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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
zu schreiben, wie er sprach, hätte er nicht im
Grunde wider sein Wesen und wider seinen Stil
schreiben müssen, so wäre die Gewaltaktion des
Tintensumpfes kaum in dieser brückenabbrecherischen
Art vor sich gegangen.

Er selber ahnte dies nur dunkel, in den seltenen
Stimmungen, wo er sich einmal vor die Seele
führte, was er eigentlich gethan hatte mit seinem
Schritt, den niemand begriff, und hinter dem man
in den betroffenen Kreisen allerlei weitgehende Ab¬
sichten vermutete, weil man es sich nicht vorstellen
konnte, daß ein so "gerissener Kunde" wie Stilpe,
der bisher ein Lager immer nur verlassen hatte,
weil in einem anderen weichere Polster winkten, sich
ohne bestimmte Aussichten eine ausgezeichnete Posi¬
tion verscherzt haben sollte.

Gerade jetzt, wie er die neuen Freunde erwartete,
bedachte er einmal seine Lage.

Die Hände unterm Kopf zusammengeschlagen,
die kurze englische Pfeife mit Old Judge im
Munde, lag er auf dem breiten Lederdivan und
betrachtete ein großes, rot, grün und schwarz ge¬
haltenes Plakat, das an der Wand gegenüber be¬
festigt war. Die Worte darauf, in riesigen ziegel¬
roten Buchstaben, lauteten:

Stilpe.
zu ſchreiben, wie er ſprach, hätte er nicht im
Grunde wider ſein Weſen und wider ſeinen Stil
ſchreiben müſſen, ſo wäre die Gewaltaktion des
Tintenſumpfes kaum in dieſer brückenabbrecheriſchen
Art vor ſich gegangen.

Er ſelber ahnte dies nur dunkel, in den ſeltenen
Stimmungen, wo er ſich einmal vor die Seele
führte, was er eigentlich gethan hatte mit ſeinem
Schritt, den niemand begriff, und hinter dem man
in den betroffenen Kreiſen allerlei weitgehende Ab¬
ſichten vermutete, weil man es ſich nicht vorſtellen
konnte, daß ein ſo „geriſſener Kunde“ wie Stilpe,
der bisher ein Lager immer nur verlaſſen hatte,
weil in einem anderen weichere Polſter winkten, ſich
ohne beſtimmte Ausſichten eine ausgezeichnete Poſi¬
tion verſcherzt haben ſollte.

Gerade jetzt, wie er die neuen Freunde erwartete,
bedachte er einmal ſeine Lage.

Die Hände unterm Kopf zuſammengeſchlagen,
die kurze engliſche Pfeife mit Old Judge im
Munde, lag er auf dem breiten Lederdivan und
betrachtete ein großes, rot, grün und ſchwarz ge¬
haltenes Plakat, das an der Wand gegenüber be¬
feſtigt war. Die Worte darauf, in rieſigen ziegel¬
roten Buchſtaben, lauteten:

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[326/0340] Stilpe. zu ſchreiben, wie er ſprach, hätte er nicht im Grunde wider ſein Weſen und wider ſeinen Stil ſchreiben müſſen, ſo wäre die Gewaltaktion des Tintenſumpfes kaum in dieſer brückenabbrecheriſchen Art vor ſich gegangen. Er ſelber ahnte dies nur dunkel, in den ſeltenen Stimmungen, wo er ſich einmal vor die Seele führte, was er eigentlich gethan hatte mit ſeinem Schritt, den niemand begriff, und hinter dem man in den betroffenen Kreiſen allerlei weitgehende Ab¬ ſichten vermutete, weil man es ſich nicht vorſtellen konnte, daß ein ſo „geriſſener Kunde“ wie Stilpe, der bisher ein Lager immer nur verlaſſen hatte, weil in einem anderen weichere Polſter winkten, ſich ohne beſtimmte Ausſichten eine ausgezeichnete Poſi¬ tion verſcherzt haben ſollte. Gerade jetzt, wie er die neuen Freunde erwartete, bedachte er einmal ſeine Lage. Die Hände unterm Kopf zuſammengeſchlagen, die kurze engliſche Pfeife mit Old Judge im Munde, lag er auf dem breiten Lederdivan und betrachtete ein großes, rot, grün und ſchwarz ge¬ haltenes Plakat, das an der Wand gegenüber be¬ feſtigt war. Die Worte darauf, in rieſigen ziegel¬ roten Buchſtaben, lauteten:

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/340>, abgerufen am 22.11.2024.