Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_309.001 p2b_309.003 p2b_309.007 Tristan am Hofe. p2b_309.010S. 85. So war denn, wie die Märe spricht, p2b_309.011
Tristan zu Haus und wußt' es nicht. p2b_309.012 Er wähnte fremd sich und allein, p2b_309.013 Und der sein Vater sollte sein, p2b_309.014 Dem dient' er nun als seinem Herrn. p2b_309.015 Der war sein froh und sah ihn gern - p2b_309.016 Denn ihn zog auch sein Herz mit Macht - p2b_309.017 Und ließ ihn nirgends außer acht. p2b_309.018 Getreu zu allen Zeiten p2b_309.019 Ging Tristan ihm zur Seiten p2b_309.020 Und bot sich ihm zu Diensten an, p2b_309.021 Wo er Gelegenheit gewann. p2b_309.022 Das nahm der König freundlich hin; p2b_309.023 Er trug dem Knaben holden Sinn. p2b_309.024 Es that ihm wohl, wenn er ihn sah. p2b_309.025 Ein lieber Dienstmann wurde da p2b_309.026 Tristan am Hof von Tintajol. p2b_309.027 All das Gesinde hielt ihn wohl p2b_309.028 Und bot ihm gern Geselligkeit. p2b_309.029 Auch war er selbst so dienstbereit, p2b_309.030 So freundlich gegen arm und reich: p2b_309.031 Ja, hätte er sie alle gleich p2b_309.032 Auf seinen Händen sollen tragen, p2b_309.033 Er hätt' es keinem abgeschlagen, p2b_309.034 Das war ihm so von Gott gegeben: p2b_309.035 Er konnt' und wollte allen leben, p2b_309.036 Lachen, tanzen, singen, p2b_309.037 Reiten, laufen, springen, p2b_309.038 Bald lärmend und bald leise, - p2b_309.039 Er stimmt' in jede Weise. p2b_309.040 Eines Tages nun geschah's, p2b_309.041 Daß Marke nach dem Mahle saß, p2b_309.042 Zur Zeit, wo man auf Kurzweil denkt, p2b_309.043 Und horchte ganz in sich versenkt p2b_309.044 Auf einen Harfner, der im Land p2b_309.045 War als der beste weitbekannt; p2b_309.046 Derselbe war ein wälischer Mann. p2b_309.047 Jndes kam Tristan auch heran p2b_309.048 Und saß zu seinen Füßen hin. p2b_309.049 Er achtete mit feinem Sinn p2b_309.050 Des Liedes und der süßen Noten, p2b_309.051 Und wär's beim Leben ihm geboten, p2b_309.001 p2b_309.003 p2b_309.007 Tristan am Hofe. p2b_309.010S. 85. So war denn, wie die Märe spricht, p2b_309.011
Tristan zu Haus und wußt' es nicht. p2b_309.012 Er wähnte fremd sich und allein, p2b_309.013 Und der sein Vater sollte sein, p2b_309.014 Dem dient' er nun als seinem Herrn. p2b_309.015 Der war sein froh und sah ihn gern ─ p2b_309.016 Denn ihn zog auch sein Herz mit Macht ─ p2b_309.017 Und ließ ihn nirgends außer acht. p2b_309.018 Getreu zu allen Zeiten p2b_309.019 Ging Tristan ihm zur Seiten p2b_309.020 Und bot sich ihm zu Diensten an, p2b_309.021 Wo er Gelegenheit gewann. p2b_309.022 Das nahm der König freundlich hin; p2b_309.023 Er trug dem Knaben holden Sinn. p2b_309.024 Es that ihm wohl, wenn er ihn sah. p2b_309.025 Ein lieber Dienstmann wurde da p2b_309.026 Tristan am Hof von Tintajol. p2b_309.027 All das Gesinde hielt ihn wohl p2b_309.028 Und bot ihm gern Geselligkeit. p2b_309.029 Auch war er selbst so dienstbereit, p2b_309.030 So freundlich gegen arm und reich: p2b_309.031 Ja, hätte er sie alle gleich p2b_309.032 Auf seinen Händen sollen tragen, p2b_309.033 Er hätt' es keinem abgeschlagen, p2b_309.034 Das war ihm so von Gott gegeben: p2b_309.035 Er konnt' und wollte allen leben, p2b_309.036 Lachen, tanzen, singen, p2b_309.037 Reiten, laufen, springen, p2b_309.038 Bald lärmend und bald leise, ─ p2b_309.039 Er stimmt' in jede Weise. p2b_309.040 Eines Tages nun geschah's, p2b_309.041 Daß Marke nach dem Mahle saß, p2b_309.042 Zur Zeit, wo man auf Kurzweil denkt, p2b_309.043 Und horchte ganz in sich versenkt p2b_309.044 Auf einen Harfner, der im Land p2b_309.045 War als der beste weitbekannt; p2b_309.046 Derselbe war ein wälischer Mann. p2b_309.047 Jndes kam Tristan auch heran p2b_309.048 Und saß zu seinen Füßen hin. p2b_309.049 Er achtete mit feinem Sinn p2b_309.050 Des Liedes und der süßen Noten, p2b_309.051 Und wär's beim Leben ihm geboten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0331" n="309"/> <p><lb n="p2b_309.001"/> Tristan lernt auf seinen Jrrfahrten eine andere Jsolde kennen, Jsolde <lb n="p2b_309.002"/> Weißhand, die er liebt und die ihn die erste vergessen macht.