p2b_469.001 von Sakuntala lieferte ferner Wilh. Gerhard (Leipzig 1820). Den Bearbeitungen p2b_469.002 von Lobedanz (1851) und Meier (Stuttg. 1852) folgte die Übersetzung p2b_469.003 Rückerts (Nachlaß 1867), worauf A. Donsdorf und Wolzogenp2b_469.004 Sakuntala (mit geringem Erfolg) für die deutsche Bühne bearbeitet haben.
p2b_469.005 Das Drama bietet die zarteste Schicksalsfabel und gehört durch Glut der p2b_469.006 Phantasie und Mannigfaltigkeit der farbenreichsten Bilder zum Besten, was die p2b_469.007 indische Poesie geliefert hat und welches in wahrhaft Goethe'scher Vollendung p2b_469.008 sich uns vor die Augen stellt. Es ist eine Episode aus dem Mahabharata p2b_469.009 und wird dem indischen Calderon, Kalidasa, zugeschrieben. Dieser blühte unter p2b_469.010 der Regierung Wikramaditja's, von welchem die indische Zeitrechnung sich herschreibt, p2b_469.011 und der "den neunfachen Perlenschmuck" - die ausgezeichnetsten Geister p2b_469.012 seines Volks - um sich versammelte. Kalidasa war also ein (nur etwas älterer) p2b_469.013 Zeitgenosse der römischen Dichter Vergil, Horaz, Tibull und Properz, sowie sein Gebieter p2b_469.014 ziemlich gleichzeitig mit dem Diktator Cäsar regierte. Er hat auch das Drama p2b_469.015 Urwasei (eigentlich Vikramorwasi == Tapferkeits-Urwasi) geschrieben, das von p2b_469.016 Wilson in's Englische und von Höfer (Berlin 1837) in's Deutsche übersetzt wurde.
p2b_469.017 Jnhalt von Sakuntala: Der König Duschianta verirrt sich auf der Jagd p2b_469.018 in die Einsiedelei Kanwa's. Hier sieht er die Büßerjungfrau Sakuntala, vermählt p2b_469.019 sich mit ihr nach Gandharverweise und übergiebt ihr einen Ring mit p2b_469.020 dem Versprechen, sie abholen zu lassen. Als sie später, in Gedanken versunken, p2b_469.021 einen Einlaß begehrenden Brahmanen einzulassen versäumt, flucht dieser, Duschianta p2b_469.022 möge sie vergessen und sie nur wieder bei Anblick seines Ringes erkennen. p2b_469.023 Kanwa sendet Sakuntala zu Duschianta; da verliert sie beim Baden p2b_469.024 den Ring. Der Fluch wirkt. Duschianta will sich trotz versuchten Auffrischens p2b_469.025 seiner Erinnerung nicht entsinnen, sie gesehen zu haben. Als sodann ihre Mutter, p2b_469.026 die Fee Menaka, sie entführt hat, bringt ein Fischer dem Könige den Ring, und p2b_469.027 Duschianta wird nun von Sehnsucht nach seiner Gemahlin fast verzehrt. Der p2b_469.028 Wagenlenker Jndra's fährt ihn endlich zu ihr - nach dem Lustorte Jndra's, wo p2b_469.029 die Nymphen und unschuldig Verfolgten wohnen. Hier gewahrt er zuerst seinen p2b_469.030 Sohn, der mit einem Löwen spielt; dann findet er Sakuntala, deren Verzeihung p2b_469.031 er erbittet, worauf er beglückt mit ihr in sein Reich zurückkehrt.
p2b_469.032 3. Dora von V. Sardou. (Deutsch von Schilcher.)
p2b_469.033 Dieses gut übersetzte, zum deutschen Repertoirestück gewordene espritreiche p2b_469.034 Schauspiel ist mehr als andere geeignet, das Geheimnis eines wirksamen Bühnendramas, p2b_469.035 eines das heutige Publikum begeisternden französisch=theatralischen Stückes, p2b_469.036 erkennen zu lassen.
