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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Wie die Muthlosigkeit des Königs überwunden ward.
müssen wir früher oder später doch, und können wir anständiger
umkommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs
und Eure Majestät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes
Gnaden mit dem eignen Blute besiegeln, ob auf dem Schaffot oder
auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an dem rühmlichen Einsetzen
von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden verliehenen Rechte.
Eure Majestät müssen nicht an Ludwig XVI. denken; der lebte und
starb in einer schwächlichen Gemüthsverfassung und macht kein gutes
Bild in der Geschichte. Karl I. dagegen, wird er nicht immer eine
vornehme historische Erscheinung bleiben, wie er, nachdem er für
sein Recht das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, un¬
gebeugt seine königliche Gesinnung mit seinem Blute bekräftigte?
Eure Majestät sind in der Nothwendigkeit zu fechten, Sie können
nicht capituliren, Sie müssen, und wenn es mit körperlicher Gefahr
wäre, der Vergewaltigung entgegentreten."

Je länger ich in diesem Sinne sprach, desto mehr belebte sich
der König und fühlte sich in die Rolle des für Königthum und
Vaterland kämpfenden Offiziers hinein. Er war äußern und persön¬
lichen Gefahren gegenüber von einer seltenen und ihm absolut
natürlichen Furchtlosigkeit, auf dem Schlachtfelde, wie Attentaten
gegenüber; seine Haltung in jeder äußern Gefahr hatte etwas Herz¬
erhebendes und Begeisterndes. Der ideale Typus des preußischen
Offiziers, der dem sichern Tode im Dienste mit dem einfachen Worte
"Zu Befehl" selbstlos und furchtlos entgegengeht, der aber, wenn
er auf eigne Verantwortung handeln soll, die Kritik des Vorgesetzten
oder der Welt mehr als den Tod und dergestalt fürchtet, daß die
Energie und Richtigkeit seiner Entschließung durch die Furcht vor
Verweis und Tadel beeinträchtigt wird, dieser Typus war in ihm
im höchsten Grade ausgebildet. Er hatte sich bis dahin auf seiner
Fahrt nur gefragt, ob er vor der überlegnen Kritik seiner Frau
Gemalin und vor der öffentlichen Meinung in Preußen mit dem
Wege, den er mit mir einschlug, würde bestehn können. Dem
gegenüber war die Wirkung unsrer Unterredung in dem dunklen

Wie die Muthloſigkeit des Königs überwunden ward.
müſſen wir früher oder ſpäter doch, und können wir anſtändiger
umkommen? Ich ſelbſt im Kampfe für die Sache meines Königs
und Eure Majeſtät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes
Gnaden mit dem eignen Blute beſiegeln, ob auf dem Schaffot oder
auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an dem rühmlichen Einſetzen
von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden verliehenen Rechte.
Eure Majeſtät müſſen nicht an Ludwig XVI. denken; der lebte und
ſtarb in einer ſchwächlichen Gemüthsverfaſſung und macht kein gutes
Bild in der Geſchichte. Karl I. dagegen, wird er nicht immer eine
vornehme hiſtoriſche Erſcheinung bleiben, wie er, nachdem er für
ſein Recht das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, un¬
gebeugt ſeine königliche Geſinnung mit ſeinem Blute bekräftigte?
Eure Majeſtät ſind in der Nothwendigkeit zu fechten, Sie können
nicht capituliren, Sie müſſen, und wenn es mit körperlicher Gefahr
wäre, der Vergewaltigung entgegentreten.“

Je länger ich in dieſem Sinne ſprach, deſto mehr belebte ſich
der König und fühlte ſich in die Rolle des für Königthum und
Vaterland kämpfenden Offiziers hinein. Er war äußern und perſön¬
lichen Gefahren gegenüber von einer ſeltenen und ihm abſolut
natürlichen Furchtloſigkeit, auf dem Schlachtfelde, wie Attentaten
gegenüber; ſeine Haltung in jeder äußern Gefahr hatte etwas Herz¬
erhebendes und Begeiſterndes. Der ideale Typus des preußiſchen
Offiziers, der dem ſichern Tode im Dienſte mit dem einfachen Worte
„Zu Befehl“ ſelbſtlos und furchtlos entgegengeht, der aber, wenn
er auf eigne Verantwortung handeln ſoll, die Kritik des Vorgeſetzten
oder der Welt mehr als den Tod und dergeſtalt fürchtet, daß die
Energie und Richtigkeit ſeiner Entſchließung durch die Furcht vor
Verweis und Tadel beeinträchtigt wird, dieſer Typus war in ihm
im höchſten Grade ausgebildet. Er hatte ſich bis dahin auf ſeiner
Fahrt nur gefragt, ob er vor der überlegnen Kritik ſeiner Frau
Gemalin und vor der öffentlichen Meinung in Preußen mit dem
Wege, den er mit mir einſchlug, würde beſtehn können. Dem
gegenüber war die Wirkung unſrer Unterredung in dem dunklen

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[285/0312] Wie die Muthloſigkeit des Königs überwunden ward. müſſen wir früher oder ſpäter doch, und können wir anſtändiger umkommen? Ich ſelbſt im Kampfe für die Sache meines Königs und Eure Majeſtät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem eignen Blute beſiegeln, ob auf dem Schaffot oder auf dem Schlachtfelde, ändert nichts an dem rühmlichen Einſetzen von Leib und Leben für die von Gottes Gnaden verliehenen Rechte. Eure Majeſtät müſſen nicht an Ludwig XVI. denken; der lebte und ſtarb in einer ſchwächlichen Gemüthsverfaſſung und macht kein gutes Bild in der Geſchichte. Karl I. dagegen, wird er nicht immer eine vornehme hiſtoriſche Erſcheinung bleiben, wie er, nachdem er für ſein Recht das Schwert gezogen, die Schlacht verloren hatte, un¬ gebeugt ſeine königliche Geſinnung mit ſeinem Blute bekräftigte? Eure Majeſtät ſind in der Nothwendigkeit zu fechten, Sie können nicht capituliren, Sie müſſen, und wenn es mit körperlicher Gefahr wäre, der Vergewaltigung entgegentreten.“ Je länger ich in dieſem Sinne ſprach, deſto mehr belebte ſich der König und fühlte ſich in die Rolle des für Königthum und Vaterland kämpfenden Offiziers hinein. Er war äußern und perſön¬ lichen Gefahren gegenüber von einer ſeltenen und ihm abſolut natürlichen Furchtloſigkeit, auf dem Schlachtfelde, wie Attentaten gegenüber; ſeine Haltung in jeder äußern Gefahr hatte etwas Herz¬ erhebendes und Begeiſterndes. Der ideale Typus des preußiſchen Offiziers, der dem ſichern Tode im Dienſte mit dem einfachen Worte „Zu Befehl“ ſelbſtlos und furchtlos entgegengeht, der aber, wenn er auf eigne Verantwortung handeln ſoll, die Kritik des Vorgeſetzten oder der Welt mehr als den Tod und dergeſtalt fürchtet, daß die Energie und Richtigkeit ſeiner Entſchließung durch die Furcht vor Verweis und Tadel beeinträchtigt wird, dieſer Typus war in ihm im höchſten Grade ausgebildet. Er hatte ſich bis dahin auf ſeiner Fahrt nur gefragt, ob er vor der überlegnen Kritik ſeiner Frau Gemalin und vor der öffentlichen Meinung in Preußen mit dem Wege, den er mit mir einſchlug, würde beſtehn können. Dem gegenüber war die Wirkung unſrer Unterredung in dem dunklen

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/312>, abgerufen am 22.11.2024.