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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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IV. Kinkels Otto der Schütz.

Dieses Epos erzählt in p2b_319.002
12 Abenteuern, wie Otto (der jüngere Sohn des Landgrafen Heinrich p2b_319.003
von Thüringen) entflieht, weil er Mönch werden soll, wie er den p2b_319.004
Meisterschuß bei einem Schützenfest am Rhein thut, wie er Dienste beim p2b_319.005
Grafen Dietrich nimmt, und zuletzt dessen Tochter Elsbeth trotz Verrat p2b_319.006
und Lebensgefahr gewinnt, sodann Landgraf von Thüringen und p2b_319.007
Hessen wird.

p2b_319.008

Probe aus "Otto der Schütz".

p2b_319.009

[Beginn Spaltensatz] Erstes Abenteuer.

p2b_319.010

Die Rheinfahrt.

p2b_319.011
Jn klarer Frühlings-Abendpracht, p2b_319.012
Wenn schon der Sterne Heer erwacht, p2b_319.013
Wenn kühl der Mond im Ost sich hebt, p2b_319.014
Die Flur mit blauem Duft umwebt, p2b_319.015
Jndes im West des Abends Strahlen p2b_319.016
Den Himmel heiß mit Purpur malen: p2b_319.017
Wenn Nachtigallenschlag erschallt p2b_319.018
Und drein im Nachthauch rauscht der Wald; p2b_319.019
Wenn aus des Wassers dumpfer Schwüle p2b_319.020
Der Fisch mit lust'gem Sprung sich schnellt, p2b_319.021
Und in der weichen Schlummerkühle p2b_319.022
So still und heimlich liegt die Welt; p2b_319.023
Wenn in der Uferweiden Dunkel p2b_319.024
Der Elfen Chor den Reigen schlingt, p2b_319.025
Und aus dem Strom ein leis' Gemunkel p2b_319.026
Der Nixen auf zum Lichte klingt: p2b_319.027
Das ist die zauberhafte Stunde, p2b_319.028
Wo Tag und Nacht in gleichem Bunde p2b_319.029
Dich kränzen mit dem schönsten Schein, p2b_319.030
Du Fürst der Ströme, trauter Rhein!
p2b_319.031
Auf deinem Grund geschmolzen rollt p2b_319.032
Der Nibelungen rotes Gold; p2b_319.033
Das spielt wie Scharlachfeuerglut p2b_319.034
Herauf ans Licht aus deiner Flut. p2b_319.035
Dein Stromgott tief zum Schlaf sich neigt, p2b_319.036
Sein Odem leis nach oben steigt, p2b_319.037
Das quillt wie weißen Silbers Schaum, p2b_319.038
Und stickt des Goldgewandes Saum, p2b_319.039
Jndes vom Ufer Bergesschatten p2b_319.040
Das lichte Blau dem Purpur gatten. p2b_319.041
Drum giebt sich Rot und Weiß und Blau p2b_319.042
Als Rheinlands Farbe stolz zur Schau.
p2b_319.043
Zu solcher Stunde treibt hinunter p2b_319.044
Jm bunten Kahn ein Bursch, und munter p2b_319.045
Beschaut er, leis das Steuer regend, p2b_319.046
Ringsum sich Fluß und Berg und Gegend. p2b_319.047
Wo ihm ein Turm vom Ufer winkt, p2b_319.048
Andächtig auf das Knie er sinkt p2b_319.049
Und spricht ein flüchtiges Gebet; p2b_319.050
Doch wo ein hübsches Mädchen geht, p2b_319.051
Der wirft er einen raschen Kuß p2b_319.052
Zum Strand hinüber von dem Fluß. u. s. f.
p2b_319.053
So kam er in ein lieblich Land, p2b_319.054
Zu beiden Seiten ebner Strand; p2b_319.055
Weit ward und breit und tief der Strom, p2b_319.056