p2b_469.037 Sardou, der im Ganzen satirisch angelegte Dichter, verstand es in diesem p2b_469.038 Stücke, das er, im Gegensatz zu anderen Dichtern, denen der Salon nur Versammlungsort p2b_469.039 ist, aus dem Salon emporsprießen läßt, aus anekdotenhaften mosaikartig p2b_469.040 verwebten Bildern der ersten Akte die Handlung erstehen zu lassen. Dabei unterscheidet p2b_469.041 sich das Stück durch sein ethisches Prinzip vorteilhaft von der üblichen p2b_469.042 Frivolität des französischen Konversationsspiels, obwohl es auf dem nicht zu verleugnenden p2b_469.043 Boden französischer Sittenzustände aufgebaut ist. Ausgestattet mit der p2b_469.044 staunenswerten Fähigkeit des französischen Schauspiels der neueren Zeit, durch
p2b_469.001 von Sakuntala lieferte ferner Wilh. Gerhard (Leipzig 1820). Den Bearbeitungen p2b_469.002 von Lobedanz (1851) und Meier (Stuttg. 1852) folgte die Übersetzung p2b_469.003 Rückerts (Nachlaß 1867), worauf A. Donsdorf und Wolzogenp2b_469.004 Sakuntala (mit geringem Erfolg) für die deutsche Bühne bearbeitet haben.
p2b_469.005 Das Drama bietet die zarteste Schicksalsfabel und gehört durch Glut der p2b_469.006 Phantasie und Mannigfaltigkeit der farbenreichsten Bilder zum Besten, was die p2b_469.007 indische Poesie geliefert hat und welches in wahrhaft Goethe'scher Vollendung p2b_469.008 sich uns vor die Augen stellt. Es ist eine Episode aus dem Mahâbhârata p2b_469.009 und wird dem indischen Calderon, Kalidâsa, zugeschrieben. Dieser blühte unter p2b_469.010 der Regierung Wikramâditja's, von welchem die indische Zeitrechnung sich herschreibt, p2b_469.011 und der „den neunfachen Perlenschmuck“ ─ die ausgezeichnetsten Geister p2b_469.012 seines Volks ─ um sich versammelte. Kâlidâsa war also ein (nur etwas älterer) p2b_469.013 Zeitgenosse der römischen Dichter Vergil, Horaz, Tibull und Properz, sowie sein Gebieter p2b_469.014 ziemlich gleichzeitig mit dem Diktator Cäsar regierte. Er hat auch das Drama p2b_469.015 Urwasî (eigentlich Vikramorwasi == Tapferkeits-Urwasi) geschrieben, das von p2b_469.016 Wilson in's Englische und von Höfer (Berlin 1837) in's Deutsche übersetzt wurde.
p2b_469.017 Jnhalt von Sakuntala: Der König Duschianta verirrt sich auf der Jagd p2b_469.018 in die Einsiedelei Kanwa's. Hier sieht er die Büßerjungfrau Sakuntala, vermählt p2b_469.019 sich mit ihr nach Gandharverweise und übergiebt ihr einen Ring mit p2b_469.020 dem Versprechen, sie abholen zu lassen. Als sie später, in Gedanken versunken, p2b_469.021 einen Einlaß begehrenden Brahmanen einzulassen versäumt, flucht dieser, Duschianta p2b_469.022 möge sie vergessen und sie nur wieder bei Anblick seines Ringes erkennen. p2b_469.023 Kanwa sendet Sakuntala zu Duschianta; da verliert sie beim Baden p2b_469.024 den Ring. Der Fluch wirkt. Duschianta will sich trotz versuchten Auffrischens p2b_469.025 seiner Erinnerung nicht entsinnen, sie gesehen zu haben. Als sodann ihre Mutter, p2b_469.026 die Fee Menaka, sie entführt hat, bringt ein Fischer dem Könige den Ring, und p2b_469.027 Duschianta wird nun von Sehnsucht nach seiner Gemahlin fast verzehrt. Der p2b_469.028 Wagenlenker Jndra's fährt ihn endlich zu ihr ─ nach dem Lustorte Jndra's, wo p2b_469.029 die Nymphen und unschuldig Verfolgten wohnen. Hier gewahrt er zuerst seinen p2b_469.030 Sohn, der mit einem Löwen spielt; dann findet er Sakuntala, deren Verzeihung p2b_469.031 er erbittet, worauf er beglückt mit ihr in sein Reich zurückkehrt.
p2b_469.032 3. Dora von V. Sardou. (Deutsch von Schilcher.)
p2b_469.033 Dieses gut übersetzte, zum deutschen Repertoirestück gewordene espritreiche p2b_469.034 Schauspiel ist mehr als andere geeignet, das Geheimnis eines wirksamen Bühnendramas, p2b_469.035 eines das heutige Publikum begeisternden französisch=theatralischen Stückes, p2b_469.036 erkennen zu lassen.
