prudenz widmen, so hatte er sich schließlich dazu verstanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit Eifer und Zielbewußtsein. Ein gewisser Zug von echter Resignation stand ihm dabei sehr gut. Äußerlich erlebt hatte er so gut wie nichts, aber er hatte viel an sich gearbeitet.
Als er Stilpen zum ersten Mal in seiner gelben Mütze sah, nahm er seinen Cylinder sehr tief und zeremoniell ab und machte sogar eine Ver¬ beugung dabei.
Stilpe empfand das als Hohn und stürzte sich auf ihn:
-- Ach, der Herr Referendar! Welch ein Cylinder! Wo hast Du die Sametbürste, Freund meiner Jugend?
Girlinger erwiderte: Ich schlage einen anderen Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen. Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du, denn ich stehe im ersten juristischen Semester.
-- Ich schlage vor, daß wir weder von Se¬ mestern noch von Examen reden, wenn wir uns unterhalten wollen. Ich spreche nicht gerne von gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬ tierung bemerke ich, daß ich immer noch als stud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß
Stilpe.
prudenz widmen, ſo hatte er ſich ſchließlich dazu verſtanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit Eifer und Zielbewußtſein. Ein gewiſſer Zug von echter Reſignation ſtand ihm dabei ſehr gut. Äußerlich erlebt hatte er ſo gut wie nichts, aber er hatte viel an ſich gearbeitet.
Als er Stilpen zum erſten Mal in ſeiner gelben Mütze ſah, nahm er ſeinen Cylinder ſehr tief und zeremoniell ab und machte ſogar eine Ver¬ beugung dabei.
Stilpe empfand das als Hohn und ſtürzte ſich auf ihn:
— Ach, der Herr Referendar! Welch ein Cylinder! Wo haſt Du die Sametbürſte, Freund meiner Jugend?
Girlinger erwiderte: Ich ſchlage einen anderen Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen. Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du, denn ich ſtehe im erſten juriſtiſchen Semeſter.
— Ich ſchlage vor, daß wir weder von Se¬ meſtern noch von Examen reden, wenn wir uns unterhalten wollen. Ich ſpreche nicht gerne von gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬ tierung bemerke ich, daß ich immer noch als ſtud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="254"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw>prudenz widmen, ſo hatte er ſich ſchließlich dazu<lb/>
verſtanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit<lb/>
Eifer und Zielbewußtſein. Ein gewiſſer Zug von<lb/>
echter Reſignation ſtand ihm dabei ſehr gut.<lb/>
Äußerlich erlebt hatte er ſo gut wie nichts, aber<lb/>
er hatte viel an ſich gearbeitet.</p><lb/><p>Als er Stilpen zum erſten Mal in ſeiner<lb/>
gelben Mütze ſah, nahm er ſeinen Cylinder ſehr<lb/>
tief und zeremoniell ab und machte ſogar eine Ver¬<lb/>
beugung dabei.</p><lb/><p>Stilpe empfand das als Hohn und ſtürzte ſich<lb/>
auf ihn:</p><lb/><p>— Ach, der Herr Referendar! Welch ein<lb/>
Cylinder! Wo haſt Du die Sametbürſte, Freund<lb/>
meiner Jugend?</p><lb/><p>Girlinger erwiderte: Ich ſchlage einen anderen<lb/>
Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen.<lb/>
Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du,<lb/>
denn ich ſtehe im erſten juriſtiſchen Semeſter.</p><lb/><p>— Ich ſchlage vor, daß wir weder von Se¬<lb/>
meſtern noch von Examen reden, wenn wir uns<lb/>
unterhalten wollen. Ich ſpreche nicht gerne von<lb/>
gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬<lb/>
tierung bemerke ich, daß ich immer noch als<lb/>ſtud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[254/0268]
Stilpe.
prudenz widmen, ſo hatte er ſich ſchließlich dazu
verſtanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit
Eifer und Zielbewußtſein. Ein gewiſſer Zug von
echter Reſignation ſtand ihm dabei ſehr gut.
Äußerlich erlebt hatte er ſo gut wie nichts, aber
er hatte viel an ſich gearbeitet.
Als er Stilpen zum erſten Mal in ſeiner
gelben Mütze ſah, nahm er ſeinen Cylinder ſehr
tief und zeremoniell ab und machte ſogar eine Ver¬
beugung dabei.
Stilpe empfand das als Hohn und ſtürzte ſich
auf ihn:
— Ach, der Herr Referendar! Welch ein
Cylinder! Wo haſt Du die Sametbürſte, Freund
meiner Jugend?
Girlinger erwiderte: Ich ſchlage einen anderen
Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen.
Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du,
denn ich ſtehe im erſten juriſtiſchen Semeſter.
— Ich ſchlage vor, daß wir weder von Se¬
meſtern noch von Examen reden, wenn wir uns
unterhalten wollen. Ich ſpreche nicht gerne von
gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬
tierung bemerke ich, daß ich immer noch als
ſtud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/268>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.