Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_172.001 p2b_172.003 p2b_172.004 p2b_172.009 p2b_172.014 p2b_172.021 p2b_172.022 p2b_172.026 p2b_172.032 p2b_172.034 "Schön bist du, Aglaja, die ringsum alles verschönet, p2b_172.038 Schön im Schmucke; doch nackt bist du die Schönheit selbst." p2b_172.039 Die gefallenen Engel, von Rückert. p2b_172.041Harut und Marut, die Engel, gingen, p2b_172.042
Himmlische Grüße der Welt zu bringen; p2b_172.043 Hofften sich, wann sie beschaut die Erde, p2b_172.044 Wieder zum Himmel empor zu schwingen; p2b_172.001 p2b_172.003 p2b_172.004 p2b_172.009 p2b_172.014 p2b_172.021 p2b_172.022 p2b_172.026 p2b_172.032 p2b_172.034 „Schön bist du, Aglaja, die ringsum alles verschönet, p2b_172.038 Schön im Schmucke; doch nackt bist du die Schönheit selbst.“ p2b_172.039 Die gefallenen Engel, von Rückert. p2b_172.041Harut und Marut, die Engel, gingen, p2b_172.042
Himmlische Grüße der Welt zu bringen; p2b_172.043 Hofften sich, wann sie beschaut die Erde, p2b_172.044 Wieder zum Himmel empor zu schwingen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0194" n="172"/> <p><lb n="p2b_172.001"/> 2. Folgende Stelle von Herder (Ausgewählte Werke, 1844. S. 272) <lb n="p2b_172.002"/> möge die Benennung dieser Dichtungsart zeigen:</p> <p><lb n="p2b_172.003"/><hi rendition="#g">Theano.</hi> Paramythien? Was bedeutet das Wort?</p> <p><lb n="p2b_172.004"/><hi rendition="#g">Demodor.</hi> Paramythion heißt eine Erholung; und wie Guys erzählt, <lb n="p2b_172.005"/> nennen noch die heutigen Griechinnen die Erzählungen und Dichtungen, womit <lb n="p2b_172.006"/> sie sich die Zeit kürzen, Paramythien. Jch konnte den meinen noch aus einem <lb n="p2b_172.007"/> dritten Grunde den Namen geben, weil sie auf die alte griechische Fabel, die <lb n="p2b_172.008"/> Mythos heißt, gebauet sind und in den Gang dieser nur einen neuen Sinn legen.</p> <p><lb n="p2b_172.009"/><hi rendition="#g">Theano.</hi> Ein schöner Name zu einer schönen Sache: denn Demodor, <lb n="p2b_172.010"/> ich wünschte, daß ich alle abgetragene, zu oft gebrauchte Märchen der Mythologie <lb n="p2b_172.011"/> wenigstens in einer neuen Absicht wiederkommen sähe. Ja, mir wäre <lb n="p2b_172.012"/> es lieb, wenn ich jeden schönen Gegenstand um mich her mit einer Dichtung <lb n="p2b_172.013"/> aus alten Zeiten gleichsam verwandeln und neu zu beleben wüßte.</p> <p><lb n="p2b_172.014"/><hi rendition="#g">Demodor.</hi> Versuchen Sie es, Theano, und Sie werden unvergleichbar <lb n="p2b_172.015"/> schönere hervorbringen, als hier versucht sind. Wissen Sie, wie diese entstanden? <lb n="p2b_172.016"/> Durch das Spiel eines Wettstreites auf einigen Spaziergängen. Zwei <lb n="p2b_172.017"/> Einsiedler gaben sich auf einigen ihrer Spaziergänge Gegenstände auf, darüber eine <lb n="p2b_172.018"/> Fabel, eine Dichtung oder was ihnen sonst einfiele, zu sagen. Jch war einer <lb n="p2b_172.019"/> derselben, setzte auf, was gesagt wurde, und so sind diese Erzählungen worden. <lb n="p2b_172.020"/> Jn einigen werden Sie noch Spuren des Wettstreites finden.</p> <p><lb n="p2b_172.021"/><hi rendition="#g">Theano.</hi> Ein Spiel, das nicht jedem glücken wird.</p> <p><lb n="p2b_172.022"/><hi rendition="#g">Demodor.</hi> Jhnen gewiß, und ich sehe schon schöneren Paramythien <lb n="p2b_172.023"/> über einige Jhnen geliebte Gegenstände entgegen. Niemals dichtet die Seele <lb n="p2b_172.024"/> angenehmer, als in solchen Spielen, und ich wollte, wie schon Lessing bei der <lb n="p2b_172.025"/> Äsopischen Fabel gesagt hat, daß man auch Kinder darin übte.</p> <p><lb n="p2b_172.026"/> Die alte Mythologie würde ihnen durch diese Verwandlung lieb werden, <lb n="p2b_172.027"/> ihre Erfindungskraft wird geschärft, und ich habe Proben, wie naive Gedanken <lb n="p2b_172.028"/> zuweilen aus der Seele eines Schoßkindes der Natur, das alle Gegenstände <lb n="p2b_172.029"/> noch mit neuer, frischer Liebe ansieht, lieblichen Knöspchen gleich, hervorkeimen. <lb n="p2b_172.030"/> Da Sie diese kindliche Einfalt lieben, Theano, will ich Jhnen zu einer andern <lb n="p2b_172.031"/> Zeit einige derselben mitteilen.</p> <p><lb n="p2b_172.032"/><hi rendition="#g">Theano.</hi> Und ich will versuchen, ob ich auch noch Kind sein kann, und <lb n="p2b_172.033"/> mir einige Gegenstände jugendlich malen. Wenn nicht so blumenreich ─</p> <p><lb n="p2b_172.034"/><hi rendition="#g">Demodor.</hi> Das Blumenreiche gehörte hier zu den Gegenständen; sonst <lb n="p2b_172.035"/> wäre es ein Fehler. Je schöner Jhre Dichtung sein wird, desto weniger hat <lb n="p2b_172.036"/> sie des Schmucks nötig. Sie kennen das griechische Epigramm:</p> <lb n="p2b_172.037"/> <lg> <l>„Schön bist du, Aglaja, die ringsum alles verschönet,</l> <lb n="p2b_172.038"/> <l> Schön im Schmucke; doch nackt bist du die Schönheit selbst.