Weit oben auch des Himmels Dom, p2b_319.057
Denn rings auf den gestreckten Auen p2b_319.058
War nirgend mehr ein Berg zu schauen. p2b_319.059
Nur eines Lichtes ward er innen p2b_319.060
Am Strand, als ständ's auf hohen Zinnen.
[Spaltenumbruch] p2b_319.101
Da ward er müd; des Schlafes Macht p2b_319.102
Befiel ihn um die Mitternacht, p2b_319.103
Und drückt ihn mit so schweren Lasten, p2b_319.104
Daß er beschloß am Land zu rasten. p2b_319.105
Dran mögt ein Wunder ihr begreifen: p2b_319.106
Ob wir auch selbst ins Weite schweifen, p2b_319.107
Die edle Frau, geheißen Minne, p2b_319.108
Lenkt doch die unbewußten Sinne. p2b_319.109
Sie war's auch, die mit blei'rnem Schlaf p2b_319.110
Des Knaben helles Auge traf, p2b_319.111
Daß er nicht an des Glückes Thüre p2b_319.112
Mit frevler Hast vorüberführe. p2b_319.113
Hier war es, wo sein Lebenslos p2b_319.114
Geworfen lag in Glückesschoß; p2b_319.115
Denn jenes Licht, das er geschaut, p2b_319.116
Vom Fenster kam's der künft'gen Braut, p2b_319.117
Und Liebe kann des Ziels nicht fehlen, p2b_319.118
Magst du auch eigne Pfade wählen.
p2b_319.119
Der Knabe lenkt den Kahn ans Land, p2b_319.120
Daselbst er dürres Riedgras fand; p2b_319.121
Er rüstete sich eine Streu, p2b_319.122
Ein Feuer macht' er ohne Scheu; p2b_319.123
Den Kahn band er ans Ufer fest, p2b_319.124
Und holt vom Hirsche sich den Rest, p2b_319.125
Den er gefällt mit Meisterschuß p2b_319.126
Erst gestern mitten aus dem Fluß. p2b_319.127
Durchs Uferdickicht brach das Tier, p2b_319.128
Um aus dem Flusse sich zu tränken; p2b_319.129
Schon will es der Geweihe Zier p2b_319.130
Zum klaren Spiegel niedersenken, p2b_319.131
Da zielt der Bursch - mit krauser Stirn p2b_319.132
Will flink der Hirsch zur Flucht sich wenden, p2b_319.133
Da trifft ihn mitten durch das Hirn p2b_319.134
Ein Bolz, geschnellt von sichern Händen; p2b_319.135
Drei Ellen sprang er hoch und fiel p2b_319.136
Dem Schützen, der nicht fehlt sein Ziel. p2b_319.137
Der Knabe briet sich heut zum Mahl p2b_319.138
Den Ziemer, und beim Mondenstrahl p2b_319.139
Sucht bitt're Kräuter er als Würze. p2b_319.140
Ein Blatt ist Handtuch ihm und Schürze, p2b_319.141
Als Bratspieß dient sein Jägerspeer, p2b_319.142
Jm Jagdhorn trägt das Kraut er her; p2b_319.143
Der Dolch ist gut zum Vorlegmesser, p2b_319.144
Wenn du nur bist ein guter Esser. p2b_319.145
Drauf spricht er seinen Abendsegen, p2b_319.146
Und ohne weiter Überlegen p2b_319.147
Schließt er zu festem Schlaf in Ruh p2b_319.148
Die beiden hellen Augen zu.
p2b_319.149
Es knistert noch das Feuer lang, p2b_319.150
Der Uhu ruft - er hört es nicht; p2b_319.151
Es rauscht der Rhein den Wellensang, p2b_319.152
Die Elfe klagt - ihn stört es nicht. p2b_319.153
Denn in der Engel treuer Wacht p2b_319.154
Verschläft er fest die ganze Nacht.
[Ende Spaltensatz]
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IV. Kinkels Otto der Schütz.

