p2b_447.001 Aber ungebeugt fühlt er sich im Glauben an die glückverheißenden Gestirne; p2b_447.002 hoffnungsvoll zieht er in Eger ein, das sein Grab werden soll. Ergreifend p2b_447.003 wirkt das menschlich innige Fühlen Wallensteins. Angesichts der schlimmen p2b_447.004 Konstellation drängt sich ihm der Gedanke an die Vergänglichkeit auf. Er p2b_447.005 stellt Betrachtungen über den Tod des Max an. Diese Milde im Unglück p2b_447.006 ergreift uns tief. Wir erkennen: Wallenstein ist ein Held, der ein menschliches p2b_447.007 Herz hat, das wie das unserige empfindet, das des Lebens Lust und Leid zu p2b_447.008 erfassen vermag. Dies zeigt der Schluß der Tragödie, und dies sichert dem p2b_447.009 Helden unsere herzlichste Anteilnahme an seinem Unglücke zu.
p2b_447.010 Trotz aller Warnungen geht er ruhig zu Bette. Wehmütig fühlen wir p2b_447.011 die rührende Katastrophe, und es ergreift uns die Doppeldeutigkeit der so absichtslos p2b_447.012 gesprochenen letzten Worte mit tragischer Gewalt: "Jch denke einen p2b_447.013 langen Schlaf zu thun."
p2b_447.014 2. Die Gräfin Terzky. Sie ist eine hochverständige, klug berechnende, p2b_447.015 weltgewandte Frau. Sie redet sich ein, daß es ihrem Bruder um die Krone p2b_447.016 Böhmens zu thun sei, und weiß ihn durch alle Künste der Überredung dahin p2b_447.017 zu bringen, gegen den Kaiser in Aufwallung zu geraten und ihre Gedanken für p2b_447.018 die seinigen zu halten. Unermüdet ist sie den Plänen des Bruders zugethan; p2b_447.019 sie ist überall thätig und hat einen wesentlichen Anteil am Verhältnis des p2b_447.020 Max zu Thekla. Sie kann das tragische Ende des Bruders nicht überleben p2b_447.021 und zeigt sich als eine wirkliche Heldin, die durch den Tod sühnt, was sie p2b_447.022 durch ihren Anteil an der Katastrophe verschuldete.
p2b_447.023 3. Max. Ein herrlicher, großangelegter Charakter voll Kraft, Unschuld und p2b_447.024 Reinheit der Gesinnung, voll Milde, Freundschaft und Treue. Er erscheint p2b_447.025 wie ein guter Genius unter all den finstern Gestalten in Wallensteins unheilbringender p2b_447.026 Umgebung. Ohne Falsch steht er den Machinationen seiner Umgebung p2b_447.027 gegenüber da. Nicht einen Augenblick strauchelt er auf den Pfaden p2b_447.028 der Wahrheit und des Rechts. Offenen Blicks tritt er an Wallenstein hinan p2b_447.029 und bietet alles auf, diesen zur Pflicht zurückzuführen. Wallenstein läßt ihn p2b_447.030 in sein Herz sehen und gesteht, daß es für ihn leider keine Wahl mehr gebe. p2b_447.031 Da trennt sich Max blutenden Herzens.
p2b_447.032 Es zeugt von der tiefsten Kenntnis des menschlichen Herzens, wie der p2b_447.033 Dichter den Abschied des Max von der Thekla darstellt.
p2b_447.034 Diese Scene ist von einer wunderbaren Schönheit und Gewalt. Aus p2b_447.035 allen Versuchungen geht Max rein und siegreich hervor. Er läßt Thekla entscheiden p2b_447.036 und diese bestärkt ihn in der Treue gegen den Kaiser. Liebe und p2b_447.037 Pflichtgefühl kämpfen den schwersten Kampf. Aber er folgt der Pflicht und p2b_447.038 geht - in den Tod, den er im Kampf mit den Schweden findet.
