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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Erstes Buch, viertes Kapitel.

Martha kniete sich im Bett auf und breitete
die Tauf- und Confirmationsgeschenke von weiland
Wiehr junior vor sich aus, hübsch eins neben das
andere; es gab eine lustige Reihe, die im Lichte
der roten Bettampel verstohlen blinkte.

-- Das kann schon zweihundert Mark geben,
wenn Du Dich nicht beschummeln läßt.

Sie sah die Sachen verliebt an, steckte sich die
Ringe an die Finger, schüttelte die Uhren und
hielt sie ans Ohr und ließ die Diamanten der
Busennadel leuchten.

Plötzlich warf sie den Kopf zurück, daß die
langen blonden Haare von den Brüsten weg über
die Schultern fielen und fragte erstaunt: Ja, wo
hast Du denn die Sachen her?

Stilpe überlegte. Sollte ers sagen? Hatte sie
sich damals nicht so verdammt moralisch gehabt?
Aber jetzt steht die Sache doch anders. Das Zeug
liegt auf dem Bette und gehört beinahe schon ihr.
Ob sie da nicht . .? . .

Aber er zögerte doch und sagte blos: Alte
Tauf- und Confirmationsgeschenke.

-- Und das willst Du verkaufen? Das ist
aber nicht schön von Dir!

Was? Schon das fand sie unrecht? Das em¬

Erſtes Buch, viertes Kapitel.

Martha kniete ſich im Bett auf und breitete
die Tauf- und Confirmationsgeſchenke von weiland
Wiehr junior vor ſich aus, hübſch eins neben das
andere; es gab eine luſtige Reihe, die im Lichte
der roten Bettampel verſtohlen blinkte.

— Das kann ſchon zweihundert Mark geben,
wenn Du Dich nicht beſchummeln läßt.

Sie ſah die Sachen verliebt an, ſteckte ſich die
Ringe an die Finger, ſchüttelte die Uhren und
hielt ſie ans Ohr und ließ die Diamanten der
Buſennadel leuchten.

Plötzlich warf ſie den Kopf zurück, daß die
langen blonden Haare von den Brüſten weg über
die Schultern fielen und fragte erſtaunt: Ja, wo
haſt Du denn die Sachen her?

Stilpe überlegte. Sollte ers ſagen? Hatte ſie
ſich damals nicht ſo verdammt moraliſch gehabt?
Aber jetzt ſteht die Sache doch anders. Das Zeug
liegt auf dem Bette und gehört beinahe ſchon ihr.
Ob ſie da nicht . .? . .

Aber er zögerte doch und ſagte blos: Alte
Tauf- und Confirmationsgeſchenke.

— Und das willſt Du verkaufen? Das iſt
aber nicht ſchön von Dir!

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[157/0171] Erſtes Buch, viertes Kapitel. Martha kniete ſich im Bett auf und breitete die Tauf- und Confirmationsgeſchenke von weiland Wiehr junior vor ſich aus, hübſch eins neben das andere; es gab eine luſtige Reihe, die im Lichte der roten Bettampel verſtohlen blinkte. — Das kann ſchon zweihundert Mark geben, wenn Du Dich nicht beſchummeln läßt. Sie ſah die Sachen verliebt an, ſteckte ſich die Ringe an die Finger, ſchüttelte die Uhren und hielt ſie ans Ohr und ließ die Diamanten der Buſennadel leuchten. Plötzlich warf ſie den Kopf zurück, daß die langen blonden Haare von den Brüſten weg über die Schultern fielen und fragte erſtaunt: Ja, wo haſt Du denn die Sachen her? Stilpe überlegte. Sollte ers ſagen? Hatte ſie ſich damals nicht ſo verdammt moraliſch gehabt? Aber jetzt ſteht die Sache doch anders. Das Zeug liegt auf dem Bette und gehört beinahe ſchon ihr. Ob ſie da nicht . .? . . Aber er zögerte doch und ſagte blos: Alte Tauf- und Confirmationsgeſchenke. — Und das willſt Du verkaufen? Das iſt aber nicht ſchön von Dir! Was? Schon das fand ſie unrecht? Das em¬

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/171>, abgerufen am 15.05.2024.