Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Usedomiana; das Abschiedsgesuch von 1869. Ihren Gedanken eingehen könnte! Mein größtes Glück ist esja, mit Ihnen zu leben und immer fest einverstanden zu sein. Wie können Sie Sich Hypochondrien darüber machen, daß meine einzige Differenz Sie bis zum extremsten Schritt verleitet! Noch aus Varzin schrieben Sie mir in der Differenz wegen der Deckung des Deficits, daß Sie zwar andrer Meinung wie ich seien, daß Sie aber bei Uebernahme Ihrer Stellung es Sich zur Pflicht gemacht hätten, daß, wenn Sie pflichtmäßig Ihre Ansichten geäußert, Sie Sich meinen Beschlüssen fügen würden. Was hat denn diesmal Ihre so edel ausgesprochene Absicht von vor 3 Monaten so gänzlich verändert? Es giebt nur eine einzige Differenz, ich wiederhole es, die in F. a./M.1). Die Usedomiana habe ich gestern noch ganz eingehend nach Ihrem Wunsch besprochen schriftlich; die Hausangelegenheit wird sich schlichten; in der Stellen-Besetzung waren wir einig, aber die Individuen wollen nicht. Wo ist da also Grund zum Extreme? Ihr Name steht in Preußens Geschichte schöner als der irgend eines Preußischen Staatsmanns. Den soll ich lassen? Niemals. Ruhe und Gebeth wird alles ausgleichen. Ihr treuster Freund W." Von dem folgenden Tage ist der nachstehende Brief Roons: "Berlin, den 23. Februar 1869. Seit ich Sie gestern Abend verließ, mein verehrter Freund, 1) Die Regierung hatte am 1. Februar 1869 im Landtage Gesetz¬
entwurf vorgelegt, betr. die Auseinandersetzung zwischen Staat und Stadt Frankfurt, die auf einem Gutachten der Kronsyndici beruhte, vom Ministerium berathen, vom Könige genehmigt worden war. Der Frankfurter Magistrat erlangte, während die Verhandlungen über den Entwurf noch schwebten, vom Könige die Zusage, daß der Stadt Frankfurt zur vergleichsweisen Erledigung der von ihr erhobenen Ansprüche 2000000 Gulden aus der Staatscasse über¬ wiesen werden sollten. Der Gesetzentwurf mußte entsprechend abgeändert werden. Uſedomiana; das Abſchiedsgeſuch von 1869. Ihren Gedanken eingehen könnte! Mein größtes Glück iſt esja, mit Ihnen zu leben und immer feſt einverſtanden zu ſein. Wie können Sie Sich Hypochondrien darüber machen, daß meine einzige Différenz Sie bis zum extremsten Schritt verleitet! Noch aus Varzin ſchrieben Sie mir in der Différenz wegen der Deckung des Deficits, daß Sie zwar andrer Meinung wie ich ſeien, daß Sie aber bei Uebernahme Ihrer Stellung es Sich zur Pflicht gemacht hätten, daß, wenn Sie pflichtmäßig Ihre Anſichten geäußert, Sie Sich meinen Beſchlüſſen fügen würden. Was hat denn diesmal Ihre ſo edel ausgeſprochene Abſicht von vor 3 Monaten ſo gänzlich verändert? Es giebt nur eine einzige Différenz, ich wiederhole es, die in F. a./M.1). Die Usedomiana habe ich geſtern noch ganz eingehend nach Ihrem Wunſch beſprochen ſchriftlich; die Hausangelegenheit wird ſich ſchlichten; in der Stellen-Beſetzung waren wir einig, aber die Individuen wollen nicht. Wo iſt da alſo Grund zum Extrême? Ihr Name ſteht in Preußens Geſchichte ſchöner als der irgend eines Preußiſchen Staatsmanns. Den ſoll ich laſſen? Niemals. Ruhe und Gebeth wird alles ausgleichen. Ihr treuſter Freund W.“ Von dem folgenden Tage iſt der nachſtehende Brief Roons: „Berlin, den 23. Februar 1869. Seit ich Sie geſtern Abend verließ, mein verehrter Freund, 1) Die Regierung hatte am 1. Februar 1869 im Landtage Geſetz¬
entwurf vorgelegt, betr. die Auseinanderſetzung zwiſchen Staat und Stadt Frankfurt, die auf einem Gutachten der Kronſyndici beruhte, vom Miniſterium berathen, vom Könige genehmigt worden war. Der Frankfurter Magiſtrat erlangte, während die Verhandlungen über den Entwurf noch ſchwebten, vom Könige die Zuſage, daß der Stadt Frankfurt zur vergleichsweiſen Erledigung der von ihr erhobenen Anſprüche 2000000 Gulden aus der Staatscaſſe über¬ wieſen werden ſollten. Der Geſetzentwurf mußte entſprechend abgeändert werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="205"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#right">Uſedomiana; das Abſchiedsgeſuch von 1869.