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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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[Beginn Spaltensatz] auch du jetzt erwachen, o Herz. | Das p3b_060.002
Schwert der Sonne gießt im Morgenrote p3b_060.003
| das Blut der Nacht aus, Sieg p3b_060.004
erfechtend. | Voll Schlafs das Auge, p3b_060.005
sprach ich: Es ist Nacht; | er sprach: p3b_060.006
Aber nicht vor meinem Antlitze. | Solang p3b_060.007
es graut, ist der Tag zweifelhaft; p3b_060.008
| wer zweifelt am hellen Tage p3b_060.009
noch an der Sonne? | Jm Osten p3b_060.010
steht die Sonne, ich steh' im Westen, | p3b_060.011
ein Berg, an dessen Haupt der p3b_060.012
Schein sich spaltet. | Jch bin der p3b_060.013
Schönheitssonne blasser Mond; | schau p3b_060.014
weg von mir, der Sonn' ins Antlitz. | p3b_060.015
Dschelaleddin nennt sich das Licht im p3b_060.016
Ost, | des Wiederschein auch zeigen p3b_060.017
meine Verse. |

[Spaltenumbruch] p3b_060.101
Jetzt ist, o Herz, dir zu erwachen p3b_060.102
Pflicht. p3b_060.103
Das Sonnenschwert gießt aus im p3b_060.104
Morgenrot p3b_060.105
Das Blut der Nacht, von der es Sieg p3b_060.106
erficht. p3b_060.107
Voll Schlafs das Auge, sprach ich: Es p3b_060.108
ist Nacht. p3b_060.109
Er sprach: Vor meinem Angesichte nicht. p3b_060.110
Solang es graut, ist zweifelhaft der Tag; p3b_060.111
Am hellen Tag, wer zweifelt noch am p3b_060.112
Licht? p3b_060.113
Jm Osten steht das Licht, ich steh im p3b_060.114
West, p3b_060.115
Ein Berg, an dessen Haupt der Schein p3b_060.116
sich bricht. p3b_060.117
Jch bin der Schönheitssonne blasser p3b_060.118
Mond; p3b_060.119
Schau weg von mir, der Sonn' ins p3b_060.120
Angesicht! p3b_060.121
Dschelaleddin nennt sich das Licht im Ost, p3b_060.122
Des Wiederschein auch zeiget mein Gedicht.
[Ende Spaltensatz]

p3b_060.123
Aufgabe 5. Gleitender Reim. Vokal a im Endreim altige. p3b_060.124
Metrum: Der trochäische katalektische Viertakter.

p3b_060.125
[Beginn Spaltensatz]

Stoff.

p3b_060.126
Preis dir, allgewaltige, | vielgestaltige p3b_060.127
Liebe! | Licht und Schatten und p3b_060.128
das mannigfaltige Farbenspiel, | vereinige! p3b_060.129
| Du bist eine strömende, | unerschöpft p3b_060.130
reichhaltige Formenquelle. | p3b_060.131
Fördere ans Licht | alles, was Lichtgehalt p3b_060.132
hat. | Laß im Licht gedeihen p3b_060.133
und blühen | alles, was Lichtgestalt p3b_060.134
hat. | Mit deinem Hauche gleiche | p3b_060.135
jeden Zwiespalt aus. | Und laß vor p3b_060.136
deinem Blick alles, | was Mißgestalt p3b_060.137
hat, vergehen. | Wie die Rosen sich p3b_060.138
aufblättern, | so blättre die Falten p3b_060.139
meines Gemüts auf | und ich singe p3b_060.140
dir noch lange | die mannigfaltigsten p3b_060.141
Lieder. |

[Spaltenumbruch] p3b_060.101

Lösung. Von Fr. Rückert.

p3b_060.102
Preis dir, allgewaltige p3b_060.103
Liebe, vielgestaltige! p3b_060.104
Licht und Schatten, Farbenspiel, p3b_060.105
Eine, mannigfaltige! p3b_060.106
Formenquelle, die du strömst, p3b_060.107
Unerschöpft reichhaltige! p3b_060.108
Fördre zur Geburt ans Licht p3b_060.109
Alles lichtgehaltige! p3b_060.110
Laß im Licht gedeihn und blühn p3b_060.111
Alles lichtgestaltige! p3b_060.112
Gleiche aus mit deinem Hauch p3b_060.113
Jegliches zwiespaltige! p3b_060.114
Und vor deinem Blick vergehn p3b_060.115
Laß das mißgestaltige! p3b_060.116
Blättre mir wie Rosen auf p3b_060.117
Dies Gemüt, das faltige! p3b_060.118
Und noch lange sing' ich dir p3b_060.119
Lieder mannigfaltige.
[Ende Spaltensatz]

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[Beginn Spaltensatz] auch du jetzt erwachen, o Herz. │ Das p3b_060.002
Schwert der Sonne gießt im Morgenrote p3b_060.003
│ das Blut der Nacht aus, Sieg p3b_060.004
erfechtend. │ Voll Schlafs das Auge, p3b_060.005
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Aber nicht vor meinem Antlitze. │ Solang p3b_060.007
es graut, ist der Tag zweifelhaft; p3b_060.008
│ wer zweifelt am hellen Tage p3b_060.009
noch an der Sonne? │ Jm Osten p3b_060.010
steht die Sonne, ich steh' im Westen, │ p3b_060.011
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Schein sich spaltet. │ Jch bin der p3b_060.013
Schönheitssonne blasser Mond; │ schau p3b_060.014
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Dschelaleddin nennt sich das Licht im p3b_060.016
Ost, │ des Wiederschein auch zeigen p3b_060.017
meine Verse. │

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Jetzt ist, o Herz, dir zu erwachen p3b_060.102
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Er sprach: Vor meinem Angesichte nicht. p3b_060.110
Solang es graut, ist zweifelhaft der Tag; p3b_060.111
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Schau weg von mir, der Sonn' ins p3b_060.120
Angesicht! p3b_060.121
Dschelaleddin nennt sich das Licht im Ost, p3b_060.122
Des Wiederschein auch zeiget mein Gedicht.
[Ende Spaltensatz]

p3b_060.123
Aufgabe 5. Gleitender Reim. Vokal a im Endreim altige. p3b_060.124
Metrum: Der trochäische katalektische Viertakter.