</p> <p><lb n="p2b_309.003"/> Hier bricht das Gedicht Gottfrieds ab. Die späteren Fortsetzer lassen <lb n="p2b_309.004"/> Tristan diese Jsolde heiraten, ohne daß er sie liebt, so daß beide ohne Annäherung <lb n="p2b_309.005"/> unglücklich neben einander gehen. Simrock führt <hi rendition="#g">diesen</hi> Schluß herbei: Tristan <lb n="p2b_309.006"/> und Jsoldens Tod durch der verschmähten Gattin Rache.</p> <p><lb n="p2b_309.007"/><hi rendition="#g">Probe aus Tristan und Jsolt.</hi> (Bearbeitung von W. Hertz. <lb n="p2b_309.008"/> Stuttg. 1877.)</p> <lb n="p2b_309.009"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Tristan am Hofe.</hi> </hi> </p> <lb n="p2b_309.010"/> <p rendition="#left">S. 85.</p> <lg> <l> So war denn, wie die Märe spricht,</l> <lb n="p2b_309.011"/> <l>Tristan zu Haus und wußt' es nicht.</l> <lb n="p2b_309.012"/> <l>Er wähnte fremd sich und allein,</l> <lb n="p2b_309.013"/> <l>Und der sein Vater sollte sein,</l> <lb n="p2b_309.014"/> <l>Dem dient' er nun als seinem Herrn.</l> <lb n="p2b_309.015"/> <l>Der war sein froh und sah ihn gern ─</l> <lb n="p2b_309.016"/> <l>Denn ihn zog auch sein Herz mit Macht ─</l> <lb n="p2b_309.017"/> <l>Und ließ ihn nirgends außer acht.</l> <lb n="p2b_309.018"/> <l>Getreu zu allen Zeiten</l> <lb n="p2b_309.019"/> <l>Ging Tristan ihm zur Seiten</l> <lb n="p2b_309.020"/> <l>Und bot sich ihm zu Diensten an,</l> <lb n="p2b_309.021"/> <l>Wo er Gelegenheit gewann.</l> <lb n="p2b_309.022"/> <l>Das nahm der König freundlich hin;</l> <lb n="p2b_309.023"/> <l>Er trug dem Knaben holden Sinn.</l> <lb n="p2b_309.024"/> <l>Es that ihm wohl, wenn er ihn sah.</l> <lb n="p2b_309.025"/> <l> Ein lieber Dienstmann wurde da</l> <lb n="p2b_309.026"/> <l>Tristan am Hof von Tintajol.</l> <lb n="p2b_309.027"/> <l>All das Gesinde hielt ihn wohl</l> <lb n="p2b_309.028"/> <l>Und bot ihm gern Geselligkeit.</l> <lb n="p2b_309.029"/> <l>Auch war er selbst so dienstbereit,</l> <lb n="p2b_309.030"/> <l>So freundlich gegen arm und reich:</l> <lb n="p2b_309.031"/> <l>Ja, hätte er sie alle gleich</l> <lb n="p2b_309.032"/> <l>Auf seinen Händen sollen tragen,</l> <lb n="p2b_309.033"/> <l>Er hätt' es keinem abgeschlagen,</l> <lb n="p2b_309.034"/> <l>Das war ihm so von Gott gegeben:</l> <lb n="p2b_309.035"/> <l>Er konnt' und wollte allen leben,</l> <lb n="p2b_309.036"/> <l>Lachen, tanzen, singen,</l> <lb n="p2b_309.037"/> <l>Reiten, laufen, springen,</l> <lb n="p2b_309.038"/> <l>Bald lärmend und bald leise, ─</l> <lb n="p2b_309.039"/> <l>Er stimmt' in jede Weise.</l> <lb n="p2b_309.040"/> <l> Eines Tages nun geschah's,</l> <lb n="p2b_309.041"/> <l>Daß Marke nach dem Mahle saß,</l> <lb n="p2b_309.042"/> <l>Zur Zeit, wo man auf Kurzweil denkt,</l> <lb n="p2b_309.043"/> <l>Und horchte ganz in sich versenkt</l> <lb n="p2b_309.044"/> <l>Auf einen Harfner, der im Land</l> <lb n="p2b_309.045"/> <l>War als der beste weitbekannt;</l> <lb n="p2b_309.046"/> <l>Derselbe war ein wälischer Mann.</l> <lb n="p2b_309.047"/> <l>Jndes kam Tristan auch heran</l> <lb n="p2b_309.048"/> <l>Und saß zu seinen Füßen hin.</l> <lb n="p2b_309.049"/> <l>Er achtete mit feinem Sinn</l> <lb n="p2b_309.050"/> <l>Des Liedes und der süßen Noten,</l> <lb n="p2b_309.051"/> <l>Und wär's beim Leben ihm geboten,</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0331]
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Tristan lernt auf seinen Jrrfahrten eine andere Jsolde kennen, Jsolde p2b_309.002
Weißhand, die er liebt und die ihn die erste vergessen macht.
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Hier bricht das Gedicht Gottfrieds ab. Die späteren Fortsetzer lassen p2b_309.004
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unglücklich neben einander gehen. Simrock führt diesen Schluß herbei: Tristan p2b_309.006
und Jsoldens Tod durch der verschmähten Gattin Rache.
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Probe aus Tristan und Jsolt. (Bearbeitung von W. Hertz. p2b_309.008
Stuttg. 1877.)
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Tristan am Hofe.
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S. 85.
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Auch war er selbst so dienstbereit, p2b_309.030
So freundlich gegen arm und reich: p2b_309.031
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Des Liedes und der süßen Noten, p2b_309.051
Und wär's beim Leben ihm geboten,
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