Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Mängel und Schwächen der preußischen Politik seit Friedrich II. um den Besitz polnischer Gebiete, namentlich Krakaus, eine mehrin die Augen fallende Rolle als der in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts im Vordergrunde stehende Streit um die Hegemonie in Deutschland. Die Frage der Nationalität stand damals mehr im Hintergrunde; Wenn Oestreich und Rußland im Orient Beschäftigung fan¬ Mängel und Schwächen der preußiſchen Politik ſeit Friedrich II. um den Beſitz polniſcher Gebiete, namentlich Krakaus, eine mehrin die Augen fallende Rolle als der in der zweiten Hälfte dieſes Jahrhunderts im Vordergrunde ſtehende Streit um die Hegemonie in Deutſchland. Die Frage der Nationalität ſtand damals mehr im Hintergrunde; Wenn Oeſtreich und Rußland im Orient Beſchäftigung fan¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0298" n="271"/><fw place="top" type="header">Mängel und Schwächen der preußiſchen Politik ſeit Friedrich <hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/></fw> um den Beſitz polniſcher Gebiete, namentlich Krakaus, eine mehr<lb/> in die Augen fallende Rolle als der in der zweiten Hälfte dieſes<lb/> Jahrhunderts im Vordergrunde ſtehende Streit um die Hegemonie<lb/> in Deutſchland.</p><lb/> <p>Die Frage der Nationalität ſtand damals mehr im Hintergrunde;<lb/> der preußiſche Staat eignete ſich neue polniſche Unterthanen mit<lb/> gleicher, wenn nicht mit größerer Bereitwilligkeit wie deutſche an,<lb/> wenn es nur Unterthanen waren, und auch Oeſtreich trug kein<lb/> Bedenken, die Erfolge der gemeinſamen Kriegführung gegen Frank¬<lb/> reich in Frage zu ſtellen, ſobald es befürchten mußte, daß ihm zur<lb/> Wahrnehmung ſeiner polniſchen Intereſſen die nöthigen Streitkräfte<lb/> Preußen gegenüber fehlen würden, wenn es ſie an der franzöſiſchen<lb/> Grenze verwenden wollte. Es iſt ſchwer zu ſagen, ob die damalige<lb/> Situation nach Maßgabe der Anſichten und Fähigkeiten der in<lb/> Oeſtreich und Rußland leitenden Perſönlichkeiten der preußiſchen<lb/> Politik die Möglichkeit bot, nützlichere Wege einzuſchlagen als den<lb/> des Veto gegen die Orientpolitik ſeiner beiden öſtlichen Nachbarn,<lb/> wie in der Convention von Reichenbach, 27. Juli 1790, ge¬<lb/> ſchah. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieſes<lb/> Veto ein Act unfruchtbaren Selbſtgefühls nach Art des franzöſi¬<lb/> ſchen <hi rendition="#aq">prestige</hi> war, in welchem die von Friedrich dem Großen<lb/> geerbte Autorität zwecklos verpufft wurde, ohne daß Preußen einen<lb/> andern Vortheil von dieſer Kraftleiſtung gehabt hätte, als den<lb/> einer befriedigten Eitelkeit über Bethätigung ſeiner großmächtlichen<lb/> Stellung den beiden Kaiſermächten gegenüber, <hi rendition="#aq">show of power</hi>.</p><lb/> <p>Wenn Oeſtreich und Rußland im Orient Beſchäftigung fan¬<lb/> den, ſo hätte es, möchte ich glauben, im Intereſſe ihres damals<lb/> weniger mächtigen Nachbarn gelegen, ſie darin nicht zu ſtören,<lb/> ſondern beide in der Richtung ihrer orientaliſchen Beſtrebungen<lb/> eher zu fördern und zu befeſtigen und ihren Druck auf unſre<lb/> Grenzen dadurch abzuſchwächen. Preußen war nach ſeinen mili¬<lb/> täriſchen Einrichtungen damals ſchneller ſchlagfertig als ſeine Nach¬<lb/> barn und hätte dieſe Schlagfertigkeit wie bei manchen ſpätern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [271/0298]
Mängel und Schwächen der preußiſchen Politik ſeit Friedrich II.
um den Beſitz polniſcher Gebiete, namentlich Krakaus, eine mehr
in die Augen fallende Rolle als der in der zweiten Hälfte dieſes
Jahrhunderts im Vordergrunde ſtehende Streit um die Hegemonie
in Deutſchland.
Die Frage der Nationalität ſtand damals mehr im Hintergrunde;
der preußiſche Staat eignete ſich neue polniſche Unterthanen mit
gleicher, wenn nicht mit größerer Bereitwilligkeit wie deutſche an,
wenn es nur Unterthanen waren, und auch Oeſtreich trug kein
Bedenken, die Erfolge der gemeinſamen Kriegführung gegen Frank¬
reich in Frage zu ſtellen, ſobald es befürchten mußte, daß ihm zur
Wahrnehmung ſeiner polniſchen Intereſſen die nöthigen Streitkräfte
Preußen gegenüber fehlen würden, wenn es ſie an der franzöſiſchen
Grenze verwenden wollte. Es iſt ſchwer zu ſagen, ob die damalige
Situation nach Maßgabe der Anſichten und Fähigkeiten der in
Oeſtreich und Rußland leitenden Perſönlichkeiten der preußiſchen
Politik die Möglichkeit bot, nützlichere Wege einzuſchlagen als den
des Veto gegen die Orientpolitik ſeiner beiden öſtlichen Nachbarn,
wie in der Convention von Reichenbach, 27. Juli 1790, ge¬
ſchah. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieſes
Veto ein Act unfruchtbaren Selbſtgefühls nach Art des franzöſi¬
ſchen prestige war, in welchem die von Friedrich dem Großen
geerbte Autorität zwecklos verpufft wurde, ohne daß Preußen einen
andern Vortheil von dieſer Kraftleiſtung gehabt hätte, als den
einer befriedigten Eitelkeit über Bethätigung ſeiner großmächtlichen
Stellung den beiden Kaiſermächten gegenüber, show of power.
Wenn Oeſtreich und Rußland im Orient Beſchäftigung fan¬
den, ſo hätte es, möchte ich glauben, im Intereſſe ihres damals
weniger mächtigen Nachbarn gelegen, ſie darin nicht zu ſtören,
ſondern beide in der Richtung ihrer orientaliſchen Beſtrebungen
eher zu fördern und zu befeſtigen und ihren Druck auf unſre
Grenzen dadurch abzuſchwächen. Preußen war nach ſeinen mili¬
täriſchen Einrichtungen damals ſchneller ſchlagfertig als ſeine Nach¬
barn und hätte dieſe Schlagfertigkeit wie bei manchen ſpätern
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