Dieses Epos erzählt in p2b_319.002
12 Abenteuern, wie Otto (der jüngere Sohn des Landgrafen Heinrich p2b_319.003
von Thüringen) entflieht, weil er Mönch werden soll, wie er den p2b_319.004
Meisterschuß bei einem Schützenfest am Rhein thut, wie er Dienste beim p2b_319.005
Grafen Dietrich nimmt, und zuletzt dessen Tochter Elsbeth trotz Verrat p2b_319.006
und Lebensgefahr gewinnt, sodann Landgraf von Thüringen und p2b_319.007
Hessen wird.

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Probe ausOtto der Schütz“.

p2b_319.009

[Beginn Spaltensatz] Erstes Abenteuer.

p2b_319.010

Die Rheinfahrt.

p2b_319.011
Jn klarer Frühlings-Abendpracht, p2b_319.012
Wenn schon der Sterne Heer erwacht, p2b_319.013
Wenn kühl der Mond im Ost sich hebt, p2b_319.014
Die Flur mit blauem Duft umwebt, p2b_319.015
Jndes im West des Abends Strahlen p2b_319.016
Den Himmel heiß mit Purpur malen: p2b_319.017
Wenn Nachtigallenschlag erschallt p2b_319.018
Und drein im Nachthauch rauscht der Wald; p2b_319.019
Wenn aus des Wassers dumpfer Schwüle p2b_319.020
Der Fisch mit lust'gem Sprung sich schnellt, p2b_319.021
Und in der weichen Schlummerkühle p2b_319.022
So still und heimlich liegt die Welt; p2b_319.023
Wenn in der Uferweiden Dunkel p2b_319.024
Der Elfen Chor den Reigen schlingt, p2b_319.025
Und aus dem Strom ein leis' Gemunkel p2b_319.026
Der Nixen auf zum Lichte klingt: p2b_319.027
Das ist die zauberhafte Stunde, p2b_319.028
Wo Tag und Nacht in gleichem Bunde p2b_319.029
Dich kränzen mit dem schönsten Schein, p2b_319.030
Du Fürst der Ströme, trauter Rhein!
p2b_319.031
Auf deinem Grund geschmolzen rollt p2b_319.032
Der Nibelungen rotes Gold; p2b_319.033
Das spielt wie Scharlachfeuerglut p2b_319.034
Herauf ans Licht aus deiner Flut. p2b_319.035
Dein Stromgott tief zum Schlaf sich neigt, p2b_319.036
Sein Odem leis nach oben steigt, p2b_319.037
Das quillt wie weißen Silbers Schaum, p2b_319.038
Und stickt des Goldgewandes Saum, p2b_319.039
Jndes vom Ufer Bergesschatten p2b_319.040
Das lichte Blau dem Purpur gatten. p2b_319.041
Drum giebt sich Rot und Weiß und Blau p2b_319.042
Als Rheinlands Farbe stolz zur Schau.
p2b_319.043
Zu solcher Stunde treibt hinunter p2b_319.044
Jm bunten Kahn ein Bursch, und munter p2b_319.045
Beschaut er, leis das Steuer regend, p2b_319.046
Ringsum sich Fluß und Berg und Gegend. p2b_319.047
Wo ihm ein Turm vom Ufer winkt, p2b_319.048
Andächtig auf das Knie er sinkt p2b_319.049
Und spricht ein flüchtiges Gebet; p2b_319.050
Doch wo ein hübsches Mädchen geht, p2b_319.051
Der wirft er einen raschen Kuß p2b_319.052
Zum Strand hinüber von dem Fluß. u. s. f.
p2b_319.053
So kam er in ein lieblich Land, p2b_319.054
Zu beiden Seiten ebner Strand; p2b_319.055
Weit ward und breit und tief der Strom, p2b_319.056
Weit oben auch des Himmels Dom, p2b_319.057
Denn rings auf den gestreckten Auen p2b_319.058
War nirgend mehr ein Berg zu schauen. p2b_319.059
Nur eines Lichtes ward er innen p2b_319.060
Am Strand, als ständ's auf hohen Zinnen.
[Spaltenumbruch] p2b_319.101
Da ward er müd; des Schlafes Macht p2b_319.102
Befiel ihn um die Mitternacht, p2b_319.103
Und drückt ihn mit so schweren Lasten, p2b_319.104
Daß er beschloß am Land zu rasten. p2b_319.105
Dran mögt ein Wunder ihr begreifen: p2b_319.106
Ob wir auch selbst ins Weite schweifen, p2b_319.107
Die edle Frau, geheißen Minne, p2b_319.108
Lenkt doch die unbewußten Sinne. p2b_319.109
Sie war's auch, die mit blei'rnem Schlaf p2b_319.110
Des Knaben helles Auge traf, p2b_319.111
Daß er nicht an des Glückes Thüre p2b_319.112
Mit frevler Hast vorüberführe. p2b_319.113
Hier war es, wo sein Lebenslos p2b_319.114
Geworfen lag in Glückesschoß; p2b_319.115
