Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_573.001 p1b_573.004 Uhland: Die vom Schwur sich losgezählet, p1b_573.007 Jn der reichsten Schönheit Schmuck p1b_573.008 Jst sie doch ein Höllenspuk, p1b_573.009 Dessen Anblick schreckt und quälet. p1b_573.010 Reines Weib, das nie gefehlet, p1b_573.011 Lächelt noch im Leichentuch, p1b_573.012 Denn sie schied mit dem Versuch, p1b_573.013 Sel'gen Liebestrost zu sagen: p1b_573.014 Drum ist minder Tod zu klagen, p1b_573.015 Als gebrochner Treuverspruch. p1b_573.016 Wenn Verrat, was Gott verhüte, p1b_573.017 Einen edeln Sänger trifft, p1b_573.018 Wandelt sich sein Lied in Gift, p1b_573.019 Stirbt ihm aller Dichtung Blüte. p1b_573.020 Wenn die Braut von reiner Güte, p1b_573.021 Hingerafft durch frühen Tod, p1b_573.022 Jhm entschwebt in's Morgenrot: p1b_573.023 All sein Blick ist dann nach oben, p1b_573.024 Und in heilgem Sang - enthoben p1b_573.025 Fühlt er sich der ird'schen Not. p1b_573.026 Jene, die der Tod entnommen, p1b_573.027 Diese, die im Unbestand p1b_573.028 Weltlichen Gewühls verschwand, p1b_573.029 Keine wird dir wiederkommen. p1b_573.030 Wann der große Tag erglommen, p1b_573.031 Wo von Gottes Richterspruch p1b_573.032 Heil ergeht und ewger Fluch, p1b_573.033 Dann ist jene neugeboren, p1b_573.034 Diese bleibt auch dann verloren: p1b_573.035 Mehr als Tod ist Treuebruch. p1b_573.036 p1b_573.046Der du Kampf mir angesonnen, p1b_573.037 Wie du sonst mich überfliegst, p1b_573.038 Hoff' nicht, daß du heute siegst! p1b_573.039 Wahrheit hat voraus gewonnen. p1b_573.040 Ob dem Sang, den du begonnen, p1b_573.041 Wird dir selbst die Wange rot, p1b_573.042 Und dein Herz, vor banger Not p1b_573.043 Jn mein Lied herüber flüchtend, p1b_573.044 Ruft, des Truges dich bezüchtend: p1b_573.045 Falschheit kränket mehr denn Tod. Rückert: Gegner, doppelt überlegen, p1b_573.047
Ausgerüstet mit zwiefalter p1b_573.048 Waff' als Dichter und Sachwalter; p1b_573.049 Wenn ich Dir mich stell' entgegen, p1b_573.050 Nenn' ich's um so mehr verwegen, p1b_573.001 p1b_573.004 Uhland: Die vom Schwur sich losgezählet, p1b_573.007 Jn der reichsten Schönheit Schmuck p1b_573.008 Jst sie doch ein Höllenspuk, p1b_573.009 Dessen Anblick schreckt und quälet. p1b_573.010 Reines Weib, das nie gefehlet, p1b_573.011 Lächelt noch im Leichentuch, p1b_573.012 Denn sie schied mit dem Versuch, p1b_573.013 Sel'gen Liebestrost zu sagen: p1b_573.014 Drum ist minder Tod zu klagen, p1b_573.015 Als gebrochner Treuverspruch. p1b_573.016 Wenn Verrat, was Gott verhüte, p1b_573.017 Einen edeln Sänger trifft, p1b_573.018 Wandelt sich sein Lied in Gift, p1b_573.019 Stirbt ihm aller Dichtung Blüte. p1b_573.020 Wenn die Braut von reiner Güte, p1b_573.021 Hingerafft durch frühen Tod, p1b_573.022 Jhm entschwebt in's Morgenrot: p1b_573.023 All sein Blick ist dann nach oben, p1b_573.024 Und in heilgem Sang ─ enthoben p1b_573.025 Fühlt er sich der ird'schen Not. p1b_573.026 Jene, die der Tod entnommen, p1b_573.027 Diese, die im Unbestand p1b_573.028 Weltlichen Gewühls verschwand, p1b_573.029 Keine wird dir wiederkommen. p1b_573.030 Wann der große Tag erglommen, p1b_573.031 Wo von Gottes Richterspruch p1b_573.032 Heil ergeht und ewger Fluch, p1b_573.033 Dann ist jene neugeboren, p1b_573.034 Diese bleibt auch dann verloren: p1b_573.035 Mehr als Tod ist Treuebruch. p1b_573.036 p1b_573.046Der du Kampf mir angesonnen, p1b_573.037 Wie du sonst mich überfliegst, p1b_573.038 Hoff' nicht, daß du heute siegst! p1b_573.039 Wahrheit hat voraus gewonnen. p1b_573.040 Ob dem Sang, den du begonnen, p1b_573.041 Wird dir selbst die Wange rot, p1b_573.042 Und dein Herz, vor banger Not p1b_573.043 Jn mein Lied herüber flüchtend, p1b_573.044 Ruft, des Truges dich bezüchtend: p1b_573.045 Falschheit kränket mehr denn Tod. Rückert: Gegner, doppelt überlegen, p1b_573.047
