Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_192.001 p3b_192.006 p3b_192.013 p3b_192.033 p3b_192.037 p3b_192.042 p3b_192.001 p3b_192.006 p3b_192.013 p3b_192.033 p3b_192.037 p3b_192.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0218" n="192"/><lb n="p3b_192.001"/> welche die Möglichkeit einer Äschylus-Übersetzung beweist, ist insofern von <lb n="p3b_192.002"/> größerer Bedeutung, als sie nachweisbaren Einfluß auf die Äschylus-Übersetzung <lb n="p3b_192.003"/> von Heinr. Voß (dem Sohne) übte; ebenso auf Gust. Droysens <lb n="p3b_192.004"/> moderne Übersetzung (1832), sowie auch auf die Sophokles-Übersetzung von <lb n="p3b_192.005"/> Thudichum (1827/38).</p> <p><lb n="p3b_192.006"/> Übertroffen wurde Humboldt durch Ottfried <hi rendition="#g">Müllers</hi> Übersetzung: die <lb n="p3b_192.007"/> Eumeniden des Äschylus (1833), die in Sprache und Vers ─ namentlich auch <lb n="p3b_192.008"/> in den Chormaßen ─ vollendet ist. Ebenso wurde er überragt durch die <lb n="p3b_192.009"/> Äschylus-Übersetzung von <hi rendition="#g">Donner,</hi> besonders aber durch die von Johannes <lb n="p3b_192.010"/> <hi rendition="#g">Minckwitz</hi> (in der allen Bibliotheken warm zu empfehlenden, vollständigsten <lb n="p3b_192.011"/> Metzlerschen Sammlung: „Griechische und römische Prosaiker und Dichter in <lb n="p3b_192.012"/> deutschen Übersetzungen“).</p> <p><lb n="p3b_192.013"/> Minckwitz, Dichter und Philolog, also berufenster Übersetzer, hat die imponierende <lb n="p3b_192.014"/> Aufgabe gelöst, die griechischen Tragiker im Geiste seines großen <lb n="p3b_192.015"/> Vorbilds Platen zu übersetzen. Er bestrebte sich, wörtlich und wortgetreu zu <lb n="p3b_192.016"/> sein, und dem Genius unserer Sprache gerecht zu werden. Er hielt es für <lb n="p3b_192.017"/> die hohe Aufgabe des Übersetzers, den besonderen <hi rendition="#g">Ton</hi> jeder Versart zu treffen <lb n="p3b_192.018"/> und die Schönheit des Versbaus doch nicht außer acht zu lassen. Seine <lb n="p3b_192.019"/> Äschylus-Übersetzung steht noch über seiner Sophokles-Übertragung und sie übertrifft <lb n="p3b_192.020"/> die Arbeiten Droysens, Voßens, ja selbst Donners, der doch sonst seine <lb n="p3b_192.021"/> Muttersprache zu handhaben versteht und zum mindesten eine lesbare (wenn <lb n="p3b_192.022"/> auch trochäusfeindliche) Homerübersetzung geboten hat. Verdienstlich ist es, daß <lb n="p3b_192.023"/> sich Minckwitz der uneigennützigen Mühe unterzog, Ödipus, Antigone; die <lb n="p3b_192.024"/> Phönizierinnen, den Kyklops und die Jphigenie auf Tauris des Euripides wiederholt <lb n="p3b_192.025"/> ganz neu zu übertragen. Es genügte ihm keineswegs die bloße, redigierende <lb n="p3b_192.026"/> Umänderung seiner Stücke. Obwohl seine Jugendversuche sogar die <lb n="p3b_192.027"/> Anerkennung des übersetzungsfeindlichen Gottfr. Hermann gefunden hatten, so <lb n="p3b_192.028"/> sah er sich doch zu einer völligen Neuproduktion veranlaßt. Ungerechten, ja <lb n="p3b_192.029"/> unvernünftigen Tadel fand sein Euripides nur bei Hartung, der doch hätte <lb n="p3b_192.030"/> anerkennen sollen, daß Euripides wegen seiner Kürze besondere Schwierigkeiten <lb n="p3b_192.031"/> bietet, und Minckwitz durch Anwendung großer formeller Freiheit den Euripides <lb n="p3b_192.032"/> lesbar zu machen wußte.</p> <p><lb n="p3b_192.033"/> Als gute Übersetzer des Euripides (der schon von Manso 1785, Jakobs <lb n="p3b_192.034"/> 1805, Bothe 1800, 1822, Franz von Prevost 1782 &c. übertragen wurde) <lb n="p3b_192.035"/> sind neben Minckwitz zu nennen: Donner (1841─52), Hartung (1848─53), <lb n="p3b_192.036"/> Fritze (1856─69) u. a.</p> <p><lb n="p3b_192.037"/> Die Übersetzungen des Euripides hatten den Wunsch nach einem guten <lb n="p3b_192.038"/> <hi rendition="#g">Sophokles</hi> angeregt. <hi rendition="#g">Thudichums</hi> Übersetzung erschien 1837. Bedeutender <lb n="p3b_192.039"/> war die Übersetzung <hi rendition="#g">Donners,</hi> der das konventionelle Übersetzerdeutsch in einer <lb n="p3b_192.040"/> Weise zu vermeiden strebte, daß Preußens König seine Antigone (im Herbst 1841) <lb n="p3b_192.041"/> im Neuen Palais zu Potsdam aufführen ließ.</p> <p><lb n="p3b_192.042"/> Die neueste Übersetzung des Sophokles von C. Bruch (1880) in den <lb n="p3b_192.043"/> Versmaßen der Urschrift giebt zwar das Metrische möglichst treu wieder, verfährt <lb n="p3b_192.044"/> aber mit dem dichterischen Ausdruck ziemlich willkürlich.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0218]
p3b_192.001
welche die Möglichkeit einer Äschylus-Übersetzung beweist, ist insofern von p3b_192.002
größerer Bedeutung, als sie nachweisbaren Einfluß auf die Äschylus-Übersetzung p3b_192.003
von Heinr. Voß (dem Sohne) übte; ebenso auf Gust. Droysens p3b_192.004
moderne Übersetzung (1832), sowie auch auf die Sophokles-Übersetzung von p3b_192.005
Thudichum (1827/38).
