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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten
umsehen muß.

-- Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit solchen
Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig
russisch wäre, wärst Du sicher schon Beamter der
achten Rangklasse.

-- Ja, wenn Du mich verhöhnen willst . . .

-- Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin
so matsch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur
noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich
auch noch nicht gegessen. Da sollte ich höhnen?
Nein, ich höhne nicht.

-- Aber, Mensch, wovon lebst Du eigentlich!

-- Sei unbesorgt: Louis bin ich nicht, obwohl
. . . na, gleichviel. Du warst im Theater?

-- Ja.

-- Ich auch.

-- Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬
brot . . .

-- Ja, die Kunst, mein Lieber! Die Kunst!
Ich bin nämlich Aushilfsstatist. Hast Du mich
nicht bemerkt? Gelbe Schlappstiefel und einen
grünen Busch. Ho! Wenn nur die Wämmser
nicht so stänken . . . Aber, was: Der Häusser, das
ist ein Kerl! Wie? Es ist gemein von Heinrich,

Stilpe.
Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten
umſehen muß.

— Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit ſolchen
Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig
ruſſiſch wäre, wärſt Du ſicher ſchon Beamter der
achten Rangklaſſe.

— Ja, wenn Du mich verhöhnen willſt . . .

— Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin
ſo matſch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur
noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich
auch noch nicht gegeſſen. Da ſollte ich höhnen?
Nein, ich höhne nicht.

— Aber, Menſch, wovon lebſt Du eigentlich!

— Sei unbeſorgt: Louis bin ich nicht, obwohl
. . . na, gleichviel. Du warſt im Theater?

— Ja.

— Ich auch.

— Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬
brot . . .

— Ja, die Kunſt, mein Lieber! Die Kunſt!
Ich bin nämlich Aushilfsſtatiſt. Haſt Du mich
nicht bemerkt? Gelbe Schlappſtiefel und einen
grünen Buſch. Ho! Wenn nur die Wämmſer
nicht ſo ſtänken . . . Aber, was: Der Häuſſer, das
iſt ein Kerl! Wie? Es iſt gemein von Heinrich,

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[286/0300] Stilpe. Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten umſehen muß. — Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit ſolchen Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig ruſſiſch wäre, wärſt Du ſicher ſchon Beamter der achten Rangklaſſe. — Ja, wenn Du mich verhöhnen willſt . . . — Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin ſo matſch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich auch noch nicht gegeſſen. Da ſollte ich höhnen? Nein, ich höhne nicht. — Aber, Menſch, wovon lebſt Du eigentlich! — Sei unbeſorgt: Louis bin ich nicht, obwohl . . . na, gleichviel. Du warſt im Theater? — Ja. — Ich auch. — Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬ brot . . . — Ja, die Kunſt, mein Lieber! Die Kunſt! Ich bin nämlich Aushilfsſtatiſt. Haſt Du mich nicht bemerkt? Gelbe Schlappſtiefel und einen grünen Buſch. Ho! Wenn nur die Wämmſer nicht ſo ſtänken . . . Aber, was: Der Häuſſer, das iſt ein Kerl! Wie? Es iſt gemein von Heinrich,

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/300>, abgerufen am 22.11.2024.