p2b_469.037 Sardou, der im Ganzen satirisch angelegte Dichter, verstand es in diesem p2b_469.038 Stücke, das er, im Gegensatz zu anderen Dichtern, denen der Salon nur Versammlungsort p2b_469.039 ist, aus dem Salon emporsprießen läßt, aus anekdotenhaften mosaikartig p2b_469.040 verwebten Bildern der ersten Akte die Handlung erstehen zu lassen. Dabei unterscheidet p2b_469.041 sich das Stück durch sein ethisches Prinzip vorteilhaft von der üblichen p2b_469.042 Frivolität des französischen Konversationsspiels, obwohl es auf dem nicht zu verleugnenden p2b_469.043 Boden französischer Sittenzustände aufgebaut ist. Ausgestattet mit der p2b_469.044 staunenswerten Fähigkeit des französischen Schauspiels der neueren Zeit, durch
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von Sakuntala lieferte ferner Wilh. Gerhard (Leipzig 1820). Den Bearbeitungen p2b_469.002
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Rückerts (Nachlaß 1867), worauf A. Donsdorf und Wolzogen p2b_469.004
Sakuntala (mit geringem Erfolg) für die deutsche Bühne bearbeitet haben.
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Das Drama bietet die zarteste Schicksalsfabel und gehört durch Glut der p2b_469.006
Phantasie und Mannigfaltigkeit der farbenreichsten Bilder zum Besten, was die p2b_469.007
indische Poesie geliefert hat und welches in wahrhaft Goethe'scher Vollendung p2b_469.008
sich uns vor die Augen stellt. Es ist eine Episode aus dem Mahâbhârata p2b_469.009
und wird dem indischen Calderon, Kalidâsa, zugeschrieben. Dieser blühte unter p2b_469.010
der Regierung Wikramâditja's, von welchem die indische Zeitrechnung sich herschreibt, p2b_469.011
und der „den neunfachen Perlenschmuck“ ─ die ausgezeichnetsten Geister p2b_469.012
seines Volks ─ um sich versammelte. Kâlidâsa war also ein (nur etwas älterer) p2b_469.013
Zeitgenosse der römischen Dichter Vergil, Horaz, Tibull und Properz, sowie sein Gebieter p2b_469.014
ziemlich gleichzeitig mit dem Diktator Cäsar regierte. Er hat auch das Drama p2b_469.015
Urwasî (eigentlich Vikramorwasi == Tapferkeits-Urwasi) geschrieben, das von p2b_469.016
Wilson in's Englische und von Höfer (Berlin 1837) in's Deutsche übersetzt wurde.
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Jnhalt von Sakuntala: Der König Duschianta verirrt sich auf der Jagd p2b_469.018
in die Einsiedelei Kanwa's. Hier sieht er die Büßerjungfrau Sakuntala, vermählt p2b_469.019
sich mit ihr nach Gandharverweise und übergiebt ihr einen Ring mit p2b_469.020
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einen Einlaß begehrenden Brahmanen einzulassen versäumt, flucht dieser, Duschianta p2b_469.022
möge sie vergessen und sie nur wieder bei Anblick seines Ringes erkennen. p2b_469.023
Kanwa sendet Sakuntala zu Duschianta; da verliert sie beim Baden p2b_469.024
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Duschianta wird nun von Sehnsucht nach seiner Gemahlin fast verzehrt. Der p2b_469.028
Wagenlenker Jndra's fährt ihn endlich zu ihr ─ nach dem Lustorte Jndra's, wo p2b_469.029
die Nymphen und unschuldig Verfolgten wohnen. Hier gewahrt er zuerst seinen p2b_469.030
Sohn, der mit einem Löwen spielt; dann findet er Sakuntala, deren Verzeihung p2b_469.031
er erbittet, worauf er beglückt mit ihr in sein Reich zurückkehrt.
p2b_469.032
3. Dora von V. Sardou. (Deutsch von Schilcher.)
p2b_469.033
Dieses gut übersetzte, zum deutschen Repertoirestück gewordene espritreiche p2b_469.034
Schauspiel ist mehr als andere geeignet, das Geheimnis eines wirksamen Bühnendramas, p2b_469.035
eines das heutige Publikum begeisternden französisch=theatralischen Stückes, p2b_469.036
erkennen zu lassen.
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Sardou, der im Ganzen satirisch angelegte Dichter, verstand es in diesem p2b_469.038
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ist, aus dem Salon emporsprießen läßt, aus anekdotenhaften mosaikartig p2b_469.040
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sich das Stück durch sein ethisches Prinzip vorteilhaft von der üblichen p2b_469.042
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/491>, abgerufen am 22.11.2024.
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