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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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in fremden Boden häufig die Wärme des Kolorits, sowie Duft und p3b_180.002
Farbe der Ausführung verloren haben, gleichsam also dem schönen Schmetterling p3b_180.003
der Schmelz seiner Flügel abgestreift wurde. Diese Erfahrung müßte genügen, p3b_180.004
um mindestens Unberufene von Umbildung der Dialektgedichte abzuhalten p3b_180.005
und die Berechtigung der Dialektpoesie neben dem Hochdeutschen anzuerkennen.

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Um derartige Übertragungen anschaulich zu machen, beschränken wir uns p3b_180.008
auf eine charakteristische Probe aus einer süddeutschen Mundart.

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Nürnberger Mundart.

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Vorbemerkung. Abweichend vom Original hat sich die Übersetzung der p3b_180.011
Reimpaare bedient, und da dieselben gleiche Zeilenlänge begünstigen, so hat p3b_180.012
der Übersetzer durchweg akatalektische jambische Viertakter gebildet. - Man p3b_180.013
bemerke in der hochdeutschen Übersetzung die reiche Ausmalung des Gedankens p3b_180.014
gegenüber der volksmäßigen Behandlung im Original.

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Der Käfer.

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[Beginn Spaltensatz]

Original von Grübel.

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Dau sitz' ih, sieg an Käfer zou, p3b_180.018
Thout in der Erd'n kröich'n; p3b_180.019
Öiz kröicht er aff a Grösla naf, p3b_180.020
Dau thout sich's Grösla böig'n; p3b_180.021
Er git sih ober alli Möih p3b_180.022
Und rafft sih widder af, p3b_180.023
Und hält sih on den Grösla oh, p3b_180.024
Will widder kröich'n naf. p3b_180.025
Bald kröicht er naf, bald fällt er noh, p3b_180.026
Banah a halba Stund, p3b_180.027
Und wenn er halb oft drub'n iß, p3b_180.028
So ligt er widder drunt; p3b_180.029
Und wöi er sicht, daß goar niht geiht, p3b_180.030
Und daß er goar niht koh, p3b_180.031
So brat't er seini Flüg'l aus, p3b_180.032
Und flöigt öiz ganz dervoh. p3b_180.033
Öiz denk' ih: Wöi's den Käfer geiht, p3b_180.034
Su thout's dir selber göih; p3b_180.035
Der haut doch gleihwuhl meiher Föiß, p3b_180.036
Du ober haust ner zwöi. p3b_180.037
Du kröichst scho rum su langa Zeit p3b_180.038
Die Läng' und in die Quer, p3b_180.039
Und kummst döstwög'n doch niht weit, p3b_180.040
Und werst af d'Letzt wöi der. p3b_180.041
Wennst lang genoug dau in den Gros
[Spaltenumbruch] p3b_180.101

Übertragung von Fr. Halm.

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Jch ruhte still am Wiesenrain, p3b_180.103
Und vor mir kroch ein Käferlein; p3b_180.104
Ein Grashalm liegt in seiner Bahn, p3b_180.105
Den klimmt es unverzagt hinan; p3b_180.106
Der aber schaukelt sich im Wind, p3b_180.107
Und schüttelt's wieder ab gelind. p3b_180.108
Und wieder kaum emporgerafft, p3b_180.109
Umklammert es den schlanken Schaft, p3b_180.110
Und hebt still kletternd sich empor, p3b_180.111
Und wieder geht's ihm wie zuvor; p3b_180.112
Doch wieder keck erneut's den Lauf, p3b_180.113
Stürzt wieder und strebt wieder auf, p3b_180.114
Und jetzt, jetzt endlich ist's am Ziel - p3b_180.115
Und wieder fällt es, wie es fiel! - p3b_180.116
Da breitet's still die Flügel aus, p3b_180.117
Und in der Lüfte Blau hinaus, p3b_180.118
Als wär' der Mühen nun genug, p3b_180.119
Nimmt's leise schwirrend seinen Flug! - p3b_180.120
Und still im Herzen flüstert's mir: p3b_180.121
"Auch dir geht's wie dem Käfer hier; p3b_180.122
"Keck trittst du in des Lebens Bahn, p3b_180.123
"Und strebst und ringst und klimmst p3b_180.124
hinan, p3b_180.125
"Und rennst und jagst im tollen Lauf, p3b_180.126
"Und raffst dich stürzend wieder auf,
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in fremden Boden häufig die Wärme des Kolorits, sowie Duft und p3b_180.002
Farbe der Ausführung verloren haben, gleichsam also dem schönen Schmetterling p3b_180.003
der Schmelz seiner Flügel abgestreift wurde. Diese Erfahrung müßte genügen, p3b_180.004
um mindestens Unberufene von Umbildung der Dialektgedichte abzuhalten p3b_180.005
und die Berechtigung der Dialektpoesie neben dem Hochdeutschen anzuerkennen.

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Um derartige Übertragungen anschaulich zu machen, beschränken wir uns p3b_180.008
auf eine charakteristische Probe aus einer süddeutschen Mundart.

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Nürnberger Mundart.

