p1b_614.001 Der Minnesinger Kanzler liebte es, je zwei gebrochen geschriebene Hildebrandstrophen p1b_614.002 zu einer Strophe zu vereinigen, z. B.:
p1b_614.003
Verschamten schanden türstenp1b_614.004 verschamt ist iuwer muot,p1b_614.005 ir stritet unde vehtetp1b_614.006 niht wan in iuwern sak.p1b_614.007 Wie pfleget ir der vürsten,p1b_614.008 war kumt der herren guot?p1b_614.009 unschuldik wilt ir ehtet,p1b_614.010 gitig ist iuwer hak.p1b_614.011 Buoze unde bezzerungep1b_614.012 vil maniger vor iu tuot;p1b_614.013 swer helwen gar uz swunge,p1b_614.014 der same wurde guot;p1b_614.015 doch wäre hufe kleine,p1b_614.016 der helwen ist ze vil:p1b_614.017 uz ruhem swarzem beinep1b_614.018 wart nie guot würfelspil.
p1b_614.019
(v. d. Hagens Minnesinger II, 388.)
p1b_614.020 l. Bernerton.
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So herter tag erluhte in nie:p1b_614.022 s'waz sie da vor gestriten ie,p1b_614.023 des wart do gar vergessen.p1b_614.024 Ir maht was in entwichen gar,p1b_614.025 sie leitens mit den swerten dar:p1b_614.026 uf Ecken wart gemessenp1b_614.027 Ein also ungefüger slag,p1b_614.028 daz er kam von den sinnenp1b_614.029 und vor im auf der erden lag.p1b_614.030 Doch moht ern niht gewinnen,p1b_614.031 unz er ein neue maht gewan;p1b_614.032 do sprang Eck von der Erdep1b_614.033 und lief in wider an.
(Aus dem Eckenlied.)
p1b_614.034 § 194. Das Gesetz der Dreiteiligkeit im mittelhochdeutschen p1b_614.035 Strophenbau als Vorrecht deutscher Gründlichkeit.
p1b_614.036 Wie schon die Beispiele b-l im § 193 S. 610 ff. ersehen lassen, p1b_614.037 waren die Strophen der Minnesinger dreiteilig. Die beiden ersten, im p1b_614.038 Bau sich entsprechenden Teile nannten die Meistersänger die Stollenp1b_614.039 (von stollo == Stütze, Gestell, Gerüst, Gezimmer); diese beiden Teile p1b_614.040 bildeten den Aufgesang. Der letzte alleinstehende, ungleiche Teil, der p1b_614.041 oft mehr Zeilen hatte als die beiden Aufgesangsstollen zusammengenommen, p1b_614.042 hieß Abgesang. (Das Bild des Gezimmers oder Gerüsts p1b_614.043 gebraucht zuerst Wolfr. von Eschenbach, indem er im Wartburgkrieg p1b_614.044 von der meisterlichen Decke des fremden Zimmers spricht. Vgl. Hagens p1b_614.045 Minnes. II. S. 10. Strophe 35 und 36.)
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(v. d. Hagens Minnesinger II, 388.)
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(v. d. Hagens Minnesinger II, 388.)
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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