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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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Ein Mörder bin ich, ein arger Sünder, - meines Unheils Begründer - und p3b_055.002
Verkünder, - der alle hundert Jahr' erscheint - und sein verlornes Leben beweint. p3b_055.003
- Wir versprachen ihn anzuhören - und sein Erzählen nicht zu stören. p3b_055.004
- Da fuhr er fort wild schaurig, - im Ton unendlich traurig: - Vor tausend p3b_055.005
Jahren - lebte hier, im Bösen unerfahren, - ein junges Blut, - wohlgemut, p3b_055.006
- brav und gut, - voll kühnem Wagemut, - vor Fahrnis allzeit auf p3b_055.007
der Hut. - Es zog ihn an ein Mädchen - vom Hirtenstand, mit Fädchen p3b_055.008
- dem Auge sichtbar nicht. - Die Brave war sein einz'ges Licht, - sein p3b_055.009
schönstes Lob- und Preisgedicht. - Zu ihr zu eilen, - bei ihr zu weilen, p3b_055.010
- war ihm kein Fluß zu breit, - kein Weg zu weit. - Wollt' er nehmen p3b_055.011
den Weg, den geraden, - mußt' er durchwaten - den Fluß - zu seinem p3b_055.012
Verdruß. - Es war gefährlich - und sehr beschwerlich - zu durchschreiten p3b_055.013
die schäumenden Fluten, - die leichtbeschuhten, - die ihn oft drohend zwangen, p3b_055.014
- zu bangen - und zu nehmen - für sein Liebesunternehmen - p3b_055.015
den nicht angenehmen, - unbequemen - fernen Krummsteg - mit großem p3b_055.016
Umweg. - Oft bestieg er den verrufenen Zauberfels, - von wo stets in p3b_055.017
lieblichstem Farbenschmelz - der Jüngling wahrnahm das Haus, - wo p3b_055.018
die Allerliebste ging ein und aus. - Aus der Vogelperspektive - sah p3b_055.019
er in unendlicher Tiefe, - er auf dem Liebesolymp ein Zeus, - da p3b_055.020
unten die tosende furchtbare Reuß. - Mit höllischem Gebraus - und lärmendem p3b_055.021
Gesaus - flutete sie dahin - seit Urbeginn - mit Würgersinn p3b_055.022
- erboste Wassermassen, - welche Liebesglück hassen, - und jene niemals p3b_055.023
frei lassen, - die mit ihrem Schmerz nicht zu Glücklichen passen. - Der p3b_055.024
Liebe Zauberfädchen - zog ihn zu seinem Mädchen. - Er rief mit lauter p3b_055.025
Stimme Schall, - daß übertönt wurde der Wiederhall - vom Reußfall - p3b_055.026
mit seinem lärmenden Wasserschwall: - O heil'ge Anastasia, - ich wollte, p3b_055.027
statt deiner der Teufel wär' da, - bauend aus einem Stücke - hinüber p3b_055.028
eine Brücke. - Kaum hatt' er geäußert sein Begehren, - fing an das p3b_055.029
Wasser der Reuß sich zu mehren, - und aus gewaltigem Wasserschuß, - abkühlend p3b_055.030
seinen Herzverdruß, - ertönte des Teufels Willkommensgruß. - p3b_055.031
Drauf senkte sich der Wasserguß - und es erschien, welch Hochgenuß! - p3b_055.032
ein schöner Gemsenjäger - und kräftiger Bogenträger. - Doch als der Hirt p3b_055.033
den Pferdfuß sah, - da war er einer Ohnmacht nah. - Der Teufel belächelte p3b_055.034
des Hirten Wehruf - und Flehruf, - den zu großes Ängsten schuf - p3b_055.035
vor dem Pferdehuf. - Er verhöhnte des Hirten Ach - und sprach: - Du, p3b_055.036
furchtsamer Rufer, - willst erreichen jenes Ufer? - Bau' doch deinem Liebesglücke p3b_055.037
- die sichere Brücke. - Oder, du Zauberfelserklimmer, - werde ein p3b_055.038
kühner Schwimmer, - wenn du der Liebe Schimmer - willst nahe sein, - p3b_055.039
um diese zu frei'n, - die jetzt ist nicht allein, - und die für dich trägt p3b_055.040
Herzens-Pein, - der deine Liebesworte sind Trostkost - und deine Küsse Trostmost p3b_055.041
- und deine Briefe Trostpost. - O wisse, Sterblicher! Noch heute p3b_055.042
wirbt dein Feind um sie! - Drum auf, der Einsamkeit entflieh' - und p3b_055.043
schleunig zu der Teuren zieh', - zu stören fremde Hausschau, - ja, Bauschau, p3b_055.044
- zu retten die Liebste vor Angst und Not - und vor der Liebe

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Ein Mörder bin ich, ein arger Sünder, ─ meines Unheils Begründer ─ und p3b_055.002
Verkünder, ─ der alle hundert Jahr' erscheint ─ und sein verlornes Leben beweint. p3b_055.003
─ Wir versprachen ihn anzuhören ─ und sein Erzählen nicht zu stören. p3b_055.004
─ Da fuhr er fort wild schaurig, ─ im Ton unendlich traurig: ─ Vor tausend p3b_055.005
Jahren ─ lebte hier, im Bösen unerfahren, ─ ein junges Blut, ─ wohlgemut, p3b_055.006
─ brav und gut, ─ voll kühnem Wagemut, ─ vor Fahrnis allzeit auf p3b_055.007
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─ war ihm kein Fluß zu breit, ─ kein Weg zu weit. ─ Wollt' er nehmen p3b_055.011
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Verdruß. ─ Es war gefährlich ─ und sehr beschwerlich ─ zu durchschreiten p3b_055.013
die schäumenden Fluten, ─ die leichtbeschuhten, ─ die ihn oft drohend zwangen, p3b_055.014
─ zu bangen ─ und zu nehmen ─ für sein Liebesunternehmen ─ p3b_055.015
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/81>, abgerufen am 30.11.2024.