Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Todt-Lebenden.
Unschuldige aus zuschelten. Diß Schel-
ten/ (widerredte er/) ist eine Lobrede ih-
rer Vollkommenheit. Man preiset ei-
nen Feind für dapfer/ wann man die von
ihm empfangene Wunden vorweiset.
Weil du sie dann lobest/ (sagte Dori-
lis/) nun sie gegen dir grausam ist: so wür-
dest du sie ja schelten müssen/ wann sie
gütig würde. Keineswegs! (versetzte
er/) sondern ich wolte ihr zweyfaches Lob
zahlen: das erste/ ihrer Zucht; und das
andre/ ihrer Holdseligkeit. Sie hat/
(erwiederte die Nymfe/) ihrer Ehre zum
Vortheil/ mehr dein Schelten als Loben
zuverlangen. Und du/ wann dir ihr
Ehr-ansehen lieb ist/ wie es dann billig
seyn soll/ hast Ursach/ ihre Zucht/ viel-
mehr/ dir zu Schmerzen/ lobbar/ als dir
zur Wollust/ bescholten zumachen. Mei-
nes erachtens/ (setzte Sylvia hinzu/) ist
ein Weibsbild lobwurdiger/ wann sie
durch ihre Grausamkeit ihren Verlieb-
ten zu todt martert/ als wann sie/ nach sei-
nem Wunsche sich bequemend/ ihm das
Leben erlängert. Es wird das bäste seyn/

(beschlos-

Die Todt-Lebenden.
Unſchuldige aus zuſchelten. Diß Schel-
ten/ (widerredte er/) iſt eine Lobrede ih-
rer Vollkommenheit. Man preiſet ei-
nen Feind fuͤr dapfer/ wann man die von
ihm empfangene Wunden vorweiſet.
Weil du ſie dann lobeſt/ (ſagte Dori-
lis/) nun ſie gegen dir grauſam iſt: ſo wuͤr-
deſt du ſie ja ſchelten muͤſſen/ wann ſie
guͤtig wuͤrde. Keineswegs! (verſetzte
er/) ſondern ich wolte ihr zweyfaches Lob
zahlen: das erſte/ ihrer Zucht; und das
andre/ ihrer Holdſeligkeit. Sie hat/
(erwiederte die Nymfe/) ihrer Ehre zum
Vortheil/ mehr dein Schelten als Loben
zuverlangen. Und du/ wann dir ihr
Ehr-anſehen lieb iſt/ wie es dann billig
ſeyn ſoll/ haſt Urſach/ ihre Zucht/ viel-
mehr/ dir zu Schmerzen/ lobbar/ als dir
zur Wolluſt/ beſcholten zumachen. Mei-
nes erachtens/ (ſetzte Sylvia hinzu/) iſt
ein Weibsbild lobwůrdiger/ wann ſie
durch ihre Grauſamkeit ihren Verlieb-
ten zu todt martert/ als wann ſie/ nach ſei-
nem Wunſche ſich bequemend/ ihm das
Leben erlaͤngert. Es wird das baͤſte ſeyn/

(beſchloſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Die Todt-Lebenden.</hi></fw><lb/>
Un&#x017F;chuldige aus zu&#x017F;chelten. Diß Schel-<lb/>
ten/ (widerredte er/) i&#x017F;t eine Lobrede ih-<lb/>
rer Vollkommenheit. Man prei&#x017F;et ei-<lb/>
nen Feind fu&#x0364;r dapfer/ wann man die von<lb/>
ihm empfangene Wunden vorwei&#x017F;et.<lb/>
Weil du &#x017F;ie dann lobe&#x017F;t/ (&#x017F;agte Dori-<lb/>
lis/) nun &#x017F;ie gegen dir grau&#x017F;am i&#x017F;t: &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
de&#x017F;t du &#x017F;ie ja &#x017F;chelten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ wann &#x017F;ie<lb/>
gu&#x0364;tig wu&#x0364;rde. Keineswegs! (ver&#x017F;etzte<lb/>
er/) &#x017F;ondern ich wolte ihr zweyfaches Lob<lb/>
zahlen: das er&#x017F;te/ ihrer Zucht; und das<lb/>
andre/ ihrer Hold&#x017F;eligkeit. Sie hat/<lb/>
(erwiederte die Nymfe/) ihrer Ehre zum<lb/>
Vortheil/ mehr dein Schelten als Loben<lb/>
zuverlangen. Und du/ wann dir ihr<lb/>
Ehr-an&#x017F;ehen lieb i&#x017F;t/ wie es dann billig<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll/ ha&#x017F;t Ur&#x017F;ach/ ihre Zucht/ viel-<lb/>
mehr/ dir zu Schmerzen/ lobbar/ als dir<lb/>
zur Wollu&#x017F;t/ be&#x017F;cholten zumachen. Mei-<lb/>
nes erachtens/ (&#x017F;etzte Sylvia hinzu/) i&#x017F;t<lb/>
ein Weibsbild lobw&#x016F;rdiger/ wann &#x017F;ie<lb/>
durch ihre Grau&#x017F;amkeit ihren Verlieb-<lb/>
ten zu todt martert/ als wann &#x017F;ie/ nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Wun&#x017F;che &#x017F;ich bequemend/ ihm das<lb/>
Leben erla&#x0364;ngert. Es wird das ba&#x0364;&#x017F;te &#x017F;eyn/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">(be&#x017F;chlo&#x017F;-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0106] Die Todt-Lebenden. Unſchuldige aus zuſchelten. Diß Schel- ten/ (widerredte er/) iſt eine Lobrede ih- rer Vollkommenheit. Man preiſet ei- nen Feind fuͤr dapfer/ wann man die von ihm empfangene Wunden vorweiſet. Weil du ſie dann lobeſt/ (ſagte Dori- lis/) nun ſie gegen dir grauſam iſt: ſo wuͤr- deſt du ſie ja ſchelten muͤſſen/ wann ſie guͤtig wuͤrde. Keineswegs! (verſetzte er/) ſondern ich wolte ihr zweyfaches Lob zahlen: das erſte/ ihrer Zucht; und das andre/ ihrer Holdſeligkeit. Sie hat/ (erwiederte die Nymfe/) ihrer Ehre zum Vortheil/ mehr dein Schelten als Loben zuverlangen. Und du/ wann dir ihr Ehr-anſehen lieb iſt/ wie es dann billig ſeyn ſoll/ haſt Urſach/ ihre Zucht/ viel- mehr/ dir zu Schmerzen/ lobbar/ als dir zur Wolluſt/ beſcholten zumachen. Mei- nes erachtens/ (ſetzte Sylvia hinzu/) iſt ein Weibsbild lobwůrdiger/ wann ſie durch ihre Grauſamkeit ihren Verlieb- ten zu todt martert/ als wann ſie/ nach ſei- nem Wunſche ſich bequemend/ ihm das Leben erlaͤngert. Es wird das baͤſte ſeyn/ (beſchloſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/106
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/106>, abgerufen am 21.11.2024.