Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_191.001 p3b_191.008 p3b_191.013 p3b_191.020 p3b_191.029 p3b_191.038 p3b_191.001 p3b_191.008 p3b_191.013 p3b_191.020 p3b_191.029 p3b_191.038 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0217" n="191"/><lb n="p3b_191.001"/> (1860), welche zunächst eine getreue Nachbildung seiner kunstvollen Maße versuchten, <lb n="p3b_191.002"/> deren Ausführungen aber den Gedichten nicht zum Vorteil gereichten. <lb n="p3b_191.003"/> (Man kann behaupten, daß Thiersch ohne den griechischen Urtext kaum verständlich <lb n="p3b_191.004"/> sei; auch seinen Nachfolgern, sogar Mommsen, geht es an vielen Stellen <lb n="p3b_191.005"/> kaum besser, obwohl gerade der letztere sich viele Freiheiten gestattet, nur um <lb n="p3b_191.006"/> das Metrum genau einhalten zu können. Wo die Übersetzer größere Deutlichkeit <lb n="p3b_191.007"/> erstrebten, wurden sie nicht selten prosaisch.)</p> <p><lb n="p3b_191.008"/> Daß <hi rendition="#g">Pindar</hi> auch lesbar zu übertragen sei, beweist zunächst unser, Goethe <lb n="p3b_191.009"/> so nahe stehender Wilhelm von Humboldt, der in seinem geistreichen Versuch <lb n="p3b_191.010"/> einer Übersetzung mehrerer Gedichte (Ges. Werke <hi rendition="#aq">II</hi>, 264─355) trotz mannigfacher <lb n="p3b_191.011"/> Abweichungen vom Metrum, von der Gedankenverbindung &c. doch gerade <lb n="p3b_191.012"/> genug zu erhalten wußte, um Pindars Bedeutung und Eigenart erkennen zu lassen.</p> <p><lb n="p3b_191.013"/> Vor allem aber zeigt <hi rendition="#g">Minckwitz,</hi> daß die dichterische Befähigung des <lb n="p3b_191.014"/> Übersetzers auch einen lesbaren Pindar zu vermitteln vermag. Seine Übertragung <lb n="p3b_191.015"/> liest sich nicht selten wie ein deutsches Original. Er ist bei seinen <lb n="p3b_191.016"/> Übersetzungen Pindarscher Hymnen weiter vorgeschritten als sein Maßstab und <lb n="p3b_191.017"/> Meister Platen: <hi rendition="#aq">a</hi>. in der Form, welche auch die Epode zu den Pindarschen <lb n="p3b_191.018"/> Strophen als Dreigliederung anreihte und <hi rendition="#aq">b</hi>. im freieren flüssigeren, deutsch <lb n="p3b_191.019"/> anmutigen Stil u. s. w.</p> <p><lb n="p3b_191.020"/><hi rendition="#aq">c</hi>. <hi rendition="#g">Dramatische Dichtung</hi>. (<hi rendition="#g">Griechisches Lustspiel. Aristophanes.</hi>) <lb n="p3b_191.021"/> Da es in der Natur der Sache liegt, daß bei unserer Darstellung <lb n="p3b_191.022"/> der Übersetzungen des griechischen Drama wenig Raum für das Lustspiel bleibt, <lb n="p3b_191.023"/> so wollen wir im Voraus bemerken, daß auch Aristophanes schon frühe die Übersetzer <lb n="p3b_191.024"/> beschäftigte. Auf die steife Übertragung J. H. Voßens (1821) folgten <lb n="p3b_191.025"/> die freieren, lesbaren Übersetzungen von Droysen (1838 und 1871), Seeger <lb n="p3b_191.026"/> (1848), Minckwitz (1855) und Donner (1861); erwähnenswert ist noch die <lb n="p3b_191.027"/> Schnitzersche Übertragung, sowie „ausgewählte Komödien“ von Schnitzer und <lb n="p3b_191.028"/> Teuffel &c.</p> <p><lb n="p3b_191.029"/> (<hi rendition="#g">Griechische Tragiker.</hi>) Die Übersetzungen der griechischen Tragiker <lb n="p3b_191.030"/> <hi rendition="#g">vor</hi> Goethe sind zum Teil vergessen. Jch erinnere nur an den ersten Versuch <lb n="p3b_191.031"/> in moderner Reproduktion von Spangenberg (Sophokles' Ajax 1608), an <lb n="p3b_191.032"/> Opitz (Antigone 1646), an die erste metrische Gesamtübersetzung eines griechischen <lb n="p3b_191.033"/> Tragikers: nämlich an Christian <hi rendition="#g">Stolbergs</hi> Sophokles (1787), die für den <lb n="p3b_191.034"/> Trimeter den Blankvers anwandte und für die Chormaße beliebige lyrische <lb n="p3b_191.035"/> Strophenformen (alkäische, sapphische) beliebte &c., eine Willkür, welche Föhse <lb n="p3b_191.036"/> (1804) zu seiner Übersetzung in Alexandrinern ermutigte; ich erinnere endlich <lb n="p3b_191.037"/> an Asts Übersetzung, welche zum erstenmal des Trimeters sich bediente.</p> <p><lb n="p3b_191.038"/> Erst die in der Goethezeit entstandenen Übersetzungen erlangten Ansehen: <lb n="p3b_191.039"/> zunächst Solgers Übersetzung des ganzen Sophokles (1808). W. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi> <lb n="p3b_191.040"/> unternahm 1816 die Herausgabe von Äschylus' Agamemnon. Diese Arbeit <lb n="p3b_191.041"/> unterscheidet sich von dem 1802 erschienenen Versuch Fr. Leop. v. Stolbergs <lb n="p3b_191.042"/> vorteilhaft durch deutsche, freundliche Wiedergabe der einfach natürlichen Sprachweise <lb n="p3b_191.043"/> des Äschylus in Anapästensystemen und im Trimeter. Humboldts Arbeit, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0217]
p3b_191.001
(1860), welche zunächst eine getreue Nachbildung seiner kunstvollen Maße versuchten, p3b_191.002
deren Ausführungen aber den Gedichten nicht zum Vorteil gereichten. p3b_191.003
(Man kann behaupten, daß Thiersch ohne den griechischen Urtext kaum verständlich p3b_191.004
sei; auch seinen Nachfolgern, sogar Mommsen, geht es an vielen Stellen p3b_191.005
kaum besser, obwohl gerade der letztere sich viele Freiheiten gestattet, nur um p3b_191.006
das Metrum genau einhalten zu können. Wo die Übersetzer größere Deutlichkeit p3b_191.007
erstrebten, wurden sie nicht selten prosaisch.)
p3b_191.008
Daß Pindar auch lesbar zu übertragen sei, beweist zunächst unser, Goethe p3b_191.009
so nahe stehender Wilhelm von Humboldt, der in seinem geistreichen Versuch p3b_191.010
einer Übersetzung mehrerer Gedichte (Ges. Werke II, 264─355) trotz mannigfacher p3b_191.011
Abweichungen vom Metrum, von der Gedankenverbindung &c. doch gerade p3b_191.012
genug zu erhalten wußte, um Pindars Bedeutung und Eigenart erkennen zu lassen.
p3b_191.013
Vor allem aber zeigt Minckwitz, daß die dichterische Befähigung des p3b_191.014
Übersetzers auch einen lesbaren Pindar zu vermitteln vermag. Seine Übertragung p3b_191.015
liest sich nicht selten wie ein deutsches Original. Er ist bei seinen p3b_191.016
Übersetzungen Pindarscher Hymnen weiter vorgeschritten als sein Maßstab und p3b_191.017
Meister Platen: a. in der Form, welche auch die Epode zu den Pindarschen p3b_191.018
Strophen als Dreigliederung anreihte und b. im freieren flüssigeren, deutsch p3b_191.019
anmutigen Stil u. s. w.
p3b_191.020
c. Dramatische Dichtung. (Griechisches Lustspiel. Aristophanes.) p3b_191.021
Da es in der Natur der Sache liegt, daß bei unserer Darstellung p3b_191.022
der Übersetzungen des griechischen Drama wenig Raum für das Lustspiel bleibt, p3b_191.023
so wollen wir im Voraus bemerken, daß auch Aristophanes schon frühe die Übersetzer p3b_191.024
beschäftigte. Auf die steife Übertragung J. H. Voßens (1821) folgten p3b_191.025
die freieren, lesbaren Übersetzungen von Droysen (1838 und 1871), Seeger p3b_191.026
(1848), Minckwitz (1855) und Donner (1861); erwähnenswert ist noch die p3b_191.027
Schnitzersche Übertragung, sowie „ausgewählte Komödien“ von Schnitzer und p3b_191.028
Teuffel &c.
p3b_191.029
(Griechische Tragiker.) Die Übersetzungen der griechischen Tragiker p3b_191.030
vor Goethe sind zum Teil vergessen. Jch erinnere nur an den ersten Versuch p3b_191.031
in moderner Reproduktion von Spangenberg (Sophokles' Ajax 1608), an p3b_191.032
Opitz (Antigone 1646), an die erste metrische Gesamtübersetzung eines griechischen p3b_191.033
Tragikers: nämlich an Christian Stolbergs Sophokles (1787), die für den p3b_191.034
Trimeter den Blankvers anwandte und für die Chormaße beliebige lyrische p3b_191.035
Strophenformen (alkäische, sapphische) beliebte &c., eine Willkür, welche Föhse p3b_191.036
(1804) zu seiner Übersetzung in Alexandrinern ermutigte; ich erinnere endlich p3b_191.037
an Asts Übersetzung, welche zum erstenmal des Trimeters sich bediente.
p3b_191.038
Erst die in der Goethezeit entstandenen Übersetzungen erlangten Ansehen: p3b_191.039
zunächst Solgers Übersetzung des ganzen Sophokles (1808). W. v. Humboldt p3b_191.040
unternahm 1816 die Herausgabe von Äschylus' Agamemnon. Diese Arbeit p3b_191.041
unterscheidet sich von dem 1802 erschienenen Versuch Fr. Leop. v. Stolbergs p3b_191.042
vorteilhaft durch deutsche, freundliche Wiedergabe der einfach natürlichen Sprachweise p3b_191.043
des Äschylus in Anapästensystemen und im Trimeter. Humboldts Arbeit,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |