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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Die bedeutende Jdee des modernen Romans muß auch ein kulturhistorisches p2b_355.002
Ziel haben. Dies ist beispielsweise bei der Jdee der Liebe der Fall, p2b_355.003
die alle Seiten des Menschenlebens umfaßt, die ihre Stätte im Palast, wie p2b_355.004
in der Hütte, bei allen Ständen und Bildungsgraden hat, und die uns imponiert, p2b_355.005
weil wir hier das Rein- und Edelmenschlich-Jdeale symbolisch im edlen p2b_355.006
Weibe anschauen.

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Dies ist auch bei der Jdee der Bildung der Fall, da die Bildung den p2b_355.008
Wunderbau der modernen Kultur ausführt. Dies ist ferner bei allen religiösen, p2b_355.009
philosophischen Jdeen der Fall.

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4. Der Träger der Jdee ist der Held (§ 132). So ist Georg Hartwig p2b_355.011
in Spielhagens Hammer und Ambos der Träger der Jdee der materiellen p2b_355.012
Arbeit; der Professor in Freytags Verlorene Handschrift Träger der p2b_355.013
Jdee der geistigen Arbeit; Erich im Landhaus am Rhein Träger der p2b_355.014
Jdee des Humanismus u. s. w.

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Jm sogenannten Entwickelungsroman, der in streng stufenweiser p2b_355.016
Folge das Keimen und Erwachen der Jdee bis zum Kampf p2b_355.017
um dieselbe und bis zu ihrem endlichen Sieg darstellt,
wird p2b_355.018
die Jdee dem Helden zum Jdeal. Leo Gutmann (in Reih und Glied) p2b_355.019
ersehnt schon als Kind das Wohl seiner Nebenmenschen und entschließt sich p2b_355.020
deshalb, als Missionär zu den Wilden zu gehen. - Anton Wohlfahrt (in p2b_355.021
Soll und Haben) schwärmt bereits als Knabe für die weltumschließenden p2b_355.022
Erfolge eines großen Kaufmanns und läßt schon im Keime die Jdee erkennen, p2b_355.023
die später sein Jdeal wird.

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5. Die Jdee muß sich lediglich in ihrer Ausbreitung und in ihrem Sieg p2b_355.025
als bedeutend erweisen, nicht aber darf der Dichter die Jdee als bedeutend p2b_355.026
dadurch hinstellen, daß er sie als die allein gültige und richtige rühmt, wenn p2b_355.027
sein Kunstwerk nicht den Charakter des Prätentiösen, spezifisch Tendentiösen erhalten p2b_355.028
soll. Jn dieser Beziehung fehlt Sacher-Masoch in Die Jdeale p2b_355.029
unserer Zeit,
indem er schwächliche Figuren als Repräsentanten unseres p2b_355.030
modernen Deutschland hinstellt; ebenso Laicus, der alle Freimaurer bekämpft, p2b_355.031
ohne nur einen einzigen derselben zu kennen u. s. w. Der objektive Spielhagen p2b_355.032
fehlt nicht. Seine Romane scheinen gegen verschiedene Typen der Gesellschaft p2b_355.033
gerichtet zu sein, und sie werden doch zuletzt allen gerecht.

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Eine bedeutende Jdee wird immer Freunde und Gegner haben müssen. p2b_355.035
Es ist dies ja erklärlich. Darum ist aber auch der endliche Sieg der Jdee von p2b_355.036
Bedeutung. Erst bei vollendetem Triumph derselben ist es dem Dichter möglich, p2b_355.037
das Ende des Romans zu einer Symbolisierung der Jdee zu gestalten. p2b_355.038
(Vgl. Auerbachs Landhaus am Rhein, wo die Jdee der p2b_355.039
Humanität einen glänzenden Ausdruck im Kriege der amerikanischen Nordstaaten p2b_355.040
gegen den Süden als den Verteidiger der Sklaverei findet.) Diese Symbolisierung p2b_355.041
der Jdee ist eine der bedeutendsten Aufgaben des Romans, p2b_355.042
der auf den Gebieten des Geistes seine Schlachten schlägt.

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Die bedeutende Jdee des modernen Romans muß auch ein kulturhistorisches p2b_355.002
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/377>, abgerufen am 22.11.2024.