Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten umsehen muß.
-- Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit solchen Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig russisch wäre, wärst Du sicher schon Beamter der achten Rangklasse.
-- Ja, wenn Du mich verhöhnen willst . . .
-- Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin so matsch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich auch noch nicht gegessen. Da sollte ich höhnen? Nein, ich höhne nicht.
-- Aber, Mensch, wovon lebst Du eigentlich!
-- Sei unbesorgt: Louis bin ich nicht, obwohl . . . na, gleichviel. Du warst im Theater?
-- Ja.
-- Ich auch.
-- Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬ brot . . .
-- Ja, die Kunst, mein Lieber! Die Kunst! Ich bin nämlich Aushilfsstatist. Hast Du mich nicht bemerkt? Gelbe Schlappstiefel und einen grünen Busch. Ho! Wenn nur die Wämmser nicht so stänken . . . Aber, was: Der Häusser, das ist ein Kerl! Wie? Es ist gemein von Heinrich,
Stilpe.
Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten umſehen muß.
— Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit ſolchen Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig ruſſiſch wäre, wärſt Du ſicher ſchon Beamter der achten Rangklaſſe.
— Ja, wenn Du mich verhöhnen willſt . . .
— Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin ſo matſch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich auch noch nicht gegeſſen. Da ſollte ich höhnen? Nein, ich höhne nicht.
— Aber, Menſch, wovon lebſt Du eigentlich!
— Sei unbeſorgt: Louis bin ich nicht, obwohl . . . na, gleichviel. Du warſt im Theater?
— Ja.
— Ich auch.
— Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬ brot . . .
— Ja, die Kunſt, mein Lieber! Die Kunſt! Ich bin nämlich Aushilfsſtatiſt. Haſt Du mich nicht bemerkt? Gelbe Schlappſtiefel und einen grünen Buſch. Ho! Wenn nur die Wämmſer nicht ſo ſtänken . . . Aber, was: Der Häuſſer, das iſt ein Kerl! Wie? Es iſt gemein von Heinrich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0300"n="286"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw>Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten<lb/>
umſehen muß.</p><lb/><p>— Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit ſolchen<lb/>
Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig<lb/>
ruſſiſch wäre, wärſt Du ſicher ſchon Beamter der<lb/>
achten Rangklaſſe.</p><lb/><p>— Ja, wenn Du mich verhöhnen willſt . . .</p><lb/><p>— Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin<lb/>ſo matſch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur<lb/>
noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich<lb/>
auch noch nicht gegeſſen. Da ſollte ich höhnen?<lb/>
Nein, ich höhne nicht.</p><lb/><p>— Aber, Menſch, wovon lebſt Du eigentlich!</p><lb/><p>— Sei unbeſorgt: Louis bin ich nicht, obwohl<lb/>
. . . na, gleichviel. Du warſt im Theater?</p><lb/><p>— Ja.</p><lb/><p>— Ich auch.</p><lb/><p>— Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬<lb/>
brot . . .</p><lb/><p>— Ja, die Kunſt, mein Lieber! Die Kunſt!<lb/>
Ich bin nämlich Aushilfsſtatiſt. Haſt Du mich<lb/>
nicht bemerkt? Gelbe Schlappſtiefel und einen<lb/>
grünen Buſch. Ho! Wenn nur die Wämmſer<lb/>
nicht ſo ſtänken . . . Aber, was: Der Häuſſer, das<lb/>
iſt ein Kerl! Wie? Es iſt gemein von Heinrich,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[286/0300]
Stilpe.
Sitzung habe und mich noch etwas in den Akten
umſehen muß.
— Sitzung! Akten! Nein, daß ich mit ſolchen
Würdenträgern umgehen darf! Wenn Leipzig
ruſſiſch wäre, wärſt Du ſicher ſchon Beamter der
achten Rangklaſſe.
— Ja, wenn Du mich verhöhnen willſt . . .
— Nein, Girlinger, wirklich nicht. Nee. Ich bin
ſo matſch . . Weißt Du, meine Stiefeln haben nur
noch nominell Sohlen, und Abendbrot hab ich
auch noch nicht gegeſſen. Da ſollte ich höhnen?
Nein, ich höhne nicht.
— Aber, Menſch, wovon lebſt Du eigentlich!
— Sei unbeſorgt: Louis bin ich nicht, obwohl
. . . na, gleichviel. Du warſt im Theater?
— Ja.
— Ich auch.
— Wie? Obwohl Du kein Geld zum Abend¬
brot . . .
— Ja, die Kunſt, mein Lieber! Die Kunſt!
Ich bin nämlich Aushilfsſtatiſt. Haſt Du mich
nicht bemerkt? Gelbe Schlappſtiefel und einen
grünen Buſch. Ho! Wenn nur die Wämmſer
nicht ſo ſtänken . . . Aber, was: Der Häuſſer, das
iſt ein Kerl! Wie? Es iſt gemein von Heinrich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/300>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.