Ausgerüstet mit zwiefalter p1b_573.048 Waff' als Dichter und Sachwalter; p1b_573.049 Wenn ich Dir mich stell' entgegen, p1b_573.050 Nenn' ich's um so mehr verwegen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0607" n="573"/><lb n="p1b_573.001"/> an den Schluß der einzelnen Lösungsdecimen zu stellen. Beide sollten der <lb n="p1b_573.002"/> Anforderung an die Tenzone genügen und also auch die syntaktische Pause <lb n="p1b_573.003"/> nach der 4. Zeile legen.</p> <p><lb n="p1b_573.004"/> Es entstand folgende Tenzone, die wir als <hi rendition="#g">Beispiel der Tenzonen= <lb n="p1b_573.005"/> Form</hi> geben:</p> <lb n="p1b_573.006"/> <p rendition="#left"> <hi rendition="#g">Uhland:</hi> </p> <lg> <l>Die vom Schwur sich losgezählet,</l> <lb n="p1b_573.007"/> <l>Jn der reichsten Schönheit Schmuck</l> <lb n="p1b_573.008"/> <l>Jst sie doch ein Höllenspuk,</l> <lb n="p1b_573.009"/> <l>Dessen Anblick schreckt und quälet.</l> <lb n="p1b_573.010"/> <l>Reines Weib, das nie gefehlet,</l> <lb n="p1b_573.011"/> <l>Lächelt noch im Leichentuch,</l> <lb n="p1b_573.012"/> <l>Denn sie schied mit dem Versuch,</l> <lb n="p1b_573.013"/> <l>Sel'gen Liebestrost zu sagen:</l> <lb n="p1b_573.014"/> <l>Drum ist minder Tod zu klagen,</l> <lb n="p1b_573.015"/> <l>Als gebrochner Treuver<hi rendition="#g">spruch.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_573.016"/> <l>Wenn Verrat, was Gott verhüte,</l> <lb n="p1b_573.017"/> <l>Einen edeln Sänger trifft,</l> <lb n="p1b_573.018"/> <l>Wandelt sich sein Lied in Gift,</l> <lb n="p1b_573.019"/> <l>Stirbt ihm aller Dichtung Blüte.</l> <lb n="p1b_573.020"/> <l>Wenn die Braut von reiner Güte,</l> <lb n="p1b_573.021"/> <l>Hingerafft durch frühen Tod,</l> <lb n="p1b_573.022"/> <l>Jhm entschwebt in's Morgenrot:</l> <lb n="p1b_573.023"/> <l>All sein Blick ist dann nach oben,</l> <lb n="p1b_573.024"/> <l>Und in heilgem Sang ─ enthoben</l> <lb n="p1b_573.025"/> <l>Fühlt er sich der ird'schen <hi rendition="#g">Not.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_573.026"/> <l>Jene, die der Tod entnommen,</l> <lb n="p1b_573.027"/> <l>Diese, die im Unbestand</l> <lb n="p1b_573.028"/> <l>Weltlichen Gewühls verschwand,</l> <lb n="p1b_573.029"/> <l>Keine wird dir wiederkommen.</l> <lb n="p1b_573.030"/> <l>Wann der große Tag erglommen,</l> <lb n="p1b_573.031"/> <l>Wo von Gottes Richterspruch</l> <lb n="p1b_573.032"/> <l>Heil ergeht und ewger Fluch,</l> <lb n="p1b_573.033"/> <l>Dann ist jene neugeboren,</l> <lb n="p1b_573.034"/> <l>Diese bleibt auch dann verloren:</l> <lb n="p1b_573.035"/> <l>Mehr als Tod ist Treue<hi rendition="#g">bruch.</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_573.036"/> <l>Der du Kampf mir angesonnen,</l> <lb n="p1b_573.037"/> <l>Wie du sonst mich überfliegst,</l> <lb n="p1b_573.038"/> <l>Hoff' nicht, daß du heute siegst!</l> <lb n="p1b_573.039"/> <l>Wahrheit hat voraus gewonnen.</l> <lb n="p1b_573.040"/> <l>Ob dem Sang, den du begonnen,</l> <lb n="p1b_573.041"/> <l>Wird dir selbst die Wange rot,</l> <lb n="p1b_573.042"/> <l>Und dein Herz, vor banger Not</l> <lb n="p1b_573.043"/> <l>Jn mein Lied herüber flüchtend,</l> <lb n="p1b_573.044"/> <l>Ruft, des Truges dich bezüchtend:</l> <lb n="p1b_573.045"/> <l>Falschheit kränket mehr denn <hi rendition="#g">Tod.</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_573.046"/> <p rendition="#left"> <hi rendition="#g">Rückert:</hi> </p> <lg> <l>Gegner, doppelt überlegen,</l> <lb n="p1b_573.047"/> <l>Ausgerüstet mit zwiefalter</l> <lb n="p1b_573.048"/> <l>Waff' als Dichter und Sachwalter;</l> <lb n="p1b_573.049"/> <l>Wenn ich Dir mich stell' entgegen,</l> <lb n="p1b_573.050"/> <l>Nenn' ich's um so mehr verwegen,</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [573/0607]
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an den Schluß der einzelnen Lösungsdecimen zu stellen. Beide sollten der p1b_573.002
Anforderung an die Tenzone genügen und also auch die syntaktische Pause p1b_573.003
nach der 4. Zeile legen.
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Es entstand folgende Tenzone, die wir als Beispiel der Tenzonen= p1b_573.005
Form geben:
p1b_573.006
Uhland:
Die vom Schwur sich losgezählet, p1b_573.007
Jn der reichsten Schönheit Schmuck p1b_573.008
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Dessen Anblick schreckt und quälet. p1b_573.010
Reines Weib, das nie gefehlet, p1b_573.011
Lächelt noch im Leichentuch, p1b_573.012
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Drum ist minder Tod zu klagen, p1b_573.015
Als gebrochner Treuverspruch.
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Wenn Verrat, was Gott verhüte, p1b_573.017
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Fühlt er sich der ird'schen Not.
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