Denn jenes Licht, das er geschaut, p2b_319.116
Vom Fenster kam's der künft'gen Braut, p2b_319.117
Und Liebe kann des Ziels nicht fehlen, p2b_319.118
Magst du auch eigne Pfade wählen.
p2b_319.119
Der Knabe lenkt den Kahn ans Land, p2b_319.120
Daselbst er dürres Riedgras fand; p2b_319.121
Er rüstete sich eine Streu, p2b_319.122
Ein Feuer macht' er ohne Scheu; p2b_319.123
Den Kahn band er ans Ufer fest, p2b_319.124
Und holt vom Hirsche sich den Rest, p2b_319.125
Den er gefällt mit Meisterschuß p2b_319.126
Erst gestern mitten aus dem Fluß. p2b_319.127
Durchs Uferdickicht brach das Tier, p2b_319.128
Um aus dem Flusse sich zu tränken; p2b_319.129
Schon will es der Geweihe Zier p2b_319.130
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Da zielt der Bursch ─ mit krauser Stirn p2b_319.132
Will flink der Hirsch zur Flucht sich wenden, p2b_319.133
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Drei Ellen sprang er hoch und fiel p2b_319.136
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Der Knabe briet sich heut zum Mahl p2b_319.138
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Als Bratspieß dient sein Jägerspeer, p2b_319.142
Jm Jagdhorn trägt das Kraut er her; p2b_319.143
Der Dolch ist gut zum Vorlegmesser, p2b_319.144
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Drauf spricht er seinen Abendsegen, p2b_319.146
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Schließt er zu festem Schlaf in Ruh p2b_319.148
Die beiden hellen Augen zu.
p2b_319.149
Es knistert noch das Feuer lang, p2b_319.150
Der Uhu ruft ─ er hört es nicht; p2b_319.151
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[319/0341] p2b_319.001 IV. Kinkels Otto der Schütz. Dieses Epos erzählt in p2b_319.002 12 Abenteuern, wie Otto (der jüngere Sohn des Landgrafen Heinrich p2b_319.003 von Thüringen) entflieht, weil er Mönch werden soll, wie er den p2b_319.004 Meisterschuß bei einem Schützenfest am Rhein thut, wie er Dienste beim p2b_319.005 Grafen Dietrich nimmt, und zuletzt dessen Tochter Elsbeth trotz Verrat p2b_319.006 und Lebensgefahr gewinnt, sodann Landgraf von Thüringen und p2b_319.007 Hessen wird. p2b_319.008 Probe aus „Otto der Schütz“. p2b_319.009 Erstes Abenteuer. p2b_319.010 Die Rheinfahrt. p2b_319.011 Jn klarer Frühlings-Abendpracht, p2b_319.012 Wenn schon der Sterne Heer erwacht, p2b_319.013 Wenn kühl der Mond im Ost sich hebt, p2b_319.014 Die Flur mit blauem Duft umwebt, p2b_319.015 Jndes im West des Abends Strahlen p2b_319.016 Den Himmel heiß mit Purpur malen: p2b_319.017 Wenn Nachtigallenschlag erschallt p2b_319.018 Und drein im Nachthauch rauscht der Wald; p2b_319.019 Wenn aus des Wassers dumpfer Schwüle p2b_319.020 Der Fisch mit lust'gem Sprung sich schnellt, p2b_319.021 Und in der weichen Schlummerkühle p2b_319.022 So still und heimlich liegt die Welt; p2b_319.023 Wenn in der Uferweiden Dunkel p2b_319.024 Der Elfen Chor den Reigen schlingt, p2b_319.025 Und aus dem Strom ein leis' Gemunkel p2b_319.026 Der Nixen auf zum Lichte klingt: p2b_319.027 Das ist die zauberhafte Stunde, p2b_319.028 Wo Tag und Nacht in gleichem Bunde p2b_319.029 Dich kränzen mit dem schönsten Schein, p2b_319.030 Du Fürst der Ströme, trauter Rhein! p2b_319.031 Auf deinem Grund geschmolzen rollt p2b_319.032 Der Nibelungen rotes Gold; p2b_319.033 Das spielt wie Scharlachfeuerglut p2b_319.034 Herauf ans Licht aus deiner Flut. p2b_319.035 Dein Stromgott tief zum Schlaf sich neigt, p2b_319.036 Sein Odem leis nach oben steigt, p2b_319.037 Das quillt wie weißen Silbers Schaum, p2b_319.038 Und stickt des Goldgewandes Saum, p2b_319.039 Jndes vom Ufer Bergesschatten p2b_319.040 Das lichte Blau dem