Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_659.001 p1b_659.010 Jch blick' in mein Herz und ich blick' in die Welt, p1b_659.012 Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt; p1b_659.013 Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht, p1b_659.014 Doch hält mich der Nord - ich erreiche sie nicht - p1b_659.015 O die Schranken so eng, und die Welt so weit, p1b_659.016 Und so flüchtig die Zeit!(Geibel, Sehnsucht.) p1b_659.017 p1b_659.023Die Stadt Mohrin hat immer Acht, p1b_659.018 Kuckt in den See bei Tag und Nacht. p1b_659.019 Kein gutes Christenkind erleb's, p1b_659.020 Daß los sich reiß' der große Krebs! p1b_659.021 Er ist im See mit Ketten geschlossen unten an, p1b_659.022 Weil er dem ganzen Lande Verderben bringen kann. (Kopisch.) p1b_659.024Es geht durchs Land der Schrei der Not; er will an jeden Busen klopfen p1b_659.025 p1b_659.030Für heiße Wunden, purpurrot, - o, gebt der Liebe Balsamtropfen! p1b_659.026 Für arme Kinder, blaß und krank, - o, füllt die kleinen Kinderhände! p1b_659.027 Dem Weib, dem der Ernährer sank, - o, reicht des Goldes Segensspende! p1b_659.028 Zum Himmel hallt ein Jammerschrei von Herzen, die in Schlachten brechen. - p1b_659.029 Nun schweigt die Stimme der Partei, nun hat das Herz ein Recht zu sprechen! (Emil Rittershaus.) p1b_659.031 p1b_659.032 p1b_659.035 Erstrebtest du dir edles Lob, p1b_659.037 Von edlem Geist durchdrungen: p1b_659.038 Bald unterdrückt dich, wer erhob; p1b_659.039 Dein Freund und Bruder härmt sich drob, p1b_659.040 Daß wohl dein Werk gelungen, p1b_659.041 Und lobt mit falschen Zungen. (Voß.) p1b_659.042 p1b_659.043 p1b_659.001 p1b_659.010 Jch blick' in mein Herz und ich blick' in die Welt, p1b_659.012 Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt; p1b_659.013 Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht, p1b_659.014 Doch hält mich der Nord ─ ich erreiche sie nicht ─ p1b_659.015 O die Schranken so eng, und die Welt so weit, p1b_659.016 Und so flüchtig die Zeit!(Geibel, Sehnsucht.) p1b_659.017 p1b_659.023Die Stadt Mohrin hat immer Acht, p1b_659.018 Kuckt in den See bei Tag und Nacht. p1b_659.019 Kein gutes Christenkind erleb's, p1b_659.020 Daß los sich reiß' der große Krebs! p1b_659.021 Er ist im See mit Ketten geschlossen unten an, p1b_659.022 Weil er dem ganzen Lande Verderben bringen kann. (Kopisch.) p1b_659.024Es geht durchs Land der Schrei der Not; er will an jeden Busen klopfen p1b_659.025 p1b_659.030Für heiße Wunden, purpurrot, ─ o, gebt der Liebe Balsamtropfen! p1b_659.026 Für arme Kinder, blaß und krank, ─ o, füllt die kleinen Kinderhände! p1b_659.027 Dem Weib, dem der Ernährer sank, ─ o, reicht des Goldes Segensspende! p1b_659.028 Zum Himmel hallt ein Jammerschrei von Herzen, die in Schlachten brechen. ─ p1b_659.029 Nun schweigt die Stimme der Partei, nun hat das Herz ein Recht zu sprechen! (Emil Rittershaus.) p1b_659.031 p1b_659.032 p1b_659.035 Erstrebtest du dir edles Lob, p1b_659.037 Von edlem Geist durchdrungen: p1b_659.038 Bald unterdrückt dich, wer erhob; p1b_659.039 Dein Freund und Bruder härmt sich drob, p1b_659.040 Daß wohl dein Werk gelungen, p1b_659.041 Und lobt mit falschen Zungen. 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Vgl. auch Görres' <lb n="p1b_659.009"/> Volkslieder S. 115 (Altdeutsches Wächterlied) &c.