Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Wer war der Urheber der Veröffentlichung? damalige Auffassung bestätigt. Wenn eine ganze Schule vonpolitischen Schriftstellern ein Vierteljahrhundert lang das, was sie die englische Verfassung nannten, und wovon sie keine eindringende Kenntniß besaßen, den festländischen Völkern als Muster gepriesen und zur Nachahmung empfohlen hatten, so war es erklärlich, daß die Kronprinzessin und ihre Mutter das eigenthümliche Wesen des preußischen Staates, die Unmöglichkeit verkannten, ihn durch wech¬ selnde parlamentarische Gruppen regiren zu lassen, war es erklärlich, daß aus diesem Irrthume sich der andre erzeugte, es würden sich in dem Preußen des 19. Jahrhunderts die innern Kämpfe und Katastrophen Englands im 17. wiederholen, wenn nicht das System, durch welches jene Kämpfe zum Abschluß kamen, bei uns eingeführt werde. Ich habe nicht feststellen können, ob die mir da¬ mals zugegangene Nachricht wahr ist, daß im April 1863 die Königin Augusta durch den Präsidenten Ludolf Camphausen und die Kron¬ prinzessin durch den Baron von Stockmar kritisirende Denkschriften über die innern Zustände Preußens ausarbeiten ließen und zur Kenntniß des Königs gebracht haben; daß aber die Königin, zu deren Umgebung der Legationsrath Meyer gehörte, mit der Besorgniß vor Stuartischen Katastrophen erfüllt war, wußte ich und fand es schon 1862 ausgeprägt in der gedrückten Stimmung, in der der König aus Baden von der Geburtstagsfeier seiner Gemalin zurückkehrte1). Die im Kampfe mit dem Königthume liegende, von Tag zu Tag auf den Sieg rechnende Fortschrittspartei versäumte es nicht, in der Presse und durch die Personen einzelner Führer die Situation unter die Beleuchtung zu stellen, welche auf weibliche Ge¬ müther besonders wirksam sein mußte. 1) S. o. S. 283 ff. Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I. 21
Wer war der Urheber der Veröffentlichung? damalige Auffaſſung beſtätigt. Wenn eine ganze Schule vonpolitiſchen Schriftſtellern ein Vierteljahrhundert lang das, was ſie die engliſche Verfaſſung nannten, und wovon ſie keine eindringende Kenntniß beſaßen, den feſtländiſchen Völkern als Muſter geprieſen und zur Nachahmung empfohlen hatten, ſo war es erklärlich, daß die Kronprinzeſſin und ihre Mutter das eigenthümliche Weſen des preußiſchen Staates, die Unmöglichkeit verkannten, ihn durch wech¬ ſelnde parlamentariſche Gruppen regiren zu laſſen, war es erklärlich, daß aus dieſem Irrthume ſich der andre erzeugte, es würden ſich in dem Preußen des 19. Jahrhunderts die innern Kämpfe und Kataſtrophen Englands im 17. wiederholen, wenn nicht das Syſtem, durch welches jene Kämpfe zum Abſchluß kamen, bei uns eingeführt werde. Ich habe nicht feſtſtellen können, ob die mir da¬ mals zugegangene Nachricht wahr iſt, daß im April 1863 die Königin Auguſta durch den Präſidenten Ludolf Camphauſen und die Kron¬ prinzeſſin durch den Baron von Stockmar kritiſirende Denkſchriften über die innern Zuſtände Preußens ausarbeiten ließen und zur Kenntniß des Königs gebracht haben; daß aber die Königin, zu deren Umgebung der Legationsrath Meyer gehörte, mit der Beſorgniß vor Stuartiſchen Kataſtrophen erfüllt war, wußte ich und fand es ſchon 1862 ausgeprägt in der gedrückten Stimmung, in der der König aus Baden von der Geburtstagsfeier ſeiner Gemalin zurückkehrte1). Die im Kampfe mit dem Königthume liegende, von Tag zu Tag auf den Sieg rechnende Fortſchrittspartei verſäumte es nicht, in der Preſſe und durch die Perſonen einzelner Führer die Situation unter die Beleuchtung zu ſtellen, welche auf weibliche Ge¬ müther beſonders wirkſam ſein mußte. 1) S. o. S. 283 ff. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I. 21
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Wer war der Urheber der Veröffentlichung?
damalige Auffaſſung beſtätigt. Wenn eine ganze Schule von
politiſchen Schriftſtellern ein Vierteljahrhundert lang das, was ſie
die engliſche Verfaſſung nannten, und wovon ſie keine eindringende
Kenntniß beſaßen, den feſtländiſchen Völkern als Muſter geprieſen
und zur Nachahmung empfohlen hatten, ſo war es erklärlich, daß
die Kronprinzeſſin und ihre Mutter das eigenthümliche Weſen des
preußiſchen Staates, die Unmöglichkeit verkannten, ihn durch wech¬
ſelnde parlamentariſche Gruppen regiren zu laſſen, war es erklärlich,
daß aus dieſem Irrthume ſich der andre erzeugte, es würden
ſich in dem Preußen des 19. Jahrhunderts die innern Kämpfe
und Kataſtrophen Englands im 17. wiederholen, wenn nicht das
Syſtem, durch welches jene Kämpfe zum Abſchluß kamen, bei uns
eingeführt werde. Ich habe nicht feſtſtellen können, ob die mir da¬
mals zugegangene Nachricht wahr iſt, daß im April 1863 die Königin
Auguſta durch den Präſidenten Ludolf Camphauſen und die Kron¬
prinzeſſin durch den Baron von Stockmar kritiſirende Denkſchriften
über die innern Zuſtände Preußens ausarbeiten ließen und zur
Kenntniß des Königs gebracht haben; daß aber die Königin, zu deren
Umgebung der Legationsrath Meyer gehörte, mit der Beſorgniß
vor Stuartiſchen Kataſtrophen erfüllt war, wußte ich und fand es
ſchon 1862 ausgeprägt in der gedrückten Stimmung, in der
der König aus Baden von der Geburtstagsfeier ſeiner Gemalin
zurückkehrte 1). Die im Kampfe mit dem Königthume liegende, von
Tag zu Tag auf den Sieg rechnende Fortſchrittspartei verſäumte
es nicht, in der Preſſe und durch die Perſonen einzelner Führer die
Situation unter die Beleuchtung zu ſtellen, welche auf weibliche Ge¬
müther beſonders wirkſam ſein mußte.
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S. o. S. 283 ff.
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