Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtes Kapitel: Besuch in Paris. der ersten Klasse enthielten auch den Namen der an dem betreffendenTische vorsitzenden Dame. Diese Tische waren auf 15 bis 20 Personen eingerichtet. Ich erhielt beim Eintreten eine solche Karte zu dem Tische der Gräfin Walewska und später im Saale noch zwei von zwei andern Patronesses-Damen der Diplomatie und des Hofes. Es war also kein genauer Plan für die Placirung der Gäste gemacht worden. Ich wählte den Tisch der Gräfin Walewska, zu deren Departement ich als auswärtiger Diplomat gehörte. Auf dem Wege zu dem betreffenden Saale stieß ich auf einen preu¬ ßischen Offizier in der Uniform eines Garde-Infanterie-Regiments, der eine französische Dame führte und sich in lebhaftem Streit mit einem der kaiserlichen Haushofmeister befand, der beide, weil sie mit Karten nicht versehn waren, nicht passiren lassen wollte. Nachdem mir der Offizier auf mein Befragen die Sachlage erklärt und mir die Dame als eine Herzogin mit italienischem Titel aus dem ersten Empire bezeichnet hatte, sagte ich dem Hofbeamten, ich hätte die Karte des Herrn, und gab ihm eine der meinigen. Der Beamte wollte nun aber die Dame nicht passiren lassen, ich gab daher dem Offizier meine zweite Karte für seine Herzogin. Der Be¬ amte bedeutete mich, "mais vous ne passerez pas sans carte"; als ich ihm die dritte vorgezeigt hatte, machte er ein verwundertes Gesicht und ließ uns alle drei durch. Ich empfahl meinen beiden Schützlingen, sich nicht an die Tische zu setzen, die auf den Karten angegeben waren, sondern zu sehn, wo sie sonst unterkämen, habe auch keine Reclamation über meine Kartenvertheilung zu hören be¬ kommen. Die Unregelmäßigkeit war so groß, daß unser Tisch nicht voll besetzt wurde, was sich aus dem Mangel einer Verabredung der dames patronesses erklärt. Der alte Fürst Pückler hatte ent¬ weder keine Karte erhalten oder seinen Tisch nicht finden können; nachdem er sich an mein ihm bekanntes Gesicht gewandt hatte, wurde er von der Gräfin Walewska auf einen der leer gebliebenen Plätze eingeladen. Das Souper war trotz der Dreitheilung weder nach dem Material, noch nach der Zubereitung auf der Höhe dessen, Achtes Kapitel: Beſuch in Paris. der erſten Klaſſe enthielten auch den Namen der an dem betreffendenTiſche vorſitzenden Dame. Dieſe Tiſche waren auf 15 bis 20 Perſonen eingerichtet. Ich erhielt beim Eintreten eine ſolche Karte zu dem Tiſche der Gräfin Walewska und ſpäter im Saale noch zwei von zwei andern Patronesses-Damen der Diplomatie und des Hofes. Es war alſo kein genauer Plan für die Placirung der Gäſte gemacht worden. Ich wählte den Tiſch der Gräfin Walewska, zu deren Departement ich als auswärtiger Diplomat gehörte. Auf dem Wege zu dem betreffenden Saale ſtieß ich auf einen preu¬ ßiſchen Offizier in der Uniform eines Garde-Infanterie-Regiments, der eine franzöſiſche Dame führte und ſich in lebhaftem Streit mit einem der kaiſerlichen Haushofmeiſter befand, der beide, weil ſie mit Karten nicht verſehn waren, nicht paſſiren laſſen wollte. Nachdem mir der Offizier auf mein Befragen die Sachlage erklärt und mir die Dame als eine Herzogin mit italieniſchem Titel aus dem erſten Empire bezeichnet hatte, ſagte ich dem Hofbeamten, ich hätte die Karte des Herrn, und gab ihm eine der meinigen. Der Beamte wollte nun aber die Dame nicht paſſiren laſſen, ich gab daher dem Offizier meine zweite Karte für ſeine Herzogin. Der Be¬ amte bedeutete mich, „mais vous ne passerez pas sans carte“; als ich ihm die dritte vorgezeigt hatte, machte er ein verwundertes Geſicht und ließ uns alle drei durch. Ich empfahl meinen beiden Schützlingen, ſich nicht an die Tiſche zu ſetzen, die auf den Karten angegeben waren, ſondern zu ſehn, wo ſie ſonſt unterkämen, habe auch keine Reclamation über meine Kartenvertheilung zu hören be¬ kommen. Die Unregelmäßigkeit war ſo groß, daß unſer Tiſch nicht voll beſetzt wurde, was ſich aus dem Mangel einer Verabredung der dames patronesses erklärt. Der alte Fürſt Pückler hatte ent¬ weder keine Karte erhalten oder ſeinen Tiſch nicht finden können; nachdem er ſich an mein ihm bekanntes Geſicht gewandt hatte, wurde er von der Gräfin Walewska auf einen der leer gebliebenen Plätze eingeladen. Das Souper war trotz der Dreitheilung weder nach dem Material, noch nach der Zubereitung auf der Höhe deſſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0179" n="152"/><fw place="top" type="header">Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.<lb/></fw> der erſten Klaſſe enthielten auch den Namen der an dem betreffenden<lb/> Tiſche vorſitzenden Dame. 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Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
der erſten Klaſſe enthielten auch den Namen der an dem betreffenden
Tiſche vorſitzenden Dame. Dieſe Tiſche waren auf 15 bis 20
Perſonen eingerichtet. Ich erhielt beim Eintreten eine ſolche Karte
zu dem Tiſche der Gräfin Walewska und ſpäter im Saale noch zwei
von zwei andern Patronesses-Damen der Diplomatie und des
Hofes. Es war alſo kein genauer Plan für die Placirung der
Gäſte gemacht worden. Ich wählte den Tiſch der Gräfin Walewska,
zu deren Departement ich als auswärtiger Diplomat gehörte. Auf
dem Wege zu dem betreffenden Saale ſtieß ich auf einen preu¬
ßiſchen Offizier in der Uniform eines Garde-Infanterie-Regiments,
der eine franzöſiſche Dame führte und ſich in lebhaftem Streit
mit einem der kaiſerlichen Haushofmeiſter befand, der beide, weil
ſie mit Karten nicht verſehn waren, nicht paſſiren laſſen wollte.
Nachdem mir der Offizier auf mein Befragen die Sachlage erklärt
und mir die Dame als eine Herzogin mit italieniſchem Titel aus
dem erſten Empire bezeichnet hatte, ſagte ich dem Hofbeamten, ich
hätte die Karte des Herrn, und gab ihm eine der meinigen. Der
Beamte wollte nun aber die Dame nicht paſſiren laſſen, ich gab
daher dem Offizier meine zweite Karte für ſeine Herzogin. Der Be¬
amte bedeutete mich, „mais vous ne passerez pas sans carte“;
als ich ihm die dritte vorgezeigt hatte, machte er ein verwundertes
Geſicht und ließ uns alle drei durch. Ich empfahl meinen beiden
Schützlingen, ſich nicht an die Tiſche zu ſetzen, die auf den Karten
angegeben waren, ſondern zu ſehn, wo ſie ſonſt unterkämen, habe
auch keine Reclamation über meine Kartenvertheilung zu hören be¬
kommen. Die Unregelmäßigkeit war ſo groß, daß unſer Tiſch nicht
voll beſetzt wurde, was ſich aus dem Mangel einer Verabredung
der dames patronesses erklärt. Der alte Fürſt Pückler hatte ent¬
weder keine Karte erhalten oder ſeinen Tiſch nicht finden können;
nachdem er ſich an mein ihm bekanntes Geſicht gewandt hatte,
wurde er von der Gräfin Walewska auf einen der leer gebliebenen
Plätze eingeladen. Das Souper war trotz der Dreitheilung weder
nach dem Material, noch nach der Zubereitung auf der Höhe deſſen,
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