</p> <p> <lb n="p1b_659.010"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_659.011"/> <lg> <l>Jch blick' in mein Herz und ich blick' in die Welt,</l> <lb n="p1b_659.012"/> <l>Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt;</l> <lb n="p1b_659.013"/> <l>Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht,</l> <lb n="p1b_659.014"/> <l>Doch hält mich der Nord ─ ich erreiche sie nicht ─</l> <lb n="p1b_659.015"/> <l>O die Schranken so eng, und die Welt so weit,</l> <lb n="p1b_659.016"/> <l> Und so flüchtig die Zeit!<hi rendition="#right">(Geibel, Sehnsucht.)</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_659.017"/> <l> Die Stadt Mohrin hat immer Acht,</l> <lb n="p1b_659.018"/> <l> Kuckt in den See bei Tag und Nacht.</l> <lb n="p1b_659.019"/> <l> Kein gutes Christenkind erleb's,</l> <lb n="p1b_659.020"/> <l> Daß los sich reiß' der große Krebs!</l> <lb n="p1b_659.021"/> <l>Er ist im See mit Ketten geschlossen unten an,</l> <lb n="p1b_659.022"/> <l>Weil er dem ganzen Lande Verderben bringen kann.</l> </lg> <lb n="p1b_659.023"/> <p> <hi rendition="#right">(Kopisch.)</hi> </p> <lb n="p1b_659.024"/> <lg> <l>Es geht durchs Land der Schrei der Not; er will an jeden Busen klopfen</l> <lb n="p1b_659.025"/> <l>Für heiße Wunden, purpurrot, ─ o, gebt der Liebe Balsamtropfen!</l> <lb n="p1b_659.026"/> <l>Für arme Kinder, blaß und krank, ─ o, füllt die kleinen Kinderhände!</l> <lb n="p1b_659.027"/> <l>Dem Weib, dem der Ernährer sank, ─ o, reicht des Goldes Segensspende!</l> <lb n="p1b_659.028"/> <l>Zum Himmel hallt ein Jammerschrei von Herzen, die in Schlachten brechen. ─</l> <lb n="p1b_659.029"/> <l>Nun schweigt die Stimme der Partei, nun hat das Herz ein Recht zu sprechen!</l> </lg> <lb n="p1b_659.030"/> <p> <hi rendition="#right">(Emil Rittershaus.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_659.031"/> 8. <hi rendition="#aq">a b a a b b</hi>.</p> <p><lb n="p1b_659.032"/> Eine äußerst seltene Strophenform, die nur 2 Reime in schöner Verschränkung <lb n="p1b_659.033"/> hat. Voß wendet dieselbe verständnisvoll in „Freude vor Gott“ <lb n="p1b_659.034"/> wie im nachstehenden Beispiel an.</p> <p> <lb n="p1b_659.035"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_659.036"/> <lg> <l>Erstrebtest du dir edles Lob,</l> <lb n="p1b_659.037"/> <l>Von edlem Geist durchdrungen:</l> <lb n="p1b_659.038"/> <l>Bald unterdrückt dich, wer erhob;</l> <lb n="p1b_659.039"/> <l>Dein Freund und Bruder härmt sich drob,</l> <lb n="p1b_659.040"/> <l>Daß wohl dein Werk gelungen,</l> <lb n="p1b_659.041"/> <l> Und lobt mit falschen Zungen.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Voß.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_659.042"/> 9. <hi rendition="#aq">a a b c b c</hi>.</p> <p><lb n="p1b_659.043"/> Dieses Schema unterscheidet sich von Schillers Polykratesstrophe (Nr. 6 <lb n="p1b_659.044"/> S. 657 d. B.) nur durch Umkehrung der beiden letzten Zeilen. Rückert <lb n="p1b_659.045"/> hat es in seiner Schi-King=Übersetzung gebraucht. (Vgl. Schi-King S. 109, <lb n="p1b_659.046"/> Lied vom schönen Jäger.) Sonst finden sich gute Gedichte in dieser Strophe </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [659/0693]
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Platen (Endymion), Ad. Glaser (Grabschrift), Wilh. Müller (Ungeduld und p1b_659.002
