Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_074.001 "Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', p3b_074.002 Die waren in Rußland gefangen. p3b_074.003 Und als sie kamen ins deutsche Quartier, p3b_074.004 Sie ließen die Köpfe hangen." p3b_074.005 p3b_074.006 p3b_074.008 II. Länge der Verszeilen und der Strophen. p3b_074.009 p3b_074.010 p3b_074.011 p3b_074.016 p3b_074.025 p3b_074.029 p3b_074.033 p3b_074.038 p3b_074.039 p3b_074.001 „Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', p3b_074.002 Die waren in Rußland gefangen. p3b_074.003 Und als sie kamen ins deutsche Quartier, p3b_074.004 Sie ließen die Köpfe hangen.“ p3b_074.005 p3b_074.006 p3b_074.008 II. Länge der Verszeilen und der Strophen. p3b_074.009 p3b_074.010 p3b_074.011 p3b_074.016 p3b_074.025 p3b_074.029 p3b_074.033 p3b_074.038 p3b_074.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0100" n="74"/> <lb n="p3b_074.001"/> <lg> <l>„Nach Frankreich zogen zwei Grenadier',</l> <lb n="p3b_074.002"/> <l>Die waren in Rußland gefangen.</l> <lb n="p3b_074.003"/> <l>Und als sie kamen ins deutsche Quartier,</l> <lb n="p3b_074.004"/> <l>Sie ließen die Köpfe hangen.“</l> </lg> <p><lb n="p3b_074.005"/> 11. Ähnlich ist der Bau jeder Strophe zu analysieren.</p> <p><lb n="p3b_074.006"/> 12. Bei Beurteilung der Strophenglieder werden auch die Pausen <lb n="p3b_074.007"/> hinzugerechnet.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_074.008"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">II</hi>. Länge der Verszeilen und der Strophen.</hi> </head> <p> <lb n="p3b_074.009"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">A</hi>. <hi rendition="#g">Zeilenlänge</hi>.</hi> </p> <p><lb n="p3b_074.010"/> 1. Die Zeilenlänge hängt ab von der Stimmung und vom Stoffe.</p> <p><lb n="p3b_074.011"/><hi rendition="#g">Von der Stimmung:</hi> Leidenschaftlich erregter Jnhalt läßt sich <lb n="p3b_074.012"/> nicht in knappe Formen einzwängen, denn die leidenschaftliche Sprache <lb n="p3b_074.013"/> ist wortreich und bedarf eines weiten Maßes. (Die Leidenschaft an <lb n="p3b_074.014"/> sich spricht nicht langatmig. Aber der dichterische Ausdruck der Leidenschaft <lb n="p3b_074.015"/> ist stets wortreich.)</p> <p><lb n="p3b_074.016"/> Dagegen empfehlen sich kürzere Zeilen für wenig erregten, spielerischen, <lb n="p3b_074.017"/> tändelnden Jnhalt (Beispiel: Rückerts „Alle die Dingerchen“), <lb n="p3b_074.018"/> ferner für Niedliches (Beispiel: Goethe's „Ein Blumenglöckchen vom <lb n="p3b_074.019"/> Boden hervor), für kaleidoskopisches Vorbeihuschen, bewegliches Leben <lb n="p3b_074.020"/> (Beispiel: Goethe's „Verschiedene Empfindungen an einem Platze“), für <lb n="p3b_074.021"/> entschlossenes Vorgehen (Beispiel: Goethe's „Frech und froh“), für <lb n="p3b_074.022"/> neckisches Wesen (Beispiel: Goethe's „Gefunden“), für raschen Wechsel <lb n="p3b_074.023"/> des Gefühls, Entschiedenheit, Energie, wie für leidenschaftsvolles Vorgehen <lb n="p3b_074.024"/> &c. u. s. w.</p> <p><lb n="p3b_074.025"/><hi rendition="#g">Vom Stoffe:</hi> Bei größerer Ausbreitung des Stoffes, bei breiterer <lb n="p3b_074.026"/> Aufrollung der Gedanken, bei Darlegung eines reichen Stoffes, <lb n="p3b_074.027"/> bei dem wir uns unbeschränkt ausgedehnt äußern wollen, sind längere <lb n="p3b_074.028"/> Zeilen am Platze.</p> <p><lb n="p3b_074.029"/> 2. Stellt man alle lyrischen Gedichtstrophen nebeneinander, wie <lb n="p3b_074.030"/> wir sie in der That von Kürnberger bis in die Neuzeit vereinen konnten, <lb n="p3b_074.031"/> so ergiebt sich als mittlere Ausdehnung des lyrischen Verses (des Liedverses) <lb n="p3b_074.032"/> der Viertakter, und zwar in allen Rhythmen.