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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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auf die guten und schlechten Seiten derselben aufmerksam. Jhre Lippen umschwebt p2b_027.002
ein launiges Lächeln, wenn einer ihrer Lieblinge irgend eine Thorheit p2b_027.003
begeht. Aber die Kinder werden größer, sie werden den Stürmen des Lebens p2b_027.004
ausgesetzt, ihr Charakter bewährt sich. Nun bekommt die Dichterin selbst Respekt p2b_027.005
vor ihren Zöglingen. Sie wird ernst und steht dem jungen Herzen als treue p2b_027.006
Ratgeberin zur Seite. Wo aber endlich das Gefühl über Phantasie und p2b_027.007
Verstand triumphiert, da kommt der sentimentale Stil zum Vorschein. Der p2b_027.008
Dichter steht gleichsam unter seinem Stoffe und schaut mit Ehrfurcht zu ihm p2b_027.009
herauf. Sein Gegenstand begeistert ihn, er ist mehr Redner als Erzähler; er p2b_027.010
kennt die Wirkungen der Rhetorik und sucht mit ihren Mitteln zu wirken, die p2b_027.011
Gesetze der Objektivität sind ihm fremd. Unzweifelhaft ist der objektive (naive) p2b_027.012
Stil der dem Wesen der Dichtkunst am Meisten entsprechende. Er verleiht p2b_027.013
dem Kunstwerk einen großen Teil von Selbständigkeit. Zugleich aber bekundet p2b_027.014
er, daß der Dichter den höchsten Gipfel seiner Kunst erreicht hat.

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Proben des epischen Stils:

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a. Naiver Stil. (Bruchstück aus Goethes "Wilhelm Meister". Werke p2b_027.017
XVI. S. 102.)

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"Ein Mädchen, das Rosen und andere Blumen herumtrug, bot ihm ihren p2b_027.019
Korb dar, und er kaufte sich einen schönen Strauß, den er mit Liebhaberei p2b_027.020
anders band und mit Zufriedenheit betrachtete, als das Fenster eines an der p2b_027.021
Seite des Platzes stehenden andern Gasthauses sich aufthat, und ein wohlgebildetes p2b_027.022
Frauenzimmer sich an demselben zeigte. Er konnte ungeachtet der p2b_027.023
Entfernung bemerken, daß eine angenehme Heiterkeit ihr Gesicht belebte. Jhre p2b_027.024
blonden Haare fielen nachlässig aufgelöst um ihren Nacken; sie schien sich nach p2b_027.025
dem Fremden umzusehen. Einige Zeit darauf trat ein Knabe, der eine Frisierschürze p2b_027.026
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Hauses, ging auf Wilhelmen zu, begrüßte ihn und sagte: Das Frauenzimmer p2b_027.028
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abtreten wollen? - Sie stehen ihr alle zu Diensten, versetzte Wilhelm, indem p2b_027.030
er dem leichten Boten das Bouquet überreichte, und zugleich der Schönen ein p2b_027.031
Kompliment machte, welches sie mit einem freundlichen Gegengruß erwiderte, p2b_027.032
und sich vom Fenster zurückzog. Nachdenkend über dieses artige Abenteuer p2b_027.033
ging er nach seinem Zimmer die Treppe hinauf, als ein junges Geschöpf ihm p2b_027.034
entgegen sprang, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein kurzes seidenes p2b_027.035
Westchen mit geschlitzten spanischen Ärmeln, knappe lange Beinkleider mit Puffen p2b_027.036
standen dem Kinde gar artig. Lange schwarze Haare waren in Locken und p2b_027.037
Zöpfen um den Kopf gekräuselt und gewunden. Er sah die Gestalt mit Verwunderung p2b_027.038
an u. s. w." (Vgl. Bd. I S. 103.)

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b. Jronischer Stil. (Bruchstück aus Jean Pauls Belagerung der p2b_027.040
Reichsfestung Ziebingen.)

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Das Reichsstädtchen Diebsfehra - nicht das meißnische Dorf - besaß p2b_027.042
mit Ziebingen auf den Grenzen eine Gemeinehut, worauf beide Städte ihre p2b_027.043
Gänse weiden durften. Unglücklicher Weise fiel den 4. Mai ein so starker

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auf die guten und schlechten Seiten derselben aufmerksam. Jhre Lippen umschwebt p2b_027.002
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Reichsfestung Ziebingen.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/49>, abgerufen am 24.11.2024.