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[Beginn Spaltensatz]

Stoff.

p3b_060.126
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[Spaltenumbruch] p3b_060.101

Lösung. Von Fr. Rückert.

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[60/0086] p3b_060.001 auch du jetzt erwachen, o Herz. │ Das p3b_060.002 Schwert der Sonne gießt im Morgenrote p3b_060.003 │ das Blut der Nacht aus, Sieg p3b_060.004 erfechtend. │ Voll Schlafs das Auge, p3b_060.005 sprach ich: Es ist Nacht; │ er sprach: p3b_060.006 Aber nicht vor meinem Antlitze. │ Solang p3b_060.007 es graut, ist der Tag zweifelhaft; p3b_060.008 │ wer zweifelt am hellen Tage p3b_060.009 noch an der Sonne? │ Jm Osten p3b_060.010 steht die Sonne, ich steh' im Westen, │ p3b_060.011 ein Berg, an dessen Haupt der p3b_060.012 Schein sich spaltet. │ Jch bin der p3b_060.013 Schönheitssonne blasser Mond; │ schau p3b_060.014 weg von mir, der Sonn' ins Antlitz. │ p3b_060.015 Dschelaleddin nennt sich das Licht im p3b_060.016 Ost, │ des Wiederschein auch zeigen p3b_060.017 meine Verse. │ p3b_060.101 Jetzt ist, o Herz, dir zu erwachen p3b_060.102 Pflicht. p3b_060.103 Das Sonnenschwert gießt aus im p3b_060.104 Morgenrot p3b_060.105 Das Blut der Nacht, von der es Sieg p3b_060.106 erficht. p3b_060.107 Voll Schlafs das Auge, sprach ich: Es p3b_060.108 ist Nacht. p3b_060.109 Er sprach: Vor meinem Angesichte nicht. p3b_060.110 Solang es graut, ist zweifelhaft der Tag; p3b_060.111 Am hellen Tag, wer zweifelt noch am p3b_060.112 Licht? p3b_060.113 Jm Osten steht das Licht, ich steh im p3b_060.114 West, p3b_060.115 Ein Berg, an dessen Haupt der Schein p3b_060.116 sich bricht. p3b_060.117 Jch bin der Schönheitssonne blasser p3b_060.118 Mond; p3b_060.119 Schau weg von mir, der Sonn' ins p3b_060.120 Angesicht! p3b_060.121 Dschelaleddin nennt sich das Licht im Ost, p3b_060.122 Des Wiederschein auch zeiget mein Gedicht. p3b_060.123 Aufgabe 5. Gleitender Reim. Vokal a im Endreim altige. p3b_060.124 Metrum: Der trochäische katalektische Viertakter. p3b_060.125 Stoff. p3b_060.126 Preis dir, allgewaltige, │ vielgestaltige p3b_060.127 Liebe! │ Licht und Schatten und p3b_060.128 das mannigfaltige Farbenspiel, │ vereinige! p3b_060.129 │ Du bist eine strömende, │ unerschöpft p3b_060.130 reichhaltige Formenquelle. │ p3b_060.131 Fördere ans Licht │ alles, was Lichtgehalt p3b_060.132 hat. │ Laß im Licht gedeihen p3b_060.133 und blühen │ alles, was Lichtgestalt p3b_060.134 hat. │ Mit deinem Hauche gleiche │ p3b_060.135 jeden Zwiespalt aus. │ Und laß vor p3b_060.136 deinem Blick alles, │ was Mißgestalt p3b_060.137 hat, vergehen. │ Wie die Rosen sich p3b_060.138 aufblättern, │ so blättre die Falten p3b_060.139 meines Gemüts auf │ und ich singe p3b_060.140 dir noch lange │ die mannigfaltigsten p3b_060.141 Lieder. │ p3b_060.101 Lösung. Von Fr. Rückert. p3b_060.102 Preis dir, allgewaltige p3b_060.103 Liebe, vielgestaltige! p3b_060.104 Licht und Schatten, Farbenspiel, p3b_060.105 Eine, mannigfaltige! p3b_060.106 Formenquelle, die du strömst, p3b_060.107 Unerschöpft reichhaltige! p3b_060.108 Fördre zur Geburt ans Licht p3b_060.109 Alles lichtgehaltige! p3b_060.110 Laß im Licht gedeihn und blühn p3b_060.111 Alles lichtgestaltige! p3b_060.112 Gleiche aus mit deinem Hauch p3b_060.113 Jegliches zwiespaltige! p3b_060.114 Und vor deinem Blick vergehn p3b_060.115 Laß das mißgestaltige! p3b_060.116 Blättre mir wie Rosen auf p3b_060.117 Dies Gemüt, das faltige! p3b_060.118 Und noch lange sing' ich dir p3b_060.119 Lieder mannigfaltige.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/86>, abgerufen am 30.11.2024.