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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Der Gesang ist freilich zuweilen in Jnterjektionen der Leidenschaft zerpflückt, p2b_527.002
noch dazu in Superlativen, die als Ausdruck der gespanntesten Seelenzustände p2b_527.003
gerechtfertigt sind; aber das Leitmotiv kommt doch einer Symbolisierung der p2b_527.004
Jdee gleich. Des Meisters Prinzip ist daran schuld, daß es zu eigentlichen p2b_527.005
Liebesduetten, die mehr als im recitierenden Drama im Gesungenen fesseln, p2b_527.006
selten kommt.

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3. Als Gesamtresultat des Wagnerschen Schaffens tritt uns übrigens p2b_527.008
allenthalben als vornehmstes dramatisches Leitmotiv die dämonische Elementargewalt p2b_527.009
der Liebe entgegen. Von ihr hat der Tannhäuser das spezifische p2b_527.010
Stimmungskolorit erhalten, sie durchstrahlt das Verhalten Sentas zum Holländer, p2b_527.011
Elsas zu Lohengrin; sie reißt den Bruder in die Arme der Schwester und p2b_527.012
treibt Brunhilde zum Sprung in den lodernden Scheiterhaufen &c.

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§ 192. Vorschriften, Gesichtspunkte und Winke für die p2b_527.014
Librettodichtung, und Beispiele besserer Librettos.

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1. Bei der Bearbeitung von Librettos hat der Dichter besondere p2b_527.016
Rücksicht zu nehmen auf den eigenartigen Stoff, ferner auf die Charaktere, p2b_527.017
wie auf die einzelnen zu komponierenden Teile.

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2. Der Stoff der Oper darf romantische Färbung haben.

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3. Der Dichter mag sich seinen Librettostoff so gliedern, wie es p2b_527.020
Vischer gethan hat (§ 189 d. Bds.), jedoch mit der Rücksichtnahme für p2b_527.021
den Komponisten, daß er seine Materie nur in 3, nicht aber in 5 p2b_527.022
Gruppen einteilt.

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1. Die gegensätzliche Beziehung der musikalischen Dramen zu den unmusikalischen p2b_527.024
bedingt selbstredend eine abweichende Behandlung in der Gestaltung p2b_527.025
der ersteren. Das Opernlibretto muß vor allem eine Handlung wählen, die p2b_527.026
sich in Empfindung umsetzen läßt. Aus diesem Grunde darf der Dichter keine p2b_527.027
historische Jntrigue wählen, die sich gedanklich abschließt, also auch keine Staatsaktionen. p2b_527.028
(Beispielsweise eignen sich Stoffe wie Don Carlos nicht zur Oper.)

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Bei den Stoffen ist sodann das Nacheinander, die Gruppierung in der p2b_527.030
Scenerie zu berücksichtigen. Wagners Behandlung in dieser Beziehung ist p2b_527.031
mustergültig. Man denke an Tannhäuser, wo eines dem andern in dramatischer p2b_527.032
Belebung folgt: Venusberg, Verbannung, Wartburg, das Geläute der p2b_527.033
Glocken &c. Oder an den fliegenden Holländer mit seinen Kontrasten: hier p2b_527.034
die trauliche Stube, dort das Meer &c. Solche Kontraste muß der Dichter p2b_527.035
aufsuchen;
sie sind dem Komponisten unentbehrlich. Weiter muß der Operntext p2b_527.036
Personen bringen, die unserer Gegenwart einigermaßen durch Raum und Zeit p2b_527.037
fern gerückt sind. (Beispielsweise kann man Karl den Großen recht wohl als p2b_527.038
Opernfigur bringen, nicht aber Napoleon III. &c.)

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Was die Teile der Oper betrifft, so hat der Dichter besondere Rücksicht p2b_527.040
den Chören zu widmen. Der Chor hat bei uns eine weit höhere Mission, p2b_527.041
als z. B. bei den Jtalienern, die sich während der Chöre stets lebhaft unterhalten.

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Der Gesang ist freilich zuweilen in Jnterjektionen der Leidenschaft zerpflückt, p2b_527.002
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§ 192. Vorschriften, Gesichtspunkte und Winke für die p2b_527.014
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1. Bei der Bearbeitung von Librettos hat der Dichter besondere p2b_527.016
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Bei den Stoffen ist sodann das Nacheinander, die Gruppierung in der p2b_527.030
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/549>, abgerufen am 22.11.2024.