p3b_192.006
Übertroffen wurde Humboldt durch Ottfried Müllers Übersetzung: die p3b_192.007
Eumeniden des Äschylus (1833), die in Sprache und Vers ─ namentlich auch p3b_192.008
in den Chormaßen ─ vollendet ist. Ebenso wurde er überragt durch die p3b_192.009
Äschylus-Übersetzung von Donner, besonders aber durch die von Johannes p3b_192.010
Minckwitz (in der allen Bibliotheken warm zu empfehlenden, vollständigsten p3b_192.011
Metzlerschen Sammlung: „Griechische und römische Prosaiker und Dichter in p3b_192.012
deutschen Übersetzungen“).
p3b_192.013
Minckwitz, Dichter und Philolog, also berufenster Übersetzer, hat die imponierende p3b_192.014
Aufgabe gelöst, die griechischen Tragiker im Geiste seines großen p3b_192.015
Vorbilds Platen zu übersetzen. Er bestrebte sich, wörtlich und wortgetreu zu p3b_192.016
sein, und dem Genius unserer Sprache gerecht zu werden. Er hielt es für p3b_192.017
die hohe Aufgabe des Übersetzers, den besonderen Ton jeder Versart zu treffen p3b_192.018
und die Schönheit des Versbaus doch nicht außer acht zu lassen. Seine p3b_192.019
Äschylus-Übersetzung steht noch über seiner Sophokles-Übertragung und sie übertrifft p3b_192.020
die Arbeiten Droysens, Voßens, ja selbst Donners, der doch sonst seine p3b_192.021
Muttersprache zu handhaben versteht und zum mindesten eine lesbare (wenn p3b_192.022
auch trochäusfeindliche) Homerübersetzung geboten hat. Verdienstlich ist es, daß p3b_192.023
sich Minckwitz der uneigennützigen Mühe unterzog, Ödipus, Antigone; die p3b_192.024
Phönizierinnen, den Kyklops und die Jphigenie auf Tauris des Euripides wiederholt p3b_192.025
ganz neu zu übertragen. Es genügte ihm keineswegs die bloße, redigierende p3b_192.026
Umänderung seiner Stücke. Obwohl seine Jugendversuche sogar die p3b_192.027
Anerkennung des übersetzungsfeindlichen Gottfr. Hermann gefunden hatten, so p3b_192.028
sah er sich doch zu einer völligen Neuproduktion veranlaßt. Ungerechten, ja p3b_192.029
unvernünftigen Tadel fand sein Euripides nur bei Hartung, der doch hätte p3b_192.030
anerkennen sollen, daß Euripides wegen seiner Kürze besondere Schwierigkeiten p3b_192.031
bietet, und Minckwitz durch Anwendung großer formeller Freiheit den Euripides p3b_192.032
lesbar zu machen wußte.
p3b_192.033
Als gute Übersetzer des Euripides (der schon von Manso 1785, Jakobs p3b_192.034
1805, Bothe 1800, 1822, Franz von Prevost 1782 &c. übertragen wurde) p3b_192.035
sind neben Minckwitz zu nennen: Donner (1841─52), Hartung (1848─53), p3b_192.036
Fritze (1856─69) u. a.
p3b_192.037
Die Übersetzungen des Euripides hatten den Wunsch nach einem guten p3b_192.038
Sophokles angeregt. Thudichums Übersetzung erschien 1837. Bedeutender p3b_192.039
war die Übersetzung Donners, der das konventionelle Übersetzerdeutsch in einer p3b_192.040
Weise zu vermeiden strebte, daß Preußens König seine Antigone (im Herbst 1841) p3b_192.041
im Neuen Palais zu Potsdam aufführen ließ.
p3b_192.042
Die neueste Übersetzung des Sophokles von C. Bruch (1880) in den p3b_192.043
Versmaßen der Urschrift giebt zwar das Metrische möglichst treu wieder, verfährt p3b_192.044
aber mit dem dichterischen Ausdruck ziemlich willkürlich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |