Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Stilpe. unter euch waren nicht einmal Psychologen, höchstens,daß sie instinktmäßig ahnten, daß in mir mehr war, als in ihnen, und dafür mußte ich geduckt werden. Geduckt, ich! In mich hinein fraß ich einen Haß gegen Alles, das nicht ich war, meine ganze Jugend wurde ein Eitergeschwür, all mein Blut verdarb, weil ihr mich drücktet! Wie das Alles auf einmal vor mir steht. Wie Nie, seit Jahren nicht, sah ich so klar. Nie, Wird man hellseherisch durch einen großen Denn, -- Ruhe! Ruhe! nur noch einen Augen¬ Stilpe. unter euch waren nicht einmal Pſychologen, höchſtens,daß ſie inſtinktmäßig ahnten, daß in mir mehr war, als in ihnen, und dafür mußte ich geduckt werden. Geduckt, ich! In mich hinein fraß ich einen Haß gegen Alles, das nicht ich war, meine ganze Jugend wurde ein Eitergeſchwür, all mein Blut verdarb, weil ihr mich drücktet! Wie das Alles auf einmal vor mir ſteht. Wie Nie, ſeit Jahren nicht, ſah ich ſo klar. Nie, Wird man hellſeheriſch durch einen großen Denn, — Ruhe! Ruhe! nur noch einen Augen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0426" n="412"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw> unter euch waren nicht einmal Pſychologen, höchſtens,<lb/> daß ſie inſtinktmäßig ahnten, daß in mir mehr<lb/> war, als in ihnen, und dafür mußte ich geduckt<lb/> werden. Geduckt, ich! In mich hinein fraß ich<lb/> einen Haß gegen Alles, das nicht ich war, meine<lb/> ganze Jugend wurde ein Eitergeſchwür, all mein<lb/> Blut verdarb, weil ihr mich drücktet!</p><lb/> <p>Wie das Alles auf einmal vor mir ſteht. Wie<lb/> ein ſchwefelgelber, brunſtrot geäderter Sonnen¬<lb/> untergang.</p><lb/> <p>Nie, ſeit Jahren nicht, ſah ich ſo klar. Nie,<lb/> ſeit Jahren nicht, war ich ſo bewegt. Nie, ſeit<lb/> Jahren nicht, fühlte ich mich ſo frei wie in dieſem<lb/> jetzigen Augenblicke.</p><lb/> <p>Wird man hellſeheriſch durch einen großen<lb/> Entſchluß? Oder — — — bin ich endlich,<lb/> endlich wieder einmal betrunken? Dann — —<lb/> könnte ich ja den großen Entſchluß wieder auf¬<lb/> geben?</p><lb/> <p>Denn, — Ruhe! Ruhe! nur noch einen Augen¬<lb/> blick Ruhe! — warum hat ſichs in mir eingeniſtet,<lb/> eingegraben wie mit tauſend feuchten Klauen, daß<lb/> ich ein Ende machen muß? Lauf mir nicht fort,<lb/> Bewußtſein! Bleib, daß ich mirs ſage, klar, glatt,<lb/> hell, daß ich es wenigſtens einen Augenblick lang<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [412/0426]
Stilpe.
unter euch waren nicht einmal Pſychologen, höchſtens,
daß ſie inſtinktmäßig ahnten, daß in mir mehr
war, als in ihnen, und dafür mußte ich geduckt
werden. Geduckt, ich! In mich hinein fraß ich
einen Haß gegen Alles, das nicht ich war, meine
ganze Jugend wurde ein Eitergeſchwür, all mein
Blut verdarb, weil ihr mich drücktet!
Wie das Alles auf einmal vor mir ſteht. Wie
ein ſchwefelgelber, brunſtrot geäderter Sonnen¬
untergang.
Nie, ſeit Jahren nicht, ſah ich ſo klar. Nie,
ſeit Jahren nicht, war ich ſo bewegt. Nie, ſeit
Jahren nicht, fühlte ich mich ſo frei wie in dieſem
jetzigen Augenblicke.
Wird man hellſeheriſch durch einen großen
Entſchluß? Oder — — — bin ich endlich,
endlich wieder einmal betrunken? Dann — —
könnte ich ja den großen Entſchluß wieder auf¬
geben?
Denn, — Ruhe! Ruhe! nur noch einen Augen¬
blick Ruhe! — warum hat ſichs in mir eingeniſtet,
eingegraben wie mit tauſend feuchten Klauen, daß
ich ein Ende machen muß? Lauf mir nicht fort,
Bewußtſein! Bleib, daß ich mirs ſage, klar, glatt,
hell, daß ich es wenigſtens einen Augenblick lang
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