Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_071.001 I. Formen ruhiger Empfindung. p2b_071.002Das Lied und seine Formen. p2b_071.003§ 49. Begriff und Einteilung. p2b_071.004 p2b_071.008 p2b_071.010 p2b_071.015 p2b_071.018 p2b_071.021 p2b_071.027 p2b_071.033 A. Lyrik ruhiger Empfindung == Lied, geselliges Lied, geistliches p2b_071.036 B. Lyrik begeisterter Empfindung == Ode, lyrische Rhapsodie, p2b_071.038 C. Lyrik der Reflexion == Elegisches Lied, Elegie. p2b_071.040 p2b_071.001 I. Formen ruhiger Empfindung. p2b_071.002Das Lied und seine Formen. p2b_071.003§ 49. Begriff und Einteilung. p2b_071.004 p2b_071.008 p2b_071.010 p2b_071.015 p2b_071.018 p2b_071.021 p2b_071.027 p2b_071.033 A. Lyrik ruhiger Empfindung == Lied, geselliges Lied, geistliches p2b_071.036 B. Lyrik begeisterter Empfindung == Ode, lyrische Rhapsodie, p2b_071.038 C. Lyrik der Reflexion == Elegisches Lied, Elegie. p2b_071.040 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0093" n="71"/> <lb n="p2b_071.001"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">I</hi>. Formen ruhiger Empfindung.</hi> </head> <lb n="p2b_071.002"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">Das Lied und seine Formen.</hi> </head> <lb n="p2b_071.003"/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#c">§ 49. Begriff und Einteilung.</hi> </head> <p><lb n="p2b_071.004"/> 1. Jedes lyrische, ein sanftes Gefühl darstellende Gedicht, dessen <lb n="p2b_071.005"/> eigentliche und ursprüngliche Bestimmung ist, <hi rendition="#g">gesungen zu werden,</hi> <lb n="p2b_071.006"/> und das man als den lebendigen poetischen Ausdruck einer individuellen <lb n="p2b_071.007"/> Stimmung des Gemüts betrachten kann, nennt man ein Lied.</p> <p><lb n="p2b_071.008"/> 2. Die erste Form des Liedes war das seit Herder sog. Volkslied. <lb n="p2b_071.009"/> Wir teilen daher die Lieder ein: in <hi rendition="#g">Volkslieder und Kunstlieder</hi>.</p> <p><lb n="p2b_071.010"/> 1. Das Lied ist die wesentliche Form und die Blüte aller Lyrik; in ihm <lb n="p2b_071.011"/> ist die Jndividualität und Subjektivität des Dichters am unvermitteltsten ausgeprägt. <lb n="p2b_071.012"/> „<hi rendition="#g">Daz liet</hi>“ war in seiner ursprünglichsten Form eine einzelne <lb n="p2b_071.013"/> Gesangsstrophe. Zur Bezeichnung mehrerer Gesangsstrophen bediente man sich <lb n="p2b_071.014"/> des Plurals „diu liet“ (nicht zu verwechseln mit <hi rendition="#aq">lit</hi> == Glied).</p> <p><lb n="p2b_071.015"/> Vor allen andern Völkern haben die Deutschen den größten Reichtum an <lb n="p2b_071.016"/> herrlichen Liedern aufzuweisen. Dies hat seinen Grund teilweise darin, daß <lb n="p2b_071.017"/> der Deutsche die Weisen und Arten vieler fremder Völker abgelauscht hat.</p> <p><lb n="p2b_071.018"/> Die Franzosen kennen das eigentliche Lied nicht und haben dafür auch <lb n="p2b_071.019"/> kein Wort, weshalb sie jetzt für diese Gattung das deutsche Wort „Lied“ aufgenommen <lb n="p2b_071.020"/> haben.</p> <p><lb n="p2b_071.021"/> 2. Dem Volkslied stellt sich das Kunstlied gegenüber. Dieses nahm <lb n="p2b_071.022"/> ursprünglich die Gestalt des Minneliedes an. Darauf folgte das Meistersängerlied. <lb n="p2b_071.023"/> Luther pflegte das <hi rendition="#g">geistliche</hi> Lied, und Opitz gab uns das <hi rendition="#g">Lied mit <lb n="p2b_071.024"/> gelehrtem Anstrich:</hi> das <hi rendition="#g">Sprachlied</hi> im Gegensatz zum <hi rendition="#g">Singlied.</hi> <lb n="p2b_071.025"/> Durch Klopstock erhielt das Lied klassischen Charakter. Goethe war es, welcher <lb n="p2b_071.026"/> das Lied auf die höchste Höhe hob.</p> <p><lb n="p2b_071.027"/> Die strophische Einteilung des Liedes hat bewirkt, daß man auch erzählende <lb n="p2b_071.028"/> Gedichte (z. B. das Nibelungenlied und Hildebrandlied &c.) fälschlich als Lieder <lb n="p2b_071.029"/> bezeichnet, was vielleicht noch dadurch veranlaßt wurde, daß diese Gedichte <lb n="p2b_071.030"/> gesangsweise vorgetragen wurden, also die rhythmische Form des Liedes hatten. <lb n="p2b_071.031"/> Auch Schillers Lied von der Glocke ist ein didaktisches Gedicht und kein Lied <lb n="p2b_071.032"/> im eigentlichen Sinn u. s. w.</p> <p><lb n="p2b_071.033"/> Nach dem ruhigeren oder gesteigerten oder reflektierenden Gemütsausdruck <lb n="p2b_071.034"/> ließe sich diese Einteilung auch in folgendes Schema fassen:</p> <lb n="p2b_071.035"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">A</hi>. <hi rendition="#g">Lyrik ruhiger Empfindung</hi> == <hi rendition="#g">Lied, geselliges Lied, geistliches <lb n="p2b_071.036"/> Lied, und fremde Formen.