Purpur gatten. p2b_319.041 Drum giebt sich Rot und Weiß und Blau p2b_319.042 Als Rheinlands Farbe stolz zur Schau. p2b_319.043 Zu solcher Stunde treibt hinunter p2b_319.044 Jm bunten Kahn ein Bursch, und munter p2b_319.045 Beschaut er, leis das Steuer regend, p2b_319.046 Ringsum sich Fluß und Berg und Gegend. p2b_319.047 Wo ihm ein Turm vom Ufer winkt, p2b_319.048 Andächtig auf das Knie er sinkt p2b_319.049 Und spricht ein flüchtiges Gebet; p2b_319.050 Doch wo ein hübsches Mädchen geht, p2b_319.051 Der wirft er einen raschen Kuß p2b_319.052 Zum Strand hinüber von dem Fluß. u. s. f. p2b_319.053 So kam er in ein lieblich Land, p2b_319.054 Zu beiden Seiten ebner Strand; p2b_319.055 Weit ward und breit und tief der Strom, p2b_319.056 Weit oben auch des Himmels Dom, p2b_319.057 Denn rings auf den gestreckten Auen p2b_319.058 War nirgend mehr ein Berg zu schauen. p2b_319.059 Nur eines Lichtes ward er innen p2b_319.060 Am Strand, als ständ's auf hohen Zinnen. p2b_319.101 Da ward er müd; des Schlafes Macht p2b_319.102 Befiel ihn um die Mitternacht, p2b_319.103 Und drückt ihn mit so schweren Lasten, p2b_319.104 Daß er beschloß am Land zu rasten. p2b_319.105 Dran mögt ein Wunder ihr begreifen: p2b_319.106 Ob wir auch selbst ins Weite schweifen, p2b_319.107 Die edle Frau, geheißen Minne, p2b_319.108 Lenkt doch die unbewußten Sinne. p2b_319.109 Sie war's auch, die mit blei'rnem Schlaf p2b_319.110 Des Knaben helles Auge traf, p2b_319.111 Daß er nicht an des Glückes Thüre p2b_319.112 Mit frevler Hast vorüberführe. p2b_319.113 Hier war es, wo sein Lebenslos p2b_319.114 Geworfen lag in Glückesschoß; p2b_319.115 Denn jenes Licht, das er geschaut, p2b_319.116 Vom Fenster kam's der künft'gen Braut, p2b_319.117 Und Liebe kann des Ziels nicht fehlen, p2b_319.118 Magst du auch eigne Pfade wählen. p2b_319.119 Der Knabe lenkt den Kahn ans Land, p2b_319.120 Daselbst er dürres Riedgras fand; p2b_319.121 Er rüstete sich eine Streu, p2b_319.122 Ein Feuer macht' er ohne Scheu; p2b_319.123 Den Kahn band er ans Ufer fest, p2b_319.124 Und holt vom Hirsche sich den Rest, p2b_319.125 Den er gefällt mit Meisterschuß p2b_319.126 Erst gestern mitten aus dem Fluß. p2b_319.127 Durchs Uferdickicht brach das Tier, p2b_319.128 Um aus dem Flusse sich zu tränken; p2b_319.129 Schon will es der Geweihe Zier p2b_319.130 Zum klaren Spiegel niedersenken, p2b_319.131 Da zielt der Bursch ─ mit krauser Stirn p2b_319.132 Will flink der Hirsch zur Flucht sich wenden, p2b_319.133 Da trifft ihn mitten durch das Hirn p2b_319.134 Ein Bolz, geschnellt von sichern Händen; p2b_319.135 Drei Ellen sprang er hoch und fiel p2b_319.136 Dem Schützen, der nicht fehlt sein Ziel. p2b_319.137 Der Knabe briet sich heut zum Mahl p2b_319.138 Den Ziemer, und beim Mondenstrahl p2b_319.139 Sucht bitt're Kräuter er als Würze. p2b_319.140 Ein Blatt ist Handtuch ihm und Schürze, p2b_319.141 Als Bratspieß dient sein Jägerspeer, p2b_319.142 Jm Jagdhorn trägt das Kraut er her; p2b_319.143 Der Dolch ist gut zum Vorlegmesser, p2b_319.144 Wenn du nur bist ein guter Esser. p2b_319.145 Drauf spricht er seinen Abendsegen, p2b_319.146 Und ohne weiter Überlegen p2b_319.147 Schließt er zu festem Schlaf in Ruh p2b_319.148 Die beiden hellen Augen zu. p2b_319.149 Es knistert noch das Feuer lang, p2b_319.150 Der Uhu ruft ─ er hört es nicht; p2b_319.151 Es rauscht der Rhein den Wellensang, p2b_319.152 Die Elfe klagt ─ ihn stört es nicht. p2b_319.153 Denn in der Engel treuer Wacht p2b_319.154 Verschläft er fest die ganze Nacht.

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David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/341>, abgerufen am 22.11.2024.