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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Erstes Buch, erstes Kapitel.
zu bemerken, ob derlei nicht Blödsinn zur Folge
haben könnte?

-- Nein! schnaubte Doktor Schatzheber, aber,
wenn die Wöchnerin nicht bewußtlos wäre, würde
ich Sie . . . .; dann wusch er seine Zange in
Karbol.

[Abbildung]

Tante Paulinens Benehmen ist schuld daran,
daß ich vergessen habe, den Schauplatz von Stilpes
Geburt zu nennen. Es vollzog sich dieser Akt in
Leißnig, einer kleinen sächsischen Stadt, über die ich
in Kürschners Quartlexikon nichts weiter finde, als
daß sie an der Freiberger Mulde und nicht weit
von dem Schloß Muldenstein liegt. Ich habe auch
keinen Anlaß, mich bei diesem Gemeinwesen länger
aufzuhalten, denn, wenn ich auch zu Beginn meiner
Geschichte eine kleine Stilpopädie zu liefern gedenke,
so bin ich doch weit entfernt, mich nach dem preis¬
würdigen Muster des lieben Meisters Rabelais
auch mit den Windelerlebnissen meines Freundes
zu beschäftigen. Selbst die erste Hose und die
Schulzuckertüte bringt mich nicht von dem Vorsatz
ab, erst in dem Augenblick einzusetzen, wo mein

Erſtes Buch, erſtes Kapitel.
zu bemerken, ob derlei nicht Blödſinn zur Folge
haben könnte?

— Nein! ſchnaubte Doktor Schatzheber, aber,
wenn die Wöchnerin nicht bewußtlos wäre, würde
ich Sie . . . .; dann wuſch er ſeine Zange in
Karbol.

[Abbildung]

Tante Paulinens Benehmen iſt ſchuld daran,
daß ich vergeſſen habe, den Schauplatz von Stilpes
Geburt zu nennen. Es vollzog ſich dieſer Akt in
Leißnig, einer kleinen ſächſiſchen Stadt, über die ich
in Kürſchners Quartlexikon nichts weiter finde, als
daß ſie an der Freiberger Mulde und nicht weit
von dem Schloß Muldenſtein liegt. Ich habe auch
keinen Anlaß, mich bei dieſem Gemeinweſen länger
aufzuhalten, denn, wenn ich auch zu Beginn meiner
Geſchichte eine kleine Stilpopädie zu liefern gedenke,
ſo bin ich doch weit entfernt, mich nach dem preis¬
würdigen Muſter des lieben Meiſters Rabelais
auch mit den Windelerlebniſſen meines Freundes
zu beſchäftigen. Selbſt die erſte Hoſe und die
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[5/0019] Erſtes Buch, erſtes Kapitel. zu bemerken, ob derlei nicht Blödſinn zur Folge haben könnte? — Nein! ſchnaubte Doktor Schatzheber, aber, wenn die Wöchnerin nicht bewußtlos wäre, würde ich Sie . . . .; dann wuſch er ſeine Zange in Karbol. [Abbildung] Tante Paulinens Benehmen iſt ſchuld daran, daß ich vergeſſen habe, den Schauplatz von Stilpes Geburt zu nennen. Es vollzog ſich dieſer Akt in Leißnig, einer kleinen ſächſiſchen Stadt, über die ich in Kürſchners Quartlexikon nichts weiter finde, als daß ſie an der Freiberger Mulde und nicht weit von dem Schloß Muldenſtein liegt. Ich habe auch keinen Anlaß, mich bei dieſem Gemeinweſen länger aufzuhalten, denn, wenn ich auch zu Beginn meiner Geſchichte eine kleine Stilpopädie zu liefern gedenke, ſo bin ich doch weit entfernt, mich nach dem preis¬ würdigen Muſter des lieben Meiſters Rabelais auch mit den Windelerlebniſſen meines Freundes zu beſchäftigen. Selbſt die erſte Hoſe und die Schulzuckertüte bringt mich nicht von dem Vorſatz ab, erſt in dem Augenblick einzuſetzen, wo mein

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/19>, abgerufen am 29.04.2024.