Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Ministerium. des Innern, wollte ihm das Handelsministerium, dem GrafenItzenplitz die Landwirthschaft und Selchow das Innere geben. Ich entwickelte dem gegenüber, daß die ressortmäßige Sachkunde als Handelsminister bei Eulenburg und Selchow auf ziemlich gleicher Stufe stehn und jedenfalls mehr bei ihren Räthen als bei ihnen selbst zu suchen sein würde, daß ich in diesem Falle viel mehr Gewicht auf persönliche Begabung, Geschick und Menschenkenntniß legte, als auf technische Vorbildung. Ich gäbe zu, daß Eulenburg arbeitsscheu und vergnügungssüchtig sei: er sei aber auch gescheidt und schlagfertig, und wenn er als Minister des Innern in der nächsten Zeit als der Vorderste auf der Bresche stehn müsse, so werde das Bedürfniß, sich zu wehren und die Schläge, die er be¬ kommen, zu erwidern, ihn aus seiner Unthätigkeit heraus spornen. Der König gab mir endlich nach, und ich glaube auch noch heut, daß meine Wahl den Umständen nach richtig war; denn wenn ich auch unter dem Mangel an Arbeitsamkeit und Pflichtgefühl meines Freundes Eulenburg mitunter schwer gelitten habe, so war er doch in den Zeiten seiner Arbeitslust ein tüchtiger Gehülfe und immer ein feiner Kopf, nicht ohne Ehrgeiz und Empfindlichkeit, auch mir gegenüber. Wenn die Periode der Entsagung und angestrengten Arbeit länger als gewöhnlich dauerte, so verfiel er in nervöse Krankheiten. Jedenfalls waren er und Roon die Hervorragendsten in dem Conflictsministerium. Roon aber war der einzige unter meinen spätern Collegen, Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium. des Innern, wollte ihm das Handelsminiſterium, dem GrafenItzenplitz die Landwirthſchaft und Selchow das Innere geben. Ich entwickelte dem gegenüber, daß die reſſortmäßige Sachkunde als Handelsminiſter bei Eulenburg und Selchow auf ziemlich gleicher Stufe ſtehn und jedenfalls mehr bei ihren Räthen als bei ihnen ſelbſt zu ſuchen ſein würde, daß ich in dieſem Falle viel mehr Gewicht auf perſönliche Begabung, Geſchick und Menſchenkenntniß legte, als auf techniſche Vorbildung. Ich gäbe zu, daß Eulenburg arbeitsſcheu und vergnügungsſüchtig ſei: er ſei aber auch geſcheidt und ſchlagfertig, und wenn er als Miniſter des Innern in der nächſten Zeit als der Vorderſte auf der Breſche ſtehn müſſe, ſo werde das Bedürfniß, ſich zu wehren und die Schläge, die er be¬ kommen, zu erwidern, ihn aus ſeiner Unthätigkeit heraus ſpornen. Der König gab mir endlich nach, und ich glaube auch noch heut, daß meine Wahl den Umſtänden nach richtig war; denn wenn ich auch unter dem Mangel an Arbeitſamkeit und Pflichtgefühl meines Freundes Eulenburg mitunter ſchwer gelitten habe, ſo war er doch in den Zeiten ſeiner Arbeitsluſt ein tüchtiger Gehülfe und immer ein feiner Kopf, nicht ohne Ehrgeiz und Empfindlichkeit, auch mir gegenüber. Wenn die Periode der Entſagung und angeſtrengten Arbeit länger als gewöhnlich dauerte, ſo verfiel er in nervöſe Krankheiten. Jedenfalls waren er und Roon die Hervorragendſten in dem Conflictsminiſterium. Roon aber war der einzige unter meinen ſpätern Collegen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0327" n="300"/><fw place="top" type="header">Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium.<lb/></fw>des Innern, wollte ihm das Handelsminiſterium, dem Grafen<lb/> Itzenplitz die Landwirthſchaft und Selchow das Innere geben.<lb/> Ich entwickelte dem gegenüber, daß die reſſortmäßige Sachkunde<lb/> als Handelsminiſter bei Eulenburg und Selchow auf ziemlich gleicher<lb/> Stufe ſtehn und jedenfalls mehr bei ihren Räthen als bei ihnen<lb/> ſelbſt zu ſuchen ſein würde, daß ich in dieſem Falle viel mehr<lb/> Gewicht auf perſönliche Begabung, Geſchick und Menſchenkenntniß<lb/> legte, als auf techniſche Vorbildung. 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Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium.
des Innern, wollte ihm das Handelsminiſterium, dem Grafen
Itzenplitz die Landwirthſchaft und Selchow das Innere geben.
Ich entwickelte dem gegenüber, daß die reſſortmäßige Sachkunde
als Handelsminiſter bei Eulenburg und Selchow auf ziemlich gleicher
Stufe ſtehn und jedenfalls mehr bei ihren Räthen als bei ihnen
ſelbſt zu ſuchen ſein würde, daß ich in dieſem Falle viel mehr
Gewicht auf perſönliche Begabung, Geſchick und Menſchenkenntniß
legte, als auf techniſche Vorbildung. Ich gäbe zu, daß Eulenburg
arbeitsſcheu und vergnügungsſüchtig ſei: er ſei aber auch geſcheidt
und ſchlagfertig, und wenn er als Miniſter des Innern in der
nächſten Zeit als der Vorderſte auf der Breſche ſtehn müſſe, ſo
werde das Bedürfniß, ſich zu wehren und die Schläge, die er be¬
kommen, zu erwidern, ihn aus ſeiner Unthätigkeit heraus ſpornen.
Der König gab mir endlich nach, und ich glaube auch noch heut,
daß meine Wahl den Umſtänden nach richtig war; denn wenn ich
auch unter dem Mangel an Arbeitſamkeit und Pflichtgefühl meines
Freundes Eulenburg mitunter ſchwer gelitten habe, ſo war er doch
in den Zeiten ſeiner Arbeitsluſt ein tüchtiger Gehülfe und immer
ein feiner Kopf, nicht ohne Ehrgeiz und Empfindlichkeit, auch mir
gegenüber. Wenn die Periode der Entſagung und angeſtrengten
Arbeit länger als gewöhnlich dauerte, ſo verfiel er in nervöſe
Krankheiten. Jedenfalls waren er und Roon die Hervorragendſten
in dem Conflictsminiſterium.
Roon aber war der einzige unter meinen ſpätern Collegen,
der bei meinem Eintritt in das Amt ſich der Wirkung und des
Zweckes deſſelben und des gemeinſamen Operationsplanes bewußt
war und den letztern mit mir beſprach. Er war unerreicht in
der Treue, Tapferkeit und Leiſtungsfähigkeit, womit er vor und
nach meinem Eintritt die Kriſis überwinden half, in die der
Staat durch das Experiment der neuen Aera gerathen war. Er
verſtand ſein Reſſort und beherrſchte es, war der beſte Redner
unter uns, ein Mann von Geiſt und unerſchütterlich in der Ge¬
ſinnung eines ehrliebenden preußiſchen Offiziers. Mit vollem Ver¬
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