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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
"Charlottenburg, 21. April 1852.

Ich erinnere Sie daran, theuerster Bismarck, daß ich auf
Sie und Ihre Hülfe zähle
bey der nahen Verhandlung in
IIr Kammer über die Gestaltung der Ersten. Ich thue dies um
so mehr, als ich leider aus allersicherster Quelle Kenntniß von den
schmutzigen Intriguen habe, die in bewußtem (?) oder unbewußtem (?)
Verein reudiger Schafe aus der Rechten und stänkriger Böcke
aus der Linken angestellt werden, um meine Absichten zu zerstöhren.
Es ist dies ein trauriger Anblick unter allen Verhältnissen, einer
,zum Haar Ausraufen' aber auf dem Felde der theuer angeschafften
Lügenmaschine des französischen Constituzionalismus. Gott bess'r
es! Amen.

Friedrich Wilhelm."

Ich schrieb dem General Gerlach1), ich sei eins der jüngsten
Mitglieder unter diesen Leuten. Wenn ich die Wünsche Sr. Majestät
früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß gewinnen
können; aber der Befehl des Königs, von mir in Berlin ausgeführt
und in der conservativen Partei beider Häuser vertreten, würde meine
parlamentarische Stellung, die für den König und seine Regirung
in andern Fragen von Nutzen sein könnte, zerstören, wenn ich rein
als königlicher Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten,
meinen Einfluß in der kurzen Frist von zwei Tagen verwerthen sollte.
Ich fragte daher an, ob ich nicht den vom Könige erhaltenen Auf¬
trag, mit dem Prinzen von Augustenburg zu verhandeln, als Grund
für mein Wegbleiben von dem Landtage geltend machen dürfte.
Ich erhielt durch den Telegraphen die Antwort, mich auf das
Augustenburger Geschäft nicht zu berufen, sondern sofort nach Berlin
zu kommen, reiste also am 26. April ab. Inzwischen war in Berlin
auf Betrieb der conservativen Partei ein Beschluß gefaßt worden, der

1) Am 23. April 1852; der Brief ist bisher im Wortlaut noch nicht ver¬
öffentlicht; doch vgl. die Aeußerung in dem Briefe vom 23. April an Man¬
teuffel (Preußen im Bundestage IV 72).

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin.
„Charlottenburg, 21. April 1852.

Ich erinnere Sie daran, theuerſter Bismarck, daß ich auf
Sie und Ihre Hülfe zähle
bey der nahen Verhandlung in
IIr Kammer über die Geſtaltung der Erſten. Ich thue dies um
ſo mehr, als ich leider aus allerſicherſter Quelle Kenntniß von den
ſchmutzigen Intriguen habe, die in bewußtem (?) oder unbewußtem (?)
Verein reudiger Schafe aus der Rechten und ſtänkriger Böcke
aus der Linken angeſtellt werden, um meine Abſichten zu zerſtöhren.
Es iſt dies ein trauriger Anblick unter allen Verhältniſſen, einer
,zum Haar Ausraufen‘ aber auf dem Felde der theuer angeſchafften
Lügenmaſchine des franzöſiſchen Constituzionalismus. Gott beſſ'r
es! Amen.

Friedrich Wilhelm.“

Ich ſchrieb dem General Gerlach1), ich ſei eins der jüngſten
Mitglieder unter dieſen Leuten. Wenn ich die Wünſche Sr. Majeſtät
früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß gewinnen
können; aber der Befehl des Königs, von mir in Berlin ausgeführt
und in der conſervativen Partei beider Häuſer vertreten, würde meine
parlamentariſche Stellung, die für den König und ſeine Regirung
in andern Fragen von Nutzen ſein könnte, zerſtören, wenn ich rein
als königlicher Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten,
meinen Einfluß in der kurzen Friſt von zwei Tagen verwerthen ſollte.
Ich fragte daher an, ob ich nicht den vom Könige erhaltenen Auf¬
trag, mit dem Prinzen von Auguſtenburg zu verhandeln, als Grund
für mein Wegbleiben von dem Landtage geltend machen dürfte.
Ich erhielt durch den Telegraphen die Antwort, mich auf das
Auguſtenburger Geſchäft nicht zu berufen, ſondern ſofort nach Berlin
zu kommen, reiſte alſo am 26. April ab. Inzwiſchen war in Berlin
auf Betrieb der conſervativen Partei ein Beſchluß gefaßt worden, der

1) Am 23. April 1852; der Brief iſt bisher im Wortlaut noch nicht ver¬
öffentlicht; doch vgl. die Aeußerung in dem Briefe vom 23. April an Man¬
teuffel (Preußen im Bundestage IV 72).
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[140/0167] Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin. „Charlottenburg, 21. April 1852. Ich erinnere Sie daran, theuerſter Bismarck, daß ich auf Sie und Ihre Hülfe zähle bey der nahen Verhandlung in IIr Kammer über die Geſtaltung der Erſten. Ich thue dies um ſo mehr, als ich leider aus allerſicherſter Quelle Kenntniß von den ſchmutzigen Intriguen habe, die in bewußtem (?) oder unbewußtem (?) Verein reudiger Schafe aus der Rechten und ſtänkriger Böcke aus der Linken angeſtellt werden, um meine Abſichten zu zerſtöhren. Es iſt dies ein trauriger Anblick unter allen Verhältniſſen, einer ,zum Haar Ausraufen‘ aber auf dem Felde der theuer angeſchafften Lügenmaſchine des franzöſiſchen Constituzionalismus. Gott beſſ'r es! Amen. Friedrich Wilhelm.“ Ich ſchrieb dem General Gerlach 1), ich ſei eins der jüngſten Mitglieder unter dieſen Leuten. Wenn ich die Wünſche Sr. Majeſtät früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß gewinnen können; aber der Befehl des Königs, von mir in Berlin ausgeführt und in der conſervativen Partei beider Häuſer vertreten, würde meine parlamentariſche Stellung, die für den König und ſeine Regirung in andern Fragen von Nutzen ſein könnte, zerſtören, wenn ich rein als königlicher Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten, meinen Einfluß in der kurzen Friſt von zwei Tagen verwerthen ſollte. Ich fragte daher an, ob ich nicht den vom Könige erhaltenen Auf¬ trag, mit dem Prinzen von Auguſtenburg zu verhandeln, als Grund für mein Wegbleiben von dem Landtage geltend machen dürfte. Ich erhielt durch den Telegraphen die Antwort, mich auf das Auguſtenburger Geſchäft nicht zu berufen, ſondern ſofort nach Berlin zu kommen, reiſte alſo am 26. April ab. Inzwiſchen war in Berlin auf Betrieb der conſervativen Partei ein Beſchluß gefaßt worden, der 1) Am 23. April 1852; der Brief iſt bisher im Wortlaut noch nicht ver¬ öffentlicht; doch vgl. die Aeußerung in dem Briefe vom 23. April an Man¬ teuffel (Preußen im Bundestage IV 72).

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/167>, abgerufen am 26.11.2024.