Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik. sichern, müßten die Abgeordneten das möglichst große Gewicht vonEisen und Blut in die Hand des Königs von Preußen legen, damit er es nach seinem Ermessen in die eine oder die andre Wag¬ schale werfen könne. Ich hatte demselben Gedanken schon im Abgeordnetenhause 1849 Schramm gegenüber auf der Tribüne Aus¬ druck gegeben bei Gelegenheit einer Amnestie-Debatte1). Roon, der zugegen war, sprach beim Nachhausegehn seine Ich hatte einige Mühe, durch Erkundigungen bei kurz ange¬ "Ich sehe ganz genau voraus, wie das Alles endigen wird. Ich errieth, und es ist mir später von Zeugen bestätigt worden, 1) Vgl. Rede vom 22. März 1849, Politische Reden I 76 f.
Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußiſche Politik. ſichern, müßten die Abgeordneten das möglichſt große Gewicht vonEiſen und Blut in die Hand des Königs von Preußen legen, damit er es nach ſeinem Ermeſſen in die eine oder die andre Wag¬ ſchale werfen könne. Ich hatte demſelben Gedanken ſchon im Abgeordnetenhauſe 1849 Schramm gegenüber auf der Tribüne Aus¬ druck gegeben bei Gelegenheit einer Amneſtie-Debatte1). Roon, der zugegen war, ſprach beim Nachhauſegehn ſeine Ich hatte einige Mühe, durch Erkundigungen bei kurz ange¬ „Ich ſehe ganz genau voraus, wie das Alles endigen wird. Ich errieth, und es iſt mir ſpäter von Zeugen beſtätigt worden, 1) Vgl. Rede vom 22. März 1849, Politiſche Reden I 76 f.
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Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußiſche Politik.
ſichern, müßten die Abgeordneten das möglichſt große Gewicht von
Eiſen und Blut in die Hand des Königs von Preußen legen,
damit er es nach ſeinem Ermeſſen in die eine oder die andre Wag¬
ſchale werfen könne. Ich hatte demſelben Gedanken ſchon im
Abgeordnetenhauſe 1849 Schramm gegenüber auf der Tribüne Aus¬
druck gegeben bei Gelegenheit einer Amneſtie-Debatte 1).
Roon, der zugegen war, ſprach beim Nachhauſegehn ſeine
Unzufriedenheit mit meinen Aeußerungen aus, ſagte u. A., er hielte
dergleichen „geiſtreiche Excurſe“ unſrer Sache nicht für förderlich.
Meine eignen Gedanken bewegten ſich zwiſchen dem Wunſche, Ab¬
geordnete für eine energiſche nationale Politik zu gewinnen, und
der Gefahr, den König in ſeiner vorſichtigen und gewaltſame Mittel
ſcheuenden Veranlagung mißtrauiſch gegen mich und meine Abſichten
zu machen. Um dem vermuthlichen Eindruck der Preſſe auf ihn
bei Zeiten entgegen zu wirken, fuhr ich ihm nach Jüterbogk entgegen.
Ich hatte einige Mühe, durch Erkundigungen bei kurz ange¬
bundenen Schaffnern des fahrplanmäßigen Zuges den Wagen zu
ermitteln, in dem der König allein in einem gewöhnlichen Coupé
erſter Klaſſe ſaß. Er war unter der Nachwirkung des Verkehrs
mit ſeiner Gemalin ſichtlich in gedrückter Stimmung, und als ich
um die Erlaubniß bat, die Vorgänge während ſeiner Abweſenheit
darzulegen, unterbrach er mich mit den Worten:
„Ich ſehe ganz genau voraus, wie das Alles endigen wird.
Da vor dem Opernplatz, unter meinen Fenſtern, wird man Ihnen
den Kopf abſchlagen und etwas ſpäter mir.“
Ich errieth, und es iſt mir ſpäter von Zeugen beſtätigt worden,
daß er während des achttägigen Aufenthalts in Baden mit Varia¬
tionen über das Thema Polignac, Strafford, Ludwig XVI. bearbeitet
worden war. Als er ſchwieg, antwortete ich mit der kurzen Phraſe
„Et après, sire?“ — „Ja, après, dann ſind wir todt!“ erwiderte
der König. „Ja,“ fuhr ich fort, „dann ſind wir todt, aber ſterben
1)
Vgl. Rede vom 22. März 1849, Politiſche Reden I 76 f.
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