</p> <p><lb n="p3b_074.033"/> 3. Der Viertakter ist auch der Vers für die meisten Epen, selbst <lb n="p3b_074.034"/> für unser liedartiges nationales Nibelungenepos, sofern man unter <lb n="p3b_074.035"/> Hinzurechnung der Jncisionspausen den Nibelungenvers als einen <lb n="p3b_074.036"/> doppelten Viertakter (Tetrameter) ansehen könnte. Besonders das <lb n="p3b_074.037"/> romantische Epos hat diesen Vers mit Vorliebe angewandt.</p> <p> <lb n="p3b_074.038"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Strophenlänge</hi>.</hi> </p> <p><lb n="p3b_074.039"/> 4. Es ist eine interessante Erscheinung, daß die meisten Dichter <lb n="p3b_074.040"/> selbst bei kurzzeiligen Gedichten kurze Strophen gewählt haben. Viel= </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0100]
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„Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', p3b_074.002
Die waren in Rußland gefangen. p3b_074.003
Und als sie kamen ins deutsche Quartier, p3b_074.004
Sie ließen die Köpfe hangen.“
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11. Ähnlich ist der Bau jeder Strophe zu analysieren.
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12. Bei Beurteilung der Strophenglieder werden auch die Pausen p3b_074.007
hinzugerechnet.
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II. Länge der Verszeilen und der Strophen. p3b_074.009
A. Zeilenlänge.
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1. Die Zeilenlänge hängt ab von der Stimmung und vom Stoffe.
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Von der Stimmung: Leidenschaftlich erregter Jnhalt läßt sich p3b_074.012
nicht in knappe Formen einzwängen, denn die leidenschaftliche Sprache p3b_074.013
ist wortreich und bedarf eines weiten Maßes. (Die Leidenschaft an p3b_074.014
sich spricht nicht langatmig. Aber der dichterische Ausdruck der Leidenschaft p3b_074.015
ist stets wortreich.)
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Dagegen empfehlen sich kürzere Zeilen für wenig erregten, spielerischen, p3b_074.017
tändelnden Jnhalt (Beispiel: Rückerts „Alle die Dingerchen“), p3b_074.018
ferner für Niedliches (Beispiel: Goethe's „Ein Blumenglöckchen vom p3b_074.019
Boden hervor), für kaleidoskopisches Vorbeihuschen, bewegliches Leben p3b_074.020
(Beispiel: Goethe's „Verschiedene Empfindungen an einem Platze“), für p3b_074.021
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des Gefühls, Entschiedenheit, Energie, wie für leidenschaftsvolles Vorgehen p3b_074.024
&c. u. s. w.
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Vom Stoffe: Bei größerer Ausbreitung des Stoffes, bei breiterer p3b_074.026
Aufrollung der Gedanken, bei Darlegung eines reichen Stoffes, p3b_074.027
bei dem wir uns unbeschränkt ausgedehnt äußern wollen, sind längere p3b_074.028
Zeilen am Platze.
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2. Stellt man alle lyrischen Gedichtstrophen nebeneinander, wie p3b_074.030
wir sie in der That von Kürnberger bis in die Neuzeit vereinen konnten, p3b_074.031
so ergiebt sich als mittlere Ausdehnung des lyrischen Verses (des Liedverses) p3b_074.032
der Viertakter, und zwar in allen Rhythmen.
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3. Der Viertakter ist auch der Vers für die meisten Epen, selbst p3b_074.034
für unser liedartiges nationales Nibelungenepos, sofern man unter p3b_074.035
Hinzurechnung der Jncisionspausen den Nibelungenvers als einen p3b_074.036
doppelten Viertakter (Tetrameter) ansehen könnte. Besonders das p3b_074.037
romantische Epos hat diesen Vers mit Vorliebe angewandt.
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4. Es ist eine interessante Erscheinung, daß die meisten Dichter p3b_074.040
selbst bei kurzzeiligen Gedichten kurze Strophen gewählt haben. Viel=
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