“</l> </lg> <p> <lb n="p2b_172.039"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Paramythie.</hi> </p> <lb n="p2b_172.040"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Die gefallenen Engel, von Rückert.</hi> </hi> </p> <lb n="p2b_172.041"/> <lg> <l>Harut und Marut, die Engel, gingen,</l> <lb n="p2b_172.042"/> <l> Himmlische Grüße der Welt zu bringen;</l> <lb n="p2b_172.043"/> <l>Hofften sich, wann sie beschaut die Erde,</l> <lb n="p2b_172.044"/> <l> Wieder zum Himmel empor zu schwingen;</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0194]
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2. Folgende Stelle von Herder (Ausgewählte Werke, 1844. S. 272) p2b_172.002
möge die Benennung dieser Dichtungsart zeigen:
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Theano. Paramythien? Was bedeutet das Wort?
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Demodor. Paramythion heißt eine Erholung; und wie Guys erzählt, p2b_172.005
nennen noch die heutigen Griechinnen die Erzählungen und Dichtungen, womit p2b_172.006
sie sich die Zeit kürzen, Paramythien. Jch konnte den meinen noch aus einem p2b_172.007
dritten Grunde den Namen geben, weil sie auf die alte griechische Fabel, die p2b_172.008
Mythos heißt, gebauet sind und in den Gang dieser nur einen neuen Sinn legen.
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Theano. Ein schöner Name zu einer schönen Sache: denn Demodor, p2b_172.010
ich wünschte, daß ich alle abgetragene, zu oft gebrauchte Märchen der Mythologie p2b_172.011
wenigstens in einer neuen Absicht wiederkommen sähe. Ja, mir wäre p2b_172.012
es lieb, wenn ich jeden schönen Gegenstand um mich her mit einer Dichtung p2b_172.013
aus alten Zeiten gleichsam verwandeln und neu zu beleben wüßte.
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Demodor. Versuchen Sie es, Theano, und Sie werden unvergleichbar p2b_172.015
schönere hervorbringen, als hier versucht sind. Wissen Sie, wie diese entstanden? p2b_172.016
Durch das Spiel eines Wettstreites auf einigen Spaziergängen. Zwei p2b_172.017
Einsiedler gaben sich auf einigen ihrer Spaziergänge Gegenstände auf, darüber eine p2b_172.018
Fabel, eine Dichtung oder was ihnen sonst einfiele, zu sagen. Jch war einer p2b_172.019
derselben, setzte auf, was gesagt wurde, und so sind diese Erzählungen worden. p2b_172.020
Jn einigen werden Sie noch Spuren des Wettstreites finden.
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Theano. Ein Spiel, das nicht jedem glücken wird.
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Demodor. Jhnen gewiß, und ich sehe schon schöneren Paramythien p2b_172.023
über einige Jhnen geliebte Gegenstände entgegen. Niemals dichtet die Seele p2b_172.024
angenehmer, als in solchen Spielen, und ich wollte, wie schon Lessing bei der p2b_172.025
Äsopischen Fabel gesagt hat, daß man auch Kinder darin übte.
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Die alte Mythologie würde ihnen durch diese Verwandlung lieb werden, p2b_172.027
ihre Erfindungskraft wird geschärft, und ich habe Proben, wie naive Gedanken p2b_172.028
zuweilen aus der Seele eines Schoßkindes der Natur, das alle Gegenstände p2b_172.029
noch mit neuer, frischer Liebe ansieht, lieblichen Knöspchen gleich, hervorkeimen. p2b_172.030
Da Sie diese kindliche Einfalt lieben, Theano, will ich Jhnen zu einer andern p2b_172.031
Zeit einige derselben mitteilen.
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Theano. Und ich will versuchen, ob ich auch noch Kind sein kann, und p2b_172.033
mir einige Gegenstände jugendlich malen. Wenn nicht so blumenreich ─
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Demodor. Das Blumenreiche gehörte hier zu den Gegenständen; sonst p2b_172.035
wäre es ein Fehler. Je schöner Jhre Dichtung sein wird, desto weniger hat p2b_172.036
sie des Schmucks nötig. Sie kennen das griechische Epigramm:
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„Schön bist du, Aglaja, die ringsum alles verschönet, p2b_172.038
Schön im Schmucke; doch nackt bist du die Schönheit selbst.“
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Beispiele der Paramythie.
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Die gefallenen Engel, von Rückert.
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Hofften sich, wann sie beschaut die Erde, p2b_172.044
Wieder zum Himmel empor zu schwingen;
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