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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Drittes Buch, drittes Kapitel.

Und sofort malte er sich eine vollkommene Um¬
wälzung der deutschen Zeitungslitteratur aus, die
vor sich gehen würde, wenn er zu ihr gehörte.

Aber, als ihm ein Artikel, den er einmal in
den Ferien geschrieben hatte, zurückgeschickt wurde,
erfaßte ihn gleich wieder der große Ekel vor diesen
"öffentlichen Männern, die sich zeilenweise prosti¬
tuieren und sich von ihren weiblichen Berufs¬
genossinnen nur dadurch unterscheiden, daß sie
nicht gutmütig wie jene sind." Und die Zeitungen
nannte er nun wieder "Holzpapierbordells".

[Abbildung]

Um diese Zeit war es, daß Girlinger wieder
vor ihm auftauchte.

Girlinger hatte in Zürich und Genf studiert,
trug schwarze Coteletten, einen Cylinder und immer
Handschuhe. Er war sehr gesetzt und durchaus
solide. Sein Plan war eigentlich gewesen, roma¬
nische Philologie zu studieren, und er hatte diesem
Fach, wofür er Fleiß und Talent in sehr hohem Grade
besaß, auch wirklich mit Eifer obgelegen, aber, da
sein Vater darauf bestand, er müsse sich der Juris¬

Drittes Buch, drittes Kapitel.

Und ſofort malte er ſich eine vollkommene Um¬
wälzung der deutſchen Zeitungslitteratur aus, die
vor ſich gehen würde, wenn er zu ihr gehörte.

Aber, als ihm ein Artikel, den er einmal in
den Ferien geſchrieben hatte, zurückgeſchickt wurde,
erfaßte ihn gleich wieder der große Ekel vor dieſen
„öffentlichen Männern, die ſich zeilenweiſe proſti¬
tuieren und ſich von ihren weiblichen Berufs¬
genoſſinnen nur dadurch unterſcheiden, daß ſie
nicht gutmütig wie jene ſind.“ Und die Zeitungen
nannte er nun wieder „Holzpapierbordells“.

[Abbildung]

Um dieſe Zeit war es, daß Girlinger wieder
vor ihm auftauchte.

Girlinger hatte in Zürich und Genf ſtudiert,
trug ſchwarze Coteletten, einen Cylinder und immer
Handſchuhe. Er war ſehr geſetzt und durchaus
ſolide. Sein Plan war eigentlich geweſen, roma¬
niſche Philologie zu ſtudieren, und er hatte dieſem
Fach, wofür er Fleiß und Talent in ſehr hohem Grade
beſaß, auch wirklich mit Eifer obgelegen, aber, da
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[253/0267] Drittes Buch, drittes Kapitel. Und ſofort malte er ſich eine vollkommene Um¬ wälzung der deutſchen Zeitungslitteratur aus, die vor ſich gehen würde, wenn er zu ihr gehörte. Aber, als ihm ein Artikel, den er einmal in den Ferien geſchrieben hatte, zurückgeſchickt wurde, erfaßte ihn gleich wieder der große Ekel vor dieſen „öffentlichen Männern, die ſich zeilenweiſe proſti¬ tuieren und ſich von ihren weiblichen Berufs¬ genoſſinnen nur dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht gutmütig wie jene ſind.“ Und die Zeitungen nannte er nun wieder „Holzpapierbordells“. [Abbildung] Um dieſe Zeit war es, daß Girlinger wieder vor ihm auftauchte. Girlinger hatte in Zürich und Genf ſtudiert, trug ſchwarze Coteletten, einen Cylinder und immer Handſchuhe. Er war ſehr geſetzt und durchaus ſolide. Sein Plan war eigentlich geweſen, roma¬ niſche Philologie zu ſtudieren, und er hatte dieſem Fach, wofür er Fleiß und Talent in ſehr hohem Grade beſaß, auch wirklich mit Eifer obgelegen, aber, da ſein Vater darauf beſtand, er müſſe ſich der Juris¬

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/267>, abgerufen am 22.11.2024.