p2b_447.039 4. Thekla. Eine ebenso bedeutende, ja, in vielen Stücken noch wunderbarere p2b_447.040 Figur ist Thekla. Sie ist unschuldig und wahr - wie Max. Dazu p2b_447.041 hat ihr die Natur die sanften Saiten des Herzens ihrer Mutter gegeben. p2b_447.042 Unverbildet aus der klösterlichen Erziehung hervorgegangen, ist sie tief empfänglich p2b_447.043 für die Liebe zu Max, der ihr ganzes Herz erfüllt. Sie gelobt Treue p2b_447.044 und übt sie; ja, sie beweist die Treue durch Aufopferung in Beantwortung
p2b_447.001 Aber ungebeugt fühlt er sich im Glauben an die glückverheißenden Gestirne; p2b_447.002 hoffnungsvoll zieht er in Eger ein, das sein Grab werden soll. Ergreifend p2b_447.003 wirkt das menschlich innige Fühlen Wallensteins. Angesichts der schlimmen p2b_447.004 Konstellation drängt sich ihm der Gedanke an die Vergänglichkeit auf. Er p2b_447.005 stellt Betrachtungen über den Tod des Max an. Diese Milde im Unglück p2b_447.006 ergreift uns tief. Wir erkennen: Wallenstein ist ein Held, der ein menschliches p2b_447.007 Herz hat, das wie das unserige empfindet, das des Lebens Lust und Leid zu p2b_447.008 erfassen vermag. Dies zeigt der Schluß der Tragödie, und dies sichert dem p2b_447.009 Helden unsere herzlichste Anteilnahme an seinem Unglücke zu.
p2b_447.010 Trotz aller Warnungen geht er ruhig zu Bette. Wehmütig fühlen wir p2b_447.011 die rührende Katastrophe, und es ergreift uns die Doppeldeutigkeit der so absichtslos p2b_447.012 gesprochenen letzten Worte mit tragischer Gewalt: „Jch denke einen p2b_447.013 langen Schlaf zu thun.“
p2b_447.014 2. Die Gräfin Terzky. Sie ist eine hochverständige, klug berechnende, p2b_447.015 weltgewandte Frau. Sie redet sich ein, daß es ihrem Bruder um die Krone p2b_447.016 Böhmens zu thun sei, und weiß ihn durch alle Künste der Überredung dahin p2b_447.017 zu bringen, gegen den Kaiser in Aufwallung zu geraten und ihre Gedanken für p2b_447.018 die seinigen zu halten. Unermüdet ist sie den Plänen des Bruders zugethan; p2b_447.019 sie ist überall thätig und hat einen wesentlichen Anteil am Verhältnis des p2b_447.020 Max zu Thekla. Sie kann das tragische Ende des Bruders nicht überleben p2b_447.021 und zeigt sich als eine wirkliche Heldin, die durch den Tod sühnt, was sie p2b_447.022 durch ihren Anteil an der Katastrophe verschuldete.
p2b_447.023 3. Max. Ein herrlicher, großangelegter Charakter voll Kraft, Unschuld und p2b_447.024 Reinheit der Gesinnung, voll Milde, Freundschaft und Treue. Er erscheint p2b_447.025 wie ein guter Genius unter all den finstern Gestalten in Wallensteins unheilbringender p2b_447.026 Umgebung. Ohne Falsch steht er den Machinationen seiner Umgebung p2b_447.027 gegenüber da. Nicht einen Augenblick strauchelt er auf den Pfaden p2b_447.028 der Wahrheit und des Rechts. Offenen Blicks tritt er an Wallenstein hinan p2b_447.029 und bietet alles auf, diesen zur Pflicht zurückzuführen. Wallenstein läßt ihn p2b_447.030 in sein Herz sehen und gesteht, daß es für ihn leider keine Wahl mehr gebe. p2b_447.031 Da trennt sich Max blutenden Herzens.
p2b_447.032 Es zeugt von der tiefsten Kenntnis des menschlichen Herzens, wie der p2b_447.033 Dichter den Abschied des Max von der Thekla darstellt.
p2b_447.034 Diese Scene ist von einer wunderbaren Schönheit und Gewalt. Aus p2b_447.035 allen Versuchungen geht Max rein und siegreich hervor. Er läßt Thekla entscheiden p2b_447.036 und diese bestärkt ihn in der Treue gegen den Kaiser. Liebe und p2b_447.037 Pflichtgefühl kämpfen den schwersten Kampf. Aber er folgt der Pflicht und p2b_447.038 geht ─ in den Tod, den er im Kampf mit den Schweden findet.
p2b_447.039 4. Thekla. Eine ebenso bedeutende, ja, in vielen Stücken noch wunderbarere p2b_447.040 Figur ist Thekla. Sie ist unschuldig und wahr ─ wie Max. Dazu p2b_447.041 hat ihr die Natur die sanften Saiten des Herzens ihrer Mutter gegeben. p2b_447.042 Unverbildet aus der klösterlichen Erziehung hervorgegangen, ist sie tief empfänglich p2b_447.043 für die Liebe zu Max, der ihr ganzes Herz erfüllt. Sie gelobt Treue p2b_447.044 und übt sie; ja, sie beweist die Treue durch Aufopferung in Beantwortung
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/469>, abgerufen am 22.11.2024.
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