p3b_276.001 an den Hexametern des Homer, welche doch als die volkstümlichsten p3b_276.002 aller Volksweisen dastehen, fort und fort geschliffen.
p3b_276.003 Von Ariost ist bekannt, daß er die wundervolle Sprache seines Weltepos p3b_276.004 unermüdlich gefeilt und verbessert hat.
p3b_276.005 Und von Metastasio wird durch seinen Landsmann Casanova mitgeteilt, p3b_276.006 daß er als Antwort auf die Frage, ob ihm seine schönen Verse viel Mühe p3b_276.007 gekostet hätten, vier bis fünf stark radierte Seiten gezeigt habe, welche p3b_276.008 er gebraucht hätte, um vierzehn gute Verse - das höchste Pensum eines p3b_276.009 Tages - zu vollenden. "Dadurch" - so versichert Casanova - "bestätigte p3b_276.010 Metastasio eine Wahrheit, welche mir schon bekannt war: daß nämlich diejenigen p3b_276.011 Verse, welche einem Dichter die meiste Mühe kosten, gerade p3b_276.012 diejenigen sind, welche die Mehrzahl der Leser leicht hingeworfen p3b_276.013 hält."
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[Abbildung]
p3b_276.015 Den Jnhalt und Geist all dieser hervorragenden Muster der Selbstkritik p3b_276.016 und der Feile enthält Lessings klassischer, in seiner Nutzanwendung unschätzbarer p3b_276.017 Ausspruch, den wir - einem Motto ähnlich - über jeder Dichterthüre p3b_276.018 in goldenen Lettern erblicken möchten, und mit dem wir daher das p3b_276.019 letzte Hauptstück dieses Bandes wie unser ganzes System einer Deutschen p3b_276.020 Poetik abschließen:
p3b_276.021
"Veränderungen und Verbesserungen, die ein Dichter p3b_276.022 in seinen Werken macht, verdienen nicht allein angemerkt, p3b_276.023 sondern mit allem Fleiße studiert zu werden. p3b_276.024 Man studiert in ihnen die feinsten Regeln der Kunst;p3b_276.025 denn was die Meister der Kunst zu beobachten für gut befinden, p3b_276.026 das sind Regeln!" ------
p3b_276.001 an den Hexametern des Homer, welche doch als die volkstümlichsten p3b_276.002 aller Volksweisen dastehen, fort und fort geschliffen.
p3b_276.003 Von Ariost ist bekannt, daß er die wundervolle Sprache seines Weltepos p3b_276.004 unermüdlich gefeilt und verbessert hat.
p3b_276.005 Und von Metastasio wird durch seinen Landsmann Casanova mitgeteilt, p3b_276.006 daß er als Antwort auf die Frage, ob ihm seine schönen Verse viel Mühe p3b_276.007 gekostet hätten, vier bis fünf stark radierte Seiten gezeigt habe, welche p3b_276.008 er gebraucht hätte, um vierzehn gute Verse ─ das höchste Pensum eines p3b_276.009 Tages ─ zu vollenden. „Dadurch“ ─ so versichert Casanova ─ „bestätigte p3b_276.010 Metastasio eine Wahrheit, welche mir schon bekannt war: daß nämlich diejenigen p3b_276.011 Verse, welche einem Dichter die meiste Mühe kosten, gerade p3b_276.012 diejenigen sind, welche die Mehrzahl der Leser leicht hingeworfen p3b_276.013 hält.“
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p3b_276.015 Den Jnhalt und Geist all dieser hervorragenden Muster der Selbstkritik p3b_276.016 und der Feile enthält Lessings klassischer, in seiner Nutzanwendung unschätzbarer p3b_276.017 Ausspruch, den wir ─ einem Motto ähnlich ─ über jeder Dichterthüre p3b_276.018 in goldenen Lettern erblicken möchten, und mit dem wir daher das p3b_276.019 letzte Hauptstück dieses Bandes wie unser ganzes System einer Deutschen p3b_276.020 Poetik abschließen:
p3b_276.021
„Veränderungen und Verbesserungen, die ein Dichter p3b_276.022 in seinen Werken macht, verdienen nicht allein angemerkt, p3b_276.023 sondern mit allem Fleiße studiert zu werden. p3b_276.024 Man studiert in ihnen die feinsten Regeln der Kunst;p3b_276.025 denn was die Meister der Kunst zu beobachten für gut befinden, p3b_276.026 das sind Regeln!“ ──────
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Von Ariost ist bekannt, daß er die wundervolle Sprache seines Weltepos p3b_276.004
unermüdlich gefeilt und verbessert hat.
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Und von Metastasio wird durch seinen Landsmann Casanova mitgeteilt, p3b_276.006
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Den Jnhalt und Geist all dieser hervorragenden Muster der Selbstkritik p3b_276.016
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Ausspruch, den wir ─ einem Motto ähnlich ─ über jeder Dichterthüre p3b_276.018
in goldenen Lettern erblicken möchten, und mit dem wir daher das p3b_276.019
letzte Hauptstück dieses Bandes wie unser ganzes System einer Deutschen p3b_276.020
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„Veränderungen und Verbesserungen, die ein Dichter p3b_276.022
in seinen Werken macht, verdienen nicht allein angemerkt, p3b_276.023
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/302>, abgerufen am 16.02.2025.
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