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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Sechzehntes Kapitel: Danziger Episode.
II.

In Gastein erhielt ich im August den Besuch des Kronprinzen,
der dort von englischen Einflüssen freier sein Verhalten im Sinne
seines ursprünglichen Mangels an Selbständigkeit und seiner Ver¬
ehrung für den Vater, bescheiden und liebenswürdig aus seiner un¬
genügenden politischen Vorbildung, seiner Fernhaltung von den Ge¬
schäften erklärte und ohne Rückhalt in den Formen eines Mannes
sprach, der sein Unrecht einsieht und mit den Einwirkungen, die
auf ihn stattgefunden hatten, entschuldigt.

Im September, nachdem der König mit mir über Baden,
der Kronprinz direct von Gastein nach Berlin zurückgekehrt war,
gewannen die Einflüsse und Befürchtungen wieder die Oberhand,
die ihn zu dem Auftreten im Juni bewogen hatten. Den Tag,
nachdem die Auflösung des Abgeordnetenhauses beschlossen worden,
schrieb er mir:

"Berlin, 3/9. 63.

Ich habe Sr. M. die Ansichten heute mitgetheilt, welche ich
Ihnen in meinem Schreiben aus Putbus [rectius Stettin] aus¬
einandersetzte und die ich Sie bat, nicht eher dem Könige zu eröffnen,
als bis ich selber dies gethan. Ein folgeschwerer Entschluß ward
gestern im Conseil gefaßt; in Gegenwart der Minister wollte ich
Sr. M. nichts erwidern; heut ist es geschehen; ich habe meine Be¬
denken geäußert, habe meine schweren Befürchtungen für die Zu¬
kunft dargelegt. Der König weiß nunmehr, daß ich der entschiedene
Gegner des Ministeriums bin. Friedrich Wilhelm."

Es kam nun auch die in dem Briefe des Kronprinzen vom
30. Juni angekündigte Bitte, von der Theilnahme an den Sitzungen
des Staatsministeriums dispensirt zu werden, zur Erörterung. Wie
das Verhältniß zwischen den beiden hohen Herrn damals noch war,
beweist der nachstehende Brief des Ministers von Bodelschwingh vom
11. September 1863:

Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode.
II.

In Gaſtein erhielt ich im Auguſt den Beſuch des Kronprinzen,
der dort von engliſchen Einflüſſen freier ſein Verhalten im Sinne
ſeines urſprünglichen Mangels an Selbſtändigkeit und ſeiner Ver¬
ehrung für den Vater, beſcheiden und liebenswürdig aus ſeiner un¬
genügenden politiſchen Vorbildung, ſeiner Fernhaltung von den Ge¬
ſchäften erklärte und ohne Rückhalt in den Formen eines Mannes
ſprach, der ſein Unrecht einſieht und mit den Einwirkungen, die
auf ihn ſtattgefunden hatten, entſchuldigt.

Im September, nachdem der König mit mir über Baden,
der Kronprinz direct von Gaſtein nach Berlin zurückgekehrt war,
gewannen die Einflüſſe und Befürchtungen wieder die Oberhand,
die ihn zu dem Auftreten im Juni bewogen hatten. Den Tag,
nachdem die Auflöſung des Abgeordnetenhauſes beſchloſſen worden,
ſchrieb er mir:

„Berlin, 3/9. 63.

Ich habe Sr. M. die Anſichten heute mitgetheilt, welche ich
Ihnen in meinem Schreiben aus Putbus [rectius Stettin] aus¬
einanderſetzte und die ich Sie bat, nicht eher dem Könige zu eröffnen,
als bis ich ſelber dies gethan. Ein folgeſchwerer Entſchluß ward
geſtern im Conſeil gefaßt; in Gegenwart der Miniſter wollte ich
Sr. M. nichts erwidern; heut iſt es geſchehen; ich habe meine Be¬
denken geäußert, habe meine ſchweren Befürchtungen für die Zu¬
kunft dargelegt. Der König weiß nunmehr, daß ich der entſchiedene
Gegner des Miniſteriums bin. Friedrich Wilhelm.“

Es kam nun auch die in dem Briefe des Kronprinzen vom
30. Juni angekündigte Bitte, von der Theilnahme an den Sitzungen
des Staatsminiſteriums diſpenſirt zu werden, zur Erörterung. Wie
das Verhältniß zwiſchen den beiden hohen Herrn damals noch war,
beweiſt der nachſtehende Brief des Miniſters von Bodelſchwingh vom
11. September 1863:

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[322/0349] Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode. II. In Gaſtein erhielt ich im Auguſt den Beſuch des Kronprinzen, der dort von engliſchen Einflüſſen freier ſein Verhalten im Sinne ſeines urſprünglichen Mangels an Selbſtändigkeit und ſeiner Ver¬ ehrung für den Vater, beſcheiden und liebenswürdig aus ſeiner un¬ genügenden politiſchen Vorbildung, ſeiner Fernhaltung von den Ge¬ ſchäften erklärte und ohne Rückhalt in den Formen eines Mannes ſprach, der ſein Unrecht einſieht und mit den Einwirkungen, die auf ihn ſtattgefunden hatten, entſchuldigt. Im September, nachdem der König mit mir über Baden, der Kronprinz direct von Gaſtein nach Berlin zurückgekehrt war, gewannen die Einflüſſe und Befürchtungen wieder die Oberhand, die ihn zu dem Auftreten im Juni bewogen hatten. Den Tag, nachdem die Auflöſung des Abgeordnetenhauſes beſchloſſen worden, ſchrieb er mir: „Berlin, 3/9. 63. Ich habe Sr. M. die Anſichten heute mitgetheilt, welche ich Ihnen in meinem Schreiben aus Putbus [rectius Stettin] aus¬ einanderſetzte und die ich Sie bat, nicht eher dem Könige zu eröffnen, als bis ich ſelber dies gethan. Ein folgeſchwerer Entſchluß ward geſtern im Conſeil gefaßt; in Gegenwart der Miniſter wollte ich Sr. M. nichts erwidern; heut iſt es geſchehen; ich habe meine Be¬ denken geäußert, habe meine ſchweren Befürchtungen für die Zu¬ kunft dargelegt. Der König weiß nunmehr, daß ich der entſchiedene Gegner des Miniſteriums bin. Friedrich Wilhelm.“ Es kam nun auch die in dem Briefe des Kronprinzen vom 30. Juni angekündigte Bitte, von der Theilnahme an den Sitzungen des Staatsminiſteriums diſpenſirt zu werden, zur Erörterung. Wie das Verhältniß zwiſchen den beiden hohen Herrn damals noch war, beweiſt der nachſtehende Brief des Miniſters von Bodelſchwingh vom 11. September 1863:

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/349>, abgerufen am 21.11.2024.