Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch, viertes Kapitel.

Er ging an den Schrank und versuchte seine
Schlüssel am Schloß. Ging nicht.

Also: Eintreten! Einfach eintreten!

Er schlug mit der Faust auf die Schrank¬
thüre. Aber wie er das Poltern hörte, lief er
gleich weit weg und sah zum Fenster hinaus.

Wozu überhaupt diese Menge Geld? Hundert¬
fünfzig waren auch genug.

Er stellte das Girlingern vor. Aber der protzte
seine ganze widerliche Konsequenz auf:

-- Wie wirs ausgemacht haben, so bleibts.
Du hast mein Wort, und ich habe Deins.

Stilpe empfand eine kochende Wut über dieses
Benehmen.

Nicht einmal sagen kann ichs dem Kerl, was ich
vorhabe. Natürlich er: Jede seiner Schwestern
giebt ihm fünfzig Mark. Und ich muß solche Ge¬
meinheiten aushecken.

Aber wart nur: Diese Erfahrungen, diese
Kämpfe, die werden aus mir was Ganzes,
Eigenes machen, wo Du blos eine Molluske
bist und bleibst! Ich bin der Kämpfende! Ich
werde den Sieg haben! Und dann, oben auf
der Akropolis will ich Dirs in's Gesicht schütteln
mit meinen Fäusten: Ich habe stehlen müssen für

Zweites Buch, viertes Kapitel.

Er ging an den Schrank und verſuchte ſeine
Schlüſſel am Schloß. Ging nicht.

Alſo: Eintreten! Einfach eintreten!

Er ſchlug mit der Fauſt auf die Schrank¬
thüre. Aber wie er das Poltern hörte, lief er
gleich weit weg und ſah zum Fenſter hinaus.

Wozu überhaupt dieſe Menge Geld? Hundert¬
fünfzig waren auch genug.

Er ſtellte das Girlingern vor. Aber der protzte
ſeine ganze widerliche Konſequenz auf:

— Wie wirs ausgemacht haben, ſo bleibts.
Du haſt mein Wort, und ich habe Deins.

Stilpe empfand eine kochende Wut über dieſes
Benehmen.

Nicht einmal ſagen kann ichs dem Kerl, was ich
vorhabe. Natürlich er: Jede ſeiner Schweſtern
giebt ihm fünfzig Mark. Und ich muß ſolche Ge¬
meinheiten aushecken.

Aber wart nur: Dieſe Erfahrungen, dieſe
Kämpfe, die werden aus mir was Ganzes,
Eigenes machen, wo Du blos eine Molluske
biſt und bleibſt! Ich bin der Kämpfende! Ich
werde den Sieg haben! Und dann, oben auf
der Akropolis will ich Dirs in's Geſicht ſchütteln
mit meinen Fäuſten: Ich habe ſtehlen müſſen für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0151" n="137"/>
          <fw place="top" type="header">Zweites Buch, viertes Kapitel.<lb/></fw>
          <p>Er ging an den Schrank und ver&#x017F;uchte &#x017F;eine<lb/>
Schlü&#x017F;&#x017F;el am Schloß. Ging nicht.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o: Eintreten! Einfach eintreten!</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chlug mit der Fau&#x017F;t auf die Schrank¬<lb/>
thüre. Aber wie er das Poltern hörte, lief er<lb/>
gleich weit weg und &#x017F;ah zum Fen&#x017F;ter hinaus.</p><lb/>
          <p>Wozu überhaupt die&#x017F;e Menge Geld? Hundert¬<lb/>
fünfzig waren auch genug.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;tellte das Girlingern vor. Aber der protzte<lb/>
&#x017F;eine ganze widerliche Kon&#x017F;equenz auf:</p><lb/>
          <p>&#x2014; Wie wirs ausgemacht haben, &#x017F;o bleibts.<lb/>
Du ha&#x017F;t mein Wort, und ich habe Deins.</p><lb/>
          <p>Stilpe empfand eine kochende Wut über die&#x017F;es<lb/>
Benehmen.</p><lb/>
          <p>Nicht einmal &#x017F;agen kann ichs dem Kerl, was ich<lb/>
vorhabe. Natürlich er: Jede &#x017F;einer Schwe&#x017F;tern<lb/>
giebt ihm fünfzig Mark. Und ich muß &#x017F;olche Ge¬<lb/>
meinheiten aushecken.</p><lb/>
          <p>Aber wart nur: Die&#x017F;e Erfahrungen, die&#x017F;e<lb/>
Kämpfe, die werden aus mir was Ganzes,<lb/>
Eigenes machen, wo Du blos eine Molluske<lb/>
bi&#x017F;t und bleib&#x017F;t! Ich bin der Kämpfende! Ich<lb/>
werde den Sieg haben! Und dann, oben auf<lb/>
der Akropolis will ich Dirs in's Ge&#x017F;icht &#x017F;chütteln<lb/>
mit meinen Fäu&#x017F;ten: Ich habe &#x017F;tehlen mü&#x017F;&#x017F;en für<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0151] Zweites Buch, viertes Kapitel. Er ging an den Schrank und verſuchte ſeine Schlüſſel am Schloß. Ging nicht. Alſo: Eintreten! Einfach eintreten! Er ſchlug mit der Fauſt auf die Schrank¬ thüre. Aber wie er das Poltern hörte, lief er gleich weit weg und ſah zum Fenſter hinaus. Wozu überhaupt dieſe Menge Geld? Hundert¬ fünfzig waren auch genug. Er ſtellte das Girlingern vor. Aber der protzte ſeine ganze widerliche Konſequenz auf: — Wie wirs ausgemacht haben, ſo bleibts. Du haſt mein Wort, und ich habe Deins. Stilpe empfand eine kochende Wut über dieſes Benehmen. Nicht einmal ſagen kann ichs dem Kerl, was ich vorhabe. Natürlich er: Jede ſeiner Schweſtern giebt ihm fünfzig Mark. Und ich muß ſolche Ge¬ meinheiten aushecken. Aber wart nur: Dieſe Erfahrungen, dieſe Kämpfe, die werden aus mir was Ganzes, Eigenes machen, wo Du blos eine Molluske biſt und bleibſt! Ich bin der Kämpfende! Ich werde den Sieg haben! Und dann, oben auf der Akropolis will ich Dirs in's Geſicht ſchütteln mit meinen Fäuſten: Ich habe ſtehlen müſſen für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/151
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/151>, abgerufen am 18.12.2024.