Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_169.001 "Soll ich lassen von dem Safte meiner Reben, p2b_169.002 p2b_169.021An dem sich alle Welt erfreut, p2b_169.003 Der Menschen und Göttern Wonne beut, p2b_169.004 Um über Euch p2b_169.005 Mich thronend in die Lüfte zu erheben?" p2b_169.006 Da sprachen sie, die Bäume, p2b_169.007 Am Ende zu dem Dornbusch: p2b_169.008 "So woll'n wir uns in Deine Hut begeben; p2b_169.009 Sei du der König über uns!" p2b_169.010 Und er darauf, der Dornbusch: p2b_169.011 "Ja, König sein, das ist mein Amt; p2b_169.012 Dazu geschaffen ganz und gar p2b_169.013 Bin ich offenbar; p2b_169.014 Vertrauet Euch dem Schatten, p2b_169.015 Den meine Gedörne geben! p2b_169.016 Wo nicht, so soll von ihnen p2b_169.017 Ausgehen ein Feuer, ein fressendes, p2b_169.018 Ein Grausen, ein nicht zu messendes; p2b_169.019 Es sollen vor ihm p2b_169.020 Die Cedern auf dem Libanon erbeben!" b. Der thörichte Mann, von Fr. Rückert. p2b_169.022Es ging ein Mann im Syrerland, p2b_169.023
Führt' ein Kamel am Halfterband. p2b_169.024 Das Tier mit grimmigen Geberden p2b_169.025 Urplötzlich anfing scheu zu werden, p2b_169.026 Und that so ganz entsetzlich schnaufen, p2b_169.027 Der Führer vor ihm mußt' entlaufen. p2b_169.028 Er lief und einen Brunnen sah p2b_169.029 Von ungefähr am Wege da. p2b_169.030 Das Tier hört' er im Rücken schnauben, p2b_169.031 Das mußt' ihm die Besinnung rauben. p2b_169.032 Er in den Schacht des Brunnens kroch, p2b_169.033 Er stürzte nicht, er schwebte noch. p2b_169.034 Gewachsen war ein Brombeerstrauch p2b_169.035 Aus des geborstnen Brunnens Bauch; p2b_169.036 Daran der Mann sich fest that klammern, p2b_169.037 Und seinen Zustand drauf bejammern. p2b_169.038 Er blickte in die Höh', und sah p2b_169.039 Dort das Kamelhaupt furchtbar nah, p2b_169.040 Das ihn wollt' oben fassen wieder. p2b_169.041 Dann blickt' er in den Brunnen nieder; p2b_169.042 Da sah am Grund er einen Drachen p2b_169.043 Aufgähnen mit entsperrtem Rachen, p2b_169.044 Der drunten ihn verschlingen wollte, p2b_169.045 Wenn er hinunter fallen sollte. p2b_169.046 So schwebend in der beiden Mitte p2b_169.047 Da sah der Arme noch das Dritte. p2b_169.048 Wo in die Mauerspalte ging p2b_169.049 Des Sträuchleins Wurzel, dran er hing, p2b_169.050 Da sah er still ein Mäusepaar, p2b_169.051 Schwarz eine, weiß die andere war. p2b_169.052 Er sah die schwarze mit der weißen p2b_169.001 „Soll ich lassen von dem Safte meiner Reben, p2b_169.002 p2b_169.021An dem sich alle Welt erfreut, p2b_169.003 Der Menschen und Göttern Wonne beut, p2b_169.004 Um über Euch p2b_169.005 Mich thronend in die Lüfte zu erheben?“ p2b_169.006 Da sprachen sie, die Bäume, p2b_169.007 Am Ende zu dem Dornbusch: p2b_169.008 „So woll'n wir uns in Deine Hut begeben; p2b_169.009 Sei du der König über uns!“ p2b_169.010 Und er darauf, der Dornbusch: p2b_169.011 „Ja, König sein, das ist mein Amt; p2b_169.012 Dazu geschaffen ganz und gar p2b_169.013 Bin ich offenbar; p2b_169.014 Vertrauet Euch dem Schatten, p2b_169.015 Den meine Gedörne geben! p2b_169.016 Wo nicht, so soll von ihnen p2b_169.017 Ausgehen ein Feuer, ein fressendes, p2b_169.018 Ein Grausen, ein nicht zu messendes; p2b_169.019 Es sollen vor ihm p2b_169.020 Die Cedern auf dem Libanon erbeben!“ b. Der thörichte Mann, von Fr. Rückert. p2b_169.022Es ging ein Mann im Syrerland, p2b_169.023
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