p2b_066.001 was sich unter der Pflege der bevorzugteren Geister hätte national p2b_066.002 entfalten können. Die Nachahmung zeigt sich in der Nachbildung der Formen p2b_066.003 und in der Übertreibung derselben. Auch fehlte der nachgeahmten Dichtung p2b_066.004 die Fülle der Gefühlsäußerung. Bei den Franzosen und Provencalen mit ihrer p2b_066.005 mehr südlichen Glut war die Minneverehrung begreiflich, bei uns nahm sich p2b_066.006 diese nachgeahmte Minne-Verherrlichung, welcher der französische Humor fehlte, p2b_066.007 manieriert aus; daher hatte die höfische Lyrik nur kurze Blüte, kurzen Bestand. p2b_066.008 Die romantische Lyrik hemmte, erschwerte unsere nationale Lyrik. Der Minnesang, p2b_066.009 der ausschließlich von den höheren Ständen in Burgen und Palästen p2b_066.010 gepflegt wurde (man unterschied von diesen die das Volk mit Sagen und p2b_066.011 Geschichten unterhaltenden, fahrenden Poeten), verstummte gar bald mit seinen p2b_066.012 nicht selten schwärmerisch religiösen, die heilige Maria erhebenden Weisen.
p2b_066.013 Die Liebhaber des deutschen Meistergesangs, die wenig vom Wesen der p2b_066.014 Poesie verstanden, und nur die äußere Form jener Lieder des Minnesangs, p2b_066.015 das Regelwerk (Tabulatur), festhielten, bereicherten die Litteratur mit Liedern p2b_066.016 ohne Schwung und Gehalt.
p2b_066.017 Jn der Reformationszeit begann man das klassische Altertum zu pflegen. p2b_066.018 (Agrikola von Eisleben, Reuchlin aus Pforzheim, Erasmus von Rotterdam, p2b_066.019 Melanchthon aus Bretten.) Das Kirchenlied erhielt durch Luther Übergewicht.
p2b_066.020 Der 30jährige Krieg brachte eine Verwilderung oder Ertötung in Deutschland p2b_066.021 hervor, die jeden Aufschwung der dichterischen Phantasie für lange Zeit p2b_066.022 unmöglich machte.
p2b_066.023 Nachahmungen des Ausländischen, fremdländische Wörter und Wendungen p2b_066.024 überwucherten die Litteratur. Die erste schlesische Dichterschule unter Opitz' p2b_066.025 Führung suchte vergebens der Litteratur aufzuhelfen. Die zweite unter Hoffmannswaldaus p2b_066.026 und Lohensteins Leitung (Bd. I. S. 51) verschmähte das Verständige p2b_066.027 der ersten und erstrebte das Gefühlvolle, ließ sich aber im Nichtverständnis p2b_066.028 der Korrektheit der Form nicht selten zu Schwulst, Geschmacklosigkeit und p2b_066.029 Schlüpfrigkeit hinreißen, bis endlich im 18. Jahrhundert der Nationalsinn in p2b_066.030 herrlichen Flammen emporschlug und unsere Litteratur zur neuen Blüte brachte.
p2b_066.031 Der Schweizer Bodmer (mit Breitinger) trat siegreich gegen Gottsched auf, p2b_066.032 der die Franzosen als Muster der Poesie empfiehlt, und frischte das Andenken p2b_066.033 der altdeutschen Poesie auf durch Herausgabe der Minnesinger und der Nibelungen.
p2b_066.034 Drei Männer sind es besonders, welche die deutsche Litteratur zum p2b_066.035 zweitenmal aufblühen machten und zwar schöner, als in der Zeit des Minnesangs. p2b_066.036 Es waren der auf klassischem Boden stehende Klopstock, der im p2b_066.037 "Messias" ein deutsches Nationalwerk lieferte; ferner Lessing, der mit seiner p2b_066.038 Kritik die fremden Beimischungen bekämpfte; endlich Wieland, der die Glätte p2b_066.039 der deutschen Sprache darthat. Jhre Werke muß jeder Freund der Poesie p2b_066.040 gelesen haben. Die Dichter des Hainbundes, die Stürmer und Dränger unterstützen p2b_066.041 diese Bahnbrecher und helfen die Litteraturblüte herbeiführen.
p2b_066.042 Der gefühlvolle Barde Klopstock (I. S. 54) vereinigte Darstellung und Verschmelzung p2b_066.043 des Deutschen (das deutsche Element zeigen seine Bardiete), mit dem p2b_066.044 Christlichen (Messias), und dem Altklassischen (Hexameter und andere Maße &c.).
