <lb n="p1b_556.010"/> <l> Auch nicht in jenen strahlenden Visionen,</l> <lb n="p1b_556.011"/> <l> Wo seufzend uns sich jede Form entrückt,</l> <lb n="p1b_556.012"/> <l> Hat etwas je mich so wie du entzückt:</l> <lb n="p1b_556.013"/> <l> Seit ich dich sah, muß ich vergebens wagen,</l> <lb n="p1b_556.014"/> <l> Den Reiz zu malen, der dich wechselnd schmückt;</l> <lb n="p1b_556.015"/> <l> Wer dich nicht sieht, der wird mein Wort verklagen,</l> <lb n="p1b_556.016"/> <l>Wer dich erblickt, wird nicht die Sprache dem versagen.</l> </lg> <p><lb n="p1b_556.017"/> Der vorstehenden 1. Strophe aus der Übersetzung von Ad. <hi rendition="#g">Böttger</hi> <lb n="p1b_556.018"/> lassen wir der Vergleichung halber die gleiche Strophe aus der Übersetzung <lb n="p1b_556.019"/> <hi rendition="#g">Alexander Büchners</hi> folgen, der im Gegensatz zu Böttger, wie erwähnt, <lb n="p1b_556.020"/> durchweg die männlichen Endreime des Originals beibehalten hat:</p> <lb n="p1b_556.021"/> <lg> <l> Nicht in den Landen, drein ich jüngst verkehrt,</l> <lb n="p1b_556.022"/> <l> Trotz all der Schönheit, die mich dort berückt,</l> <lb n="p1b_556.023"/> <l> Nicht in Gebilden, die mein Herz belehrt,</l> <lb n="p1b_556.024"/> <l> Daß Form lebt, die sonst nur im Traum entzückt,</l> <lb n="p1b_556.025"/> <l> Hat was, wie du, so innig mich beglückt.</l> <lb n="p1b_556.026"/> <l> Dich sah ich, und nun scheint mir auch mein Lied</l> <lb n="p1b_556.027"/> <l> Zur Schildrung jener Reize ungeschickt ─</l> <lb n="p1b_556.028"/> <l> Was nützen Worte dem, der dich nicht sieht?</l> <lb n="p1b_556.029"/> <l>Doch wer dich sah, gesteht, daß ihm die Sprache flieht.</l> </lg> <p> <lb n="p1b_556.030"/> <hi rendition="#g">Beispiel der Bodenstedtschen Spenserstanzen.</hi> </p> <lb n="p1b_556.031"/> <lg> <l> Ein neues Lied sing' ich aus alter Zeit</l> <lb n="p1b_556.032"/> <l> Und fernem Lande. 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Jahrhundert gepflegte jambische Strophenform, eine Stanze oder <lb n="p1b_556.044"/> Oktave, die nicht mit dem Reimpaare abschließt, sondern den <hi rendition="#aq">a b</hi>=Reim <lb n="p1b_556.045"/> bis zum Schluß fortsetzt. Reimschema: <hi rendition="#aq">a b a b a b a b</hi>.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [556/0590]
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Das Reimschema der Spenserstanze ist folgendes:
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a b a b b c b c c, also dreifacher Reim.
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Die Reime im Original Byrons sind männlich wie die in der Büchner= p1b_556.004
schen Übersetzung. A. Böttger hat in seiner Übersetzung abwechselnd männliche p1b_556.005
und weibliche Reime gebraucht. Ebenso die Stuttgarter Byron-Ausgabe p1b_556.006
in 10 Bänden vom Jahre 1845.
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Beispiele:
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Nicht in den jüngst von mir durchstreiften Zonen, p1b_556.009
Wo Schönheit unvergleichbar uns beglückt, p1b_556.010
Auch nicht in jenen strahlenden Visionen, p1b_556.011
Wo seufzend uns sich jede Form entrückt, p1b_556.012
Hat etwas je mich so wie du entzückt: p1b_556.013
Seit ich dich sah, muß ich vergebens wagen, p1b_556.014
Den Reiz zu malen, der dich wechselnd schmückt; p1b_556.015
Wer dich nicht sieht, der wird mein Wort verklagen, p1b_556.016
Wer dich erblickt, wird nicht die Sprache dem versagen.
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Der vorstehenden 1. Strophe aus der Übersetzung von Ad. Böttger p1b_556.018
lassen wir der Vergleichung halber die gleiche Strophe aus der Übersetzung p1b_556.019
Alexander Büchners folgen, der im Gegensatz zu Böttger, wie erwähnt, p1b_556.020
durchweg die männlichen Endreime des Originals beibehalten hat:
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Nicht in den Landen, drein ich jüngst verkehrt, p1b_556.022
Trotz all der Schönheit, die mich dort berückt, p1b_556.023
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Doch wer dich sah, gesteht, daß ihm die Sprache flieht.
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Beispiel der Bodenstedtschen Spenserstanzen.
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Ein neues Lied sing' ich aus alter Zeit p1b_556.032
Und fernem Lande. Einem Volk, entschwunden p1b_556.033
Aus der Erinnrung, ist dies Lied geweiht, p1b_556.034
Ein später Nachklang halbverschollner Kunden p1b_556.035
Von Menschen, die in Liebe sich gefunden, p1b_556.036
Wo rings die Welt ein Bild der Zwietracht bot, p1b_556.037
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Womit das Schicksal feindlich sie bedroht: p1b_556.039
Trennung, Verfolgung, Haß, Tyrannenmacht und Tod.
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(Prolog zu Andreas und Marfa.)
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§ 170. Die Siciliane. p1b_556.042
Die Siciliane ist eine aus Sicilien stammende, dort schon im p1b_556.043
13. Jahrhundert gepflegte jambische Strophenform, eine Stanze oder p1b_556.044
Oktave, die nicht mit dem Reimpaare abschließt, sondern den a b=Reim p1b_556.045
bis zum Schluß fortsetzt. Reimschema: a b a b a b a b.
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