</hi></hi> </p> <lb n="p2b_071.037"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Lyrik begeisterter Empfindung</hi> == <hi rendition="#g">Ode, lyrische Rhapsodie, <lb n="p2b_071.038"/> Dithyrambe, Hymne.</hi></hi> </p> <lb n="p2b_071.039"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">C</hi>. <hi rendition="#g">Lyrik der Reflexion</hi> == <hi rendition="#g">Elegisches Lied, Elegie.</hi></hi> </p> <p><lb n="p2b_071.040"/> Die Einteilung der lyrischen Poesie ist bei den verschiedenen Litterarhistorikern <lb n="p2b_071.041"/> je nach den Ausgangspunkten verschieden. Der Ästhetiker Vischer </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0093]
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I. Formen ruhiger Empfindung. p2b_071.002
Das Lied und seine Formen. p2b_071.003
§ 49. Begriff und Einteilung. p2b_071.004
1. Jedes lyrische, ein sanftes Gefühl darstellende Gedicht, dessen p2b_071.005
eigentliche und ursprüngliche Bestimmung ist, gesungen zu werden, p2b_071.006
und das man als den lebendigen poetischen Ausdruck einer individuellen p2b_071.007
Stimmung des Gemüts betrachten kann, nennt man ein Lied.
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2. Die erste Form des Liedes war das seit Herder sog. Volkslied. p2b_071.009
Wir teilen daher die Lieder ein: in Volkslieder und Kunstlieder.
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1. Das Lied ist die wesentliche Form und die Blüte aller Lyrik; in ihm p2b_071.011
ist die Jndividualität und Subjektivität des Dichters am unvermitteltsten ausgeprägt. p2b_071.012
„Daz liet“ war in seiner ursprünglichsten Form eine einzelne p2b_071.013
Gesangsstrophe. Zur Bezeichnung mehrerer Gesangsstrophen bediente man sich p2b_071.014
des Plurals „diu liet“ (nicht zu verwechseln mit lit == Glied).
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Vor allen andern Völkern haben die Deutschen den größten Reichtum an p2b_071.016
herrlichen Liedern aufzuweisen. Dies hat seinen Grund teilweise darin, daß p2b_071.017
der Deutsche die Weisen und Arten vieler fremder Völker abgelauscht hat.
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Die Franzosen kennen das eigentliche Lied nicht und haben dafür auch p2b_071.019
kein Wort, weshalb sie jetzt für diese Gattung das deutsche Wort „Lied“ aufgenommen p2b_071.020
haben.
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2. Dem Volkslied stellt sich das Kunstlied gegenüber. Dieses nahm p2b_071.022
ursprünglich die Gestalt des Minneliedes an. Darauf folgte das Meistersängerlied. p2b_071.023
Luther pflegte das geistliche Lied, und Opitz gab uns das Lied mit p2b_071.024
gelehrtem Anstrich: das Sprachlied im Gegensatz zum Singlied. p2b_071.025
Durch Klopstock erhielt das Lied klassischen Charakter. Goethe war es, welcher p2b_071.026
das Lied auf die höchste Höhe hob.
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Die strophische Einteilung des Liedes hat bewirkt, daß man auch erzählende p2b_071.028
Gedichte (z. B. das Nibelungenlied und Hildebrandlied &c.) fälschlich als Lieder p2b_071.029
bezeichnet, was vielleicht noch dadurch veranlaßt wurde, daß diese Gedichte p2b_071.030
gesangsweise vorgetragen wurden, also die rhythmische Form des Liedes hatten. p2b_071.031
Auch Schillers Lied von der Glocke ist ein didaktisches Gedicht und kein Lied p2b_071.032
im eigentlichen Sinn u. s. w.
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Nach dem ruhigeren oder gesteigerten oder reflektierenden Gemütsausdruck p2b_071.034
ließe sich diese Einteilung auch in folgendes Schema fassen:
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A. Lyrik ruhiger Empfindung == Lied, geselliges Lied, geistliches p2b_071.036
Lied, und fremde Formen.
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B. Lyrik begeisterter Empfindung == Ode, lyrische Rhapsodie, p2b_071.038
Dithyrambe, Hymne.
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C. Lyrik der Reflexion == Elegisches Lied, Elegie.
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Die Einteilung der lyrischen Poesie ist bei den verschiedenen Litterarhistorikern p2b_071.041
je nach den Ausgangspunkten verschieden. Der Ästhetiker Vischer
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