</hi><lb/></fw> Ihren Gedanken eingehen könnte! <hi rendition="#g">Mein größtes Glück iſt es<lb/> ja</hi>, mit Ihnen zu leben und immer feſt einverſtanden zu ſein. Wie<lb/> können Sie Sich Hypochondrien darüber machen, daß meine einzige<lb/><hi rendition="#aq">Différenz</hi> Sie bis zum <hi rendition="#aq">extremsten</hi> Schritt verleitet! Noch aus Varzin<lb/> ſchrieben Sie mir in der <hi rendition="#aq">Différenz</hi> wegen der Deckung des <hi rendition="#aq">Deficits</hi>,<lb/> daß Sie zwar andrer Meinung wie ich ſeien, daß Sie aber bei<lb/> Uebernahme Ihrer Stellung es Sich zur Pflicht gemacht hätten,<lb/> daß, wenn Sie pflichtmäßig Ihre Anſichten geäußert, Sie Sich meinen<lb/> Beſchlüſſen fügen würden. Was hat denn diesmal Ihre ſo edel<lb/> ausgeſprochene Abſicht von vor 3 Monaten ſo gänzlich verändert?<lb/> Es giebt nur eine einzige <hi rendition="#aq">Différenz</hi>, ich wiederhole es, die in<lb/> F. a./M.<note place="foot" n="1)"><lb/> Die Regierung hatte am 1. Februar 1869 im Landtage Geſetz¬<lb/> entwurf vorgelegt, betr. die Auseinanderſetzung zwiſchen Staat und Stadt<lb/> Frankfurt, die auf einem Gutachten der Kronſyndici beruhte, vom Miniſterium<lb/> berathen, vom Könige genehmigt worden war. Der Frankfurter Magiſtrat<lb/> erlangte, während die Verhandlungen über den Entwurf noch ſchwebten, vom<lb/> Könige die Zuſage, daß der Stadt Frankfurt zur vergleichsweiſen Erledigung<lb/> der von ihr erhobenen Anſprüche 2000000 Gulden aus der Staatscaſſe über¬<lb/> wieſen werden ſollten. Der Geſetzentwurf mußte entſprechend abgeändert werden.</note>. Die <hi rendition="#aq">Usedomiana</hi> habe ich geſtern noch ganz eingehend<lb/> nach Ihrem Wunſch beſprochen ſchriftlich; die Hausangelegenheit<lb/> wird ſich ſchlichten; in der Stellen-Beſetzung waren wir einig, aber<lb/> die Individuen wollen nicht. Wo iſt da alſo Grund zum <hi rendition="#aq">Extrême</hi>?<lb/> Ihr Name ſteht in Preußens Geſchichte ſchöner als der irgend<lb/> eines Preußiſchen Staatsmanns. Den ſoll ich laſſen? Niemals.<lb/> Ruhe und Gebeth wird alles ausgleichen. Ihr treuſter <hi rendition="#g">Freund</hi><lb/><hi rendition="#right">W.“</hi></p><lb/> <p>Von dem folgenden Tage iſt der nachſtehende Brief Roons:</p><lb/> <p> <hi rendition="#right">„Berlin, den 23. Februar 1869.</hi> </p><lb/> <p>Seit ich Sie geſtern Abend verließ, mein verehrter Freund,<lb/> bin ich unausgeſetzt mit Ihnen und Ihrer Entſchließung beſchäftigt.<lb/> Es läßt mir keine Ruhe. Ich muß Ihnen nochmals zurufen,<lb/> faſſen Sie Ihr Schreiben ſo, daß ein Einlenken möglich bleibt.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [205/0232]
Uſedomiana; das Abſchiedsgeſuch von 1869.
Ihren Gedanken eingehen könnte! Mein größtes Glück iſt es
ja, mit Ihnen zu leben und immer feſt einverſtanden zu ſein. Wie
können Sie Sich Hypochondrien darüber machen, daß meine einzige
Différenz Sie bis zum extremsten Schritt verleitet! Noch aus Varzin
ſchrieben Sie mir in der Différenz wegen der Deckung des Deficits,
daß Sie zwar andrer Meinung wie ich ſeien, daß Sie aber bei
Uebernahme Ihrer Stellung es Sich zur Pflicht gemacht hätten,
daß, wenn Sie pflichtmäßig Ihre Anſichten geäußert, Sie Sich meinen
Beſchlüſſen fügen würden. Was hat denn diesmal Ihre ſo edel
ausgeſprochene Abſicht von vor 3 Monaten ſo gänzlich verändert?
Es giebt nur eine einzige Différenz, ich wiederhole es, die in
F. a./M. 1). Die Usedomiana habe ich geſtern noch ganz eingehend
nach Ihrem Wunſch beſprochen ſchriftlich; die Hausangelegenheit
wird ſich ſchlichten; in der Stellen-Beſetzung waren wir einig, aber
die Individuen wollen nicht. Wo iſt da alſo Grund zum Extrême?
Ihr Name ſteht in Preußens Geſchichte ſchöner als der irgend
eines Preußiſchen Staatsmanns. Den ſoll ich laſſen? Niemals.
Ruhe und Gebeth wird alles ausgleichen. Ihr treuſter Freund
W.“
Von dem folgenden Tage iſt der nachſtehende Brief Roons:
„Berlin, den 23. Februar 1869.
Seit ich Sie geſtern Abend verließ, mein verehrter Freund,
bin ich unausgeſetzt mit Ihnen und Ihrer Entſchließung beſchäftigt.
Es läßt mir keine Ruhe. Ich muß Ihnen nochmals zurufen,
faſſen Sie Ihr Schreiben ſo, daß ein Einlenken möglich bleibt.
1)
Die Regierung hatte am 1. Februar 1869 im Landtage Geſetz¬
entwurf vorgelegt, betr. die Auseinanderſetzung zwiſchen Staat und Stadt
Frankfurt, die auf einem Gutachten der Kronſyndici beruhte, vom Miniſterium
berathen, vom Könige genehmigt worden war. Der Frankfurter Magiſtrat
erlangte, während die Verhandlungen über den Entwurf noch ſchwebten, vom
Könige die Zuſage, daß der Stadt Frankfurt zur vergleichsweiſen Erledigung
der von ihr erhobenen Anſprüche 2000000 Gulden aus der Staatscaſſe über¬
wieſen werden ſollten. Der Geſetzentwurf mußte entſprechend abgeändert werden.
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