Est Est), Fr. Oser (Dein Grab), Rob. Prutz (Die Oceaniden), Albin Rheinisch p1b_659.003
(Die Blume von Trebisond), Emil Rittershaus (Zu Hilfe 1866), Kopisch p1b_659.004
(Der große Krebs &c.), Gust. Schwab (Das Gewitter), Ferd. Stolle (Muttergebet), p1b_659.005
Arndt (Was ist des Deutschen Vaterland), Mahlmann (Der Vater p1b_659.006
Martin), Aug. Stöber (Der Wasgau), Geibel (Sehnsucht), Wolfgang Müller p1b_659.007
(Mein Herz ist am Rheine), Dieffenbach (O Zauber), J. P. Hebel (Der Winter), p1b_659.008
Gottfr. Keller (Pietistenwalzer), Bornemann (Kartüffeln). Vgl. auch Görres' p1b_659.009
Volkslieder S. 115 (Altdeutsches Wächterlied) &c.
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Beispiele:
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Jch blick' in mein Herz und ich blick' in die Welt, p1b_659.012
Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt; p1b_659.013
Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht, p1b_659.014
Doch hält mich der Nord ─ ich erreiche sie nicht ─ p1b_659.015
O die Schranken so eng, und die Welt so weit, p1b_659.016
Und so flüchtig die Zeit!(Geibel, Sehnsucht.)
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Die Stadt Mohrin hat immer Acht, p1b_659.018
Kuckt in den See bei Tag und Nacht. p1b_659.019
Kein gutes Christenkind erleb's, p1b_659.020
Daß los sich reiß' der große Krebs! p1b_659.021
Er ist im See mit Ketten geschlossen unten an, p1b_659.022
Weil er dem ganzen Lande Verderben bringen kann.
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(Kopisch.)
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Es geht durchs Land der Schrei der Not; er will an jeden Busen klopfen p1b_659.025
Für heiße Wunden, purpurrot, ─ o, gebt der Liebe Balsamtropfen! p1b_659.026
Für arme Kinder, blaß und krank, ─ o, füllt die kleinen Kinderhände! p1b_659.027
Dem Weib, dem der Ernährer sank, ─ o, reicht des Goldes Segensspende! p1b_659.028
Zum Himmel hallt ein Jammerschrei von Herzen, die in Schlachten brechen. ─ p1b_659.029
Nun schweigt die Stimme der Partei, nun hat das Herz ein Recht zu sprechen!
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(Emil Rittershaus.)
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8. a b a a b b.
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Eine äußerst seltene Strophenform, die nur 2 Reime in schöner Verschränkung p1b_659.033
hat. Voß wendet dieselbe verständnisvoll in „Freude vor Gott“ p1b_659.034
wie im nachstehenden Beispiel an.
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Beispiel:
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Erstrebtest du dir edles Lob, p1b_659.037
Von edlem Geist durchdrungen: p1b_659.038
Bald unterdrückt dich, wer erhob; p1b_659.039
Dein Freund und Bruder härmt sich drob, p1b_659.040
Daß wohl dein Werk gelungen, p1b_659.041
Und lobt mit falschen Zungen.
(Voß.)
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9. a a b c b c.
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Dieses Schema unterscheidet sich von Schillers Polykratesstrophe (Nr. 6 p1b_659.044
S. 657 d. B.) nur durch Umkehrung der beiden letzten Zeilen. Rückert p1b_659.045
hat es in seiner Schi-King=Übersetzung gebraucht. (Vgl. Schi-King S. 109, p1b_659.046
Lied vom schönen Jäger.) Sonst finden sich gute Gedichte in dieser Strophe
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