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Vorbemerkung. Abweichend vom Original hat sich die Übersetzung der p3b_180.011
Reimpaare bedient, und da dieselben gleiche Zeilenlänge begünstigen, so hat p3b_180.012
der Übersetzer durchweg akatalektische jambische Viertakter gebildet. ─ Man p3b_180.013
bemerke in der hochdeutschen Übersetzung die reiche Ausmalung des Gedankens p3b_180.014
gegenüber der volksmäßigen Behandlung im Original.

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Der Käfer.

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[Beginn Spaltensatz]

Original von Grübel.

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Dau sitz' ih, sieg an Käfer zou, p3b_180.018
Thout in der Erd'n kröich'n; p3b_180.019
Öiz kröicht er aff a Grösla naf, p3b_180.020
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Wennst lang genoug dau in den Gros
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Übertragung von Fr. Halm.

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Jch ruhte still am Wiesenrain, p3b_180.103
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[180/0206] p3b_180.001 in fremden Boden häufig die Wärme des Kolorits, sowie Duft und p3b_180.002 Farbe der Ausführung verloren haben, gleichsam also dem schönen Schmetterling p3b_180.003 der Schmelz seiner Flügel abgestreift wurde. Diese Erfahrung müßte genügen, p3b_180.004 um mindestens Unberufene von Umbildung der Dialektgedichte abzuhalten p3b_180.005 und die Berechtigung der Dialektpoesie neben dem Hochdeutschen anzuerkennen. p3b_180.006 p3b_180.007 Um derartige Übertragungen anschaulich zu machen, beschränken wir uns p3b_180.008 auf eine charakteristische Probe aus einer süddeutschen Mundart. p3b_180.009 Nürnberger Mundart. p3b_180.010 Vorbemerkung. Abweichend vom Original hat sich die Übersetzung der p3b_180.011 Reimpaare bedient, und da dieselben gleiche Zeilenlänge begünstigen, so hat p3b_180.012 der Übersetzer durchweg akatalektische jambische Viertakter gebildet. ─ Man p3b_180.013 bemerke in der hochdeutschen Übersetzung die reiche Ausmalung des Gedankens p3b_180.014 gegenüber der volksmäßigen Behandlung im Original. p3b_180.015 Der Käfer. p3b_180.016 Original von Grübel. p3b_180.017 Dau sitz' ih, sieg an Käfer zou, p3b_180.018 Thout in der Erd'n kröich'n; p3b_180.019 Öiz kröicht er aff a Grösla naf, p3b_180.020 Dau thout sich's Grösla böig'n; p3b_180.021 Er git sih ober alli Möih p3b_180.022 Und rafft sih widder af, p3b_180.023 Und hält sih on den Grösla oh, p3b_180.024 Will widder kröich'n naf. p3b_180.025 Bald kröicht er naf, bald fällt er noh, p3b_180.026 Banah a halba Stund, p3b_180.027 Und wenn er halb oft drub'n iß, p3b_180.028 So ligt er widder drunt; p3b_180.029 Und wöi er sicht, daß goar niht geiht, p3b_180.030 Und daß er goar niht koh, p3b_180.031 So brat't er seini Flüg'l aus, p3b_180.032 Und flöigt öiz ganz dervoh. p3b_180.033 Öiz denk' ih: Wöi's den Käfer geiht, p3b_180.034 Su thout's dir selber göih; p3b_180.035 Der haut doch gleihwuhl meiher Föiß, p3b_180.036 Du ober haust ner zwöi. p3b_180.037 Du kröichst scho rum su langa Zeit p3b_180.038 Die Läng' und in die Quer, p3b_180.039 Und kummst döstwög'n doch niht weit, p3b_180.040 Und werst af d'Letzt wöi der. p3b_180.041 Wennst lang genoug dau in den Gros p3b_180.101 Übertragung von Fr. Halm. p3b_180.102 Jch ruhte still am Wiesenrain, p3b_180.103 Und vor mir kroch ein Käferlein; p3b_180.104 Ein Grashalm liegt in seiner Bahn, p3b_180.105 Den klimmt es unverzagt hinan; p3b_180.106 Der aber schaukelt sich im Wind, p3b_180.107 Und schüttelt's wieder ab gelind. p3b_180.108 Und wieder kaum emporgerafft, p3b_180.109 Umklammert es den schlanken Schaft, p3b_180.110 Und hebt still kletternd sich empor, p3b_180.111 Und wieder geht's ihm wie zuvor; p3b_180.112 Doch wieder keck erneut's den Lauf, p3b_180.113 Stürzt wieder und strebt wieder auf, p3b_180.114 Und jetzt, jetzt endlich ist's am Ziel ─ p3b_180.115 Und wieder fällt es, wie es fiel! ─ p3b_180.116 Da breitet's still die Flügel aus, p3b_180.117 Und in der Lüfte Blau hinaus, p3b_180.118 Als wär' der Mühen nun genug, p3b_180.119 Nimmt's leise schwirrend seinen Flug! ─ p3b_180.120 Und still im Herzen flüstert's mir: p3b_180.121 „Auch dir geht's wie dem Käfer hier; p3b_180.122 „Keck trittst du in des Lebens Bahn, p3b_180.123 „Und strebst und ringst und klimmst p3b_180.124 hinan, p3b_180.125 „Und rennst und jagst im tollen Lauf, p3b_180.126 „Und raffst dich stürzend wieder auf,

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/206>, abgerufen am 27.11.2024.