p2b_066.001 was sich unter der Pflege der bevorzugteren Geister hätte national p2b_066.002 entfalten können. Die Nachahmung zeigt sich in der Nachbildung der Formen p2b_066.003 und in der Übertreibung derselben. Auch fehlte der nachgeahmten Dichtung p2b_066.004 die Fülle der Gefühlsäußerung. Bei den Franzosen und Provençalen mit ihrer p2b_066.005 mehr südlichen Glut war die Minneverehrung begreiflich, bei uns nahm sich p2b_066.006 diese nachgeahmte Minne-Verherrlichung, welcher der französische Humor fehlte, p2b_066.007 manieriert aus; daher hatte die höfische Lyrik nur kurze Blüte, kurzen Bestand. p2b_066.008 Die romantische Lyrik hemmte, erschwerte unsere nationale Lyrik. Der Minnesang, p2b_066.009 der ausschließlich von den höheren Ständen in Burgen und Palästen p2b_066.010 gepflegt wurde (man unterschied von diesen die das Volk mit Sagen und p2b_066.011 Geschichten unterhaltenden, fahrenden Poeten), verstummte gar bald mit seinen p2b_066.012 nicht selten schwärmerisch religiösen, die heilige Maria erhebenden Weisen.
p2b_066.013 Die Liebhaber des deutschen Meistergesangs, die wenig vom Wesen der p2b_066.014 Poesie verstanden, und nur die äußere Form jener Lieder des Minnesangs, p2b_066.015 das Regelwerk (Tabulatur), festhielten, bereicherten die Litteratur mit Liedern p2b_066.016 ohne Schwung und Gehalt.
p2b_066.017 Jn der Reformationszeit begann man das klassische Altertum zu pflegen. p2b_066.018 (Agrikola von Eisleben, Reuchlin aus Pforzheim, Erasmus von Rotterdam, p2b_066.019 Melanchthon aus Bretten.) Das Kirchenlied erhielt durch Luther Übergewicht.
p2b_066.020 Der 30jährige Krieg brachte eine Verwilderung oder Ertötung in Deutschland p2b_066.021 hervor, die jeden Aufschwung der dichterischen Phantasie für lange Zeit p2b_066.022 unmöglich machte.
p2b_066.023 Nachahmungen des Ausländischen, fremdländische Wörter und Wendungen p2b_066.024 überwucherten die Litteratur. Die erste schlesische Dichterschule unter Opitz' p2b_066.025 Führung suchte vergebens der Litteratur aufzuhelfen. Die zweite unter Hoffmannswaldaus p2b_066.026 und Lohensteins Leitung (Bd. I. S. 51) verschmähte das Verständige p2b_066.027 der ersten und erstrebte das Gefühlvolle, ließ sich aber im Nichtverständnis p2b_066.028 der Korrektheit der Form nicht selten zu Schwulst, Geschmacklosigkeit und p2b_066.029 Schlüpfrigkeit hinreißen, bis endlich im 18. Jahrhundert der Nationalsinn in p2b_066.030 herrlichen Flammen emporschlug und unsere Litteratur zur neuen Blüte brachte.
p2b_066.031 Der Schweizer Bodmer (mit Breitinger) trat siegreich gegen Gottsched auf, p2b_066.032 der die Franzosen als Muster der Poesie empfiehlt, und frischte das Andenken p2b_066.033 der altdeutschen Poesie auf durch Herausgabe der Minnesinger und der Nibelungen.
p2b_066.034 Drei Männer sind es besonders, welche die deutsche Litteratur zum p2b_066.035 zweitenmal aufblühen machten und zwar schöner, als in der Zeit des Minnesangs. p2b_066.036 Es waren der auf klassischem Boden stehende Klopstock, der im p2b_066.037 „Messias“ ein deutsches Nationalwerk lieferte; ferner Lessing, der mit seiner p2b_066.038 Kritik die fremden Beimischungen bekämpfte; endlich Wieland, der die Glätte p2b_066.039 der deutschen Sprache darthat. Jhre Werke muß jeder Freund der Poesie p2b_066.040 gelesen haben. Die Dichter des Hainbundes, die Stürmer und Dränger unterstützen p2b_066.041 diese Bahnbrecher und helfen die Litteraturblüte herbeiführen.
p2b_066.042 Der gefühlvolle Barde Klopstock (I. S. 54) vereinigte Darstellung und Verschmelzung p2b_066.043 des Deutschen (das deutsche Element zeigen seine Bardiete), mit dem p2b_066.044 Christlichen (Messias), und dem Altklassischen (Hexameter und andere Maße &c.).
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Der Schweizer Bodmer (mit Breitinger) trat siegreich gegen Gottsched auf, p2b_066.032
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/88>, abgerufen am 22.11.2024.
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