Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Viertes Buch, zweites Kapitel. dieses Gesichtes beitrug. Die Haare trug sie inder Mitte gescheitelt und, die Schläfen wie einen großen Teil der Stirne ganz bedeckend, glatt über die Ohren gelegt; hinten bildete ihre dichte Fülle einen üppigen Zopfkranz. Diese Frisur gab ihr etwas süß Frauliches zu dem Kindlichen. Wenn man ihr aber genauer in die Augen sah, so spürte man, daß eine heitere Energie der Grundzug dieses Wesens war. Sie war, eine geborene Holsteinerin, dänisch- -- Ach Gott, Du wärst so reizend, wenn Du Der Respekt, den er vor ihr hatte, brachte es -- Siehst Du, mein blondes Gewissen, ich Viertes Buch, zweites Kapitel. dieſes Geſichtes beitrug. Die Haare trug ſie inder Mitte geſcheitelt und, die Schläfen wie einen großen Teil der Stirne ganz bedeckend, glatt über die Ohren gelegt; hinten bildete ihre dichte Fülle einen üppigen Zopfkranz. Dieſe Friſur gab ihr etwas ſüß Frauliches zu dem Kindlichen. Wenn man ihr aber genauer in die Augen ſah, ſo ſpürte man, daß eine heitere Energie der Grundzug dieſes Weſens war. Sie war, eine geborene Holſteinerin, däniſch- — Ach Gott, Du wärſt ſo reizend, wenn Du Der Reſpekt, den er vor ihr hatte, brachte es — Siehſt Du, mein blondes Gewiſſen, ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0363" n="349"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw> dieſes Geſichtes beitrug. Die Haare trug ſie in<lb/> der Mitte geſcheitelt und, die Schläfen wie einen<lb/> großen Teil der Stirne ganz bedeckend, glatt über<lb/> die Ohren gelegt; hinten bildete ihre dichte Fülle<lb/> einen üppigen Zopfkranz. Dieſe Friſur gab ihr<lb/> etwas ſüß Frauliches zu dem Kindlichen. Wenn<lb/> man ihr aber genauer in die Augen ſah, ſo ſpürte<lb/> man, daß eine heitere Energie der Grundzug dieſes<lb/> Weſens war.</p><lb/> <p>Sie war, eine geborene Holſteinerin, däniſch-<lb/> deutſche Liederſängerin und trat jetzt im Winter¬<lb/> garten auf. Stilpen hatte ſie ſehr gerne, aber ſie<lb/> war nicht eigentlich ſein Fall. Er liebte „die<lb/> Weiber nicht ſehr, vor denen man Reſpekt haben<lb/> muß“, und vor ihr hatte er Reſpekt.</p><lb/> <p>— Ach Gott, Du wärſt ſo reizend, wenn Du<lb/> nicht im Grunde ſo anſtändig wärſt, hatte er oft<lb/> zu ihr geſagt. Man kommt ſich mit Dir immer<lb/> verheiratet vor.</p><lb/> <p>Der Reſpekt, den er vor ihr hatte, brachte es<lb/> jetzt auch zuſtande, daß er ſich erhob und ein bischen<lb/> nüchtern wurde.</p><lb/> <p>— Siehſt Du, mein blondes Gewiſſen, ich<lb/> konnte nicht kommen. Erſt die Litteratur, dann die<lb/> Liebe. Wir haben ſoeben die deutſche Litteratur<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [349/0363]
Viertes Buch, zweites Kapitel.
dieſes Geſichtes beitrug. Die Haare trug ſie in
der Mitte geſcheitelt und, die Schläfen wie einen
großen Teil der Stirne ganz bedeckend, glatt über
die Ohren gelegt; hinten bildete ihre dichte Fülle
einen üppigen Zopfkranz. Dieſe Friſur gab ihr
etwas ſüß Frauliches zu dem Kindlichen. Wenn
man ihr aber genauer in die Augen ſah, ſo ſpürte
man, daß eine heitere Energie der Grundzug dieſes
Weſens war.
Sie war, eine geborene Holſteinerin, däniſch-
deutſche Liederſängerin und trat jetzt im Winter¬
garten auf. Stilpen hatte ſie ſehr gerne, aber ſie
war nicht eigentlich ſein Fall. Er liebte „die
Weiber nicht ſehr, vor denen man Reſpekt haben
muß“, und vor ihr hatte er Reſpekt.
— Ach Gott, Du wärſt ſo reizend, wenn Du
nicht im Grunde ſo anſtändig wärſt, hatte er oft
zu ihr geſagt. Man kommt ſich mit Dir immer
verheiratet vor.
Der Reſpekt, den er vor ihr hatte, brachte es
jetzt auch zuſtande, daß er ſich erhob und ein bischen
nüchtern wurde.
— Siehſt Du, mein blondes Gewiſſen, ich
konnte nicht kommen. Erſt die Litteratur, dann die
Liebe. Wir haben